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„Die linken Aktivisten halten den Pluralismus nicht aus“

Studenten werfen Peter Hoeres, Professor für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg, und seinem Mitarbeiter Benjamin Hasselhorn eine Nähe zur „Neuen Rechten“ vor. Hoeres weist die Vorwürfe als substanzlose Kampagne zurück.
Professor Peter Hoeres, deutscher Historiker
Foto: dpa | Beim Vorwurf der „neurechten Diskursverschiebung“ handele es sich um eine konzertierte Aktion, meint Peter Hoeres. "Wir sind noch dabei zu recherchieren, wo genau das Zentrum dieser Kampagne ist."

Herr Professor Hoeres, das Studentenparlament der Universität Würzburg wirft Ihnen und Ihrem Lehrstuhl „neurechte Diskursverschiebung“ vor. Dabei geht es vor allem auch um Ihren Mitarbeiter Benjamin Hasselhorn. Welche konkreten Verfehlungen oder Pflichtverletzungen werden Ihnen und Herrn Hasselhorn denn zur Last gelegt?

Weder liegen irgendwelche Pflichtverletzung noch sonstige Verfehlungen vor – außer man zählt, was die Aktivisten offenbar tun, die Wahrnehmung der grundgesetzlichen geschützten Wissenschafts- und Meinungsfreiheit dazu. Der einzig konkrete Vorwurf ist ein Aufsatz, den Benjamin Hasselhorn vor elf Jahren in der „Sezession“ veröffentlicht hat, die damals noch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Darin wirbt Hasselhorn übrigens unter Verweis auf Friedrich Meinecke für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das haben die Studenten, die sich jetzt beschweren, aber offenbar entweder nicht gelesen oder nicht verstanden.

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Auch wenn der Fall hier offenbar gar nicht vorliegt: Wäre eine Kritik am Grundgesetz und unserer Staatsform denn grundsätzlich illegitim oder nicht sogar Teil der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit?

Es gibt eine grundlegende Treuepflicht von Beamten zur Verfassung, aber das schließt Kritik im Einzelnen am Grundgesetz nicht aus. Diese wird ja auch ständig von verschiedenen Seiten geübt und in Form von Verfassungsänderungen auch praktisch vorgenommen. Aber darum geht es bei dieser Aktion gegen Hasselhorn ja auch gar nicht.

Die Unterzeichner beklagen, dass „Rechte“ oder „Neu-Rechte“ an Ihrem Institut beschäftigt sind. Stimmt das und was wäre daran das Problem?

Ein Problem ist die Schwammigkeit dieser Begriffe, die vor allem diskreditieren sollen. An meinem Lehrstuhl arbeiteten und arbeiten ganz unterschiedliche Leute mit verschiedenen politischen Einstellungen: von Jusos und noch linkeren Mitarbeitern bis hin zu Mitgliedern der CSU. Offenbar passt es einigen nicht, dass auch liberale und konservativen Einstellungen überhaupt vorhanden sind.

Sind liberale und konservative Stimmen denn auch im Studentenparlament vorhanden?

Bei der Abstimmung gegen uns waren der RCDS (Anm. d. Red.: „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“), also die Hochschulorganisation der Union, und die liberale Hochschulgruppe nicht zugegen. Links und Linksaußen haben also allein abgestimmt. Man muss auch sehen, dass die Wahlbeteiligung zum Studentenparlament äußerst gering ist. Außerdem ist bemerkenswert, dass keiner der Rädelsführer im Vorfeld den Kontakt zu uns gesucht hat.

"Es ist bemerkenswert, dass keiner der Rädelsführer
im Vorfeld den Kontakt zu uns gesucht hat"

Treten diese Leute denn namentlich auf?

Ja, es handelt sich um Zuri Klaschka von den Grünen, Daniel Janke von den Jusos, Jonas Keim von der Linken Liste – er ist der Vorsitzende des Studentenparlaments – und Lucas Gäde. Gäde ist der einzige Geschichtsstudent, der sich einmal für ein Seminar von Benjamin Hasselhorn angemeldet, es dann aber gar nicht besucht hat. Diese Gruppe ist vernetzt mit einem Grünen-Aktivisten, Konstantin Mack, der zugleich der Vorsitzende der Ortsgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Würzburg ist.

Erklärt das, warum nun die DIG Würzburg auf ihrer Webseite die Vorwürfe des Studentenparlaments wiederholt hat?

Ja, die lokale DIG scheint von links gekapert worden zu sein. Grundsätzliche halte ich die DIG für eine gute und wichtige Organisation. Ich habe mich nun an den Vorsitzenden der Bundes-DIG, Volker Beck, gewandt und mich über die Vorgänge beschwert. Mack und die Würzburger DIG führen Begriffe der Neuen Rechten wie „Schuldkult“ und „Ethnopluralismus“ auf und suggerieren, ich würde mir diese Begriffe zu eigen machen. Das ist falsch. Zusätzlich wird eine kontextfreie Montage von Zitaten einer Analyse aus einer wissenschaftlichen Publikation von mir aufgeboten. Inzwischen haben sie, etwas versteckt, klargestellt, dass Sie mich nicht des Antisemitismus bezichtigen wollen. Auch hier also: in der Sache keine Substanz, dafür der Versuch, mich durch Assoziationen zu diskreditieren.

Dass auch die DIG Würzburg gegen Sie Stimmung macht, ist insofern erstaunlich, als Sie sich nach dem Terrormassaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 öffentlich klar an die Seite Israels gestellt haben und sogar aus dem Historikerverband ausgetreten sind, der es an einem solchen Bekenntnis hat vermissen lassen. Wie hat sich denn das Studentenparlament nach den Anschlägen vom 7. Oktober positioniert?

Soweit ich weiß, hat das Studentenparlament damals einen Antrag des RCDS von der Tagesordnung genommen hat, der sich zum Existenzrecht Israels bekennen wollte. Es ist grotesk, wenn Leute, die nach dem 7. Oktober nicht eine Solidarisierung mit Israel abgeben wollten, Menschen wie mich, die sich öffentlich für Israel einsetzen, nun in den Dunstkreis des Antisemitismus stellen wollen.

Auch die Grüne Jugend Würzburg hat sich zu Wort gemeldet und resümiert die vagen Anschuldigungen gegen Sie mit dem Statement „Antifaschismus ist kein Randthema – es ist das Fundament unserer Demokratie“. Was halten Sie von dieser Aussage?

Das ist reiner DDR-Sprech und unvereinbar mit dem Grundgesetz, in dem die Lehr- und Wissenschaftsfreiheit festgeschrieben ist. Jeder, der sich auch nur oberflächlich mit dem Grundgesetz und seiner Geschichte beschäftigt hat, weiß, dass es sich nicht um eine „antifaschistische“ Grundordnung im Sinne Stalins oder der DDR handelt, sondern um eine antitotalitäre Ordnung, die sich gleichermaßen gegen linke wie rechte Totalitarismen wendet. Die Aussagen der Grünen Jugend sind daher von Satire nicht zu unterscheiden.

"Die Aussagen der Grünen Jugend
sind von Satire nicht zu unterscheiden"

Warum kommen all diese Angriffe gerade jetzt? Gibt es einen Anlass?

Fraglos handelt es sich um eine konzertierte Aktion. Wir sind noch dabei zu recherchieren, wo genau das Zentrum dieser Kampagne ist. Es schwelte aber schon länger hinter unserem Rücken. Einen konkreten Auslöser scheint es nicht gegeben zu haben. Stattdessen scheint sich das Unbehagen darüber Bahn gebrochen zu haben, dass es einen Lehrstuhl gibt, der die Wissenschaftsfreiheit im klassischen Sinne hochhält, pluralistisch ausgerichtet ist und beim Befolgen der deutschen Rechtschreibung, Stichwort Gendern, den Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung folgt.

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