Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Weltjugendtag in Lissabon

Ein deutsches Drama

Unwissenheit und Aktivismus prägten die Sicht vieler deutscher Jugendlicher auf den Weltjugendtag 2023 in Lissabon. Ein Kommentar
Weltjugendtag in Lissabon 2023
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Es kann nicht verwundern, dass Jugendliche die Grundlagen der kontroversen Lehren der Kirche nicht verstehen, wenn ihnen nicht einmal das Einmaleins des katholischen Glaubens vermittelt wird.

Die wenigen LGBTQ-Flaggen, die auf dem Weltjugendtag 2023 zu sehen waren, wehten bei deutschen Pilgergruppen. „Ich war überrascht, was für ein krass konservatives Weltbild die Katholiken aus anderen Ländern haben“, so ein deutscher Pilger aus dem Bistum München-Freising gegenüber der „Tagespost“. „Ich dachte bisher, ich wäre selbst eher so mittig eingestellt.“ Diese Überraschung kann nicht verwundern, wenn deutsche Bischöfe selbst mit der LGBTQ-Flagge posieren – und sich bei Fragen zu den geforderten Reformen in Ambiguitäten und leere ökologische Metaphern flüchten.   

Lesen Sie auch:

Es kann auch nicht verwundern, dass Jugendliche die Grundlagen der kontroversen Lehren der Kirche nicht verstehen, wenn ihnen nicht einmal das Einmaleins des katholischen Glaubens vermittelt wird. „Ich glaube nicht, dass Gott böse auf mich ist, wenn ich nicht in die Sonntagsmesse gehe, sondern zu Hause für mich bete“, meint ein Teilnehmer im Gespräch mit der Gruppe. Beim englischen Gottesdienst mit einer Gruppe von Pilgern aus Kuwait können die meisten deutschen Jugendliche das Confiteor nicht mitbeten. Dafür erzählen die Pilger von Mini-Freizeiten in tollen Hotels. Dass Ministranten in Deutschland keine grundlegenden Kenntnisse über den Glauben erhalten, ist eine verpasste Chance für die Kirche. Und wenn Gruppenleiter nicht bewusst zur täglichen Messe einladen, auch mal zu einem Rosenkranz, zur Beichte oder zur Berufungsmeile, dann kann auch ein Weltjugendtag wenig ausrichten. 

Die Kirche kann nicht halten, was manche Bischöfe versprechen

Das Tragische an der Situation ist, dass die Kirche nicht halten kann, was sie durch manche ihrer Bischöfe den Jugendlichen zu versprechen scheint: Papst Franziskus ließ nicht erkennen, dass er daran denkt oder sich überhaupt in der Lage sieht, die Lehre der Kirche so zu „reformieren“, dass die Einführung der LGBTQ-Ehe oder das Frauenpriestertum möglich sind. 

Im Gegenteil: Auf die Frage, warum Homosexuelle keine Ehen schließen oder Frauen nicht Priester werden dürfen, hat der Papst in Lissabon geantwortet, dass die Kirche zwar für alle offen sei, aber es trotzdem Regeln für das Leben in der Kirche gebe. Die Kirche sei keine „Firma“, für die man, wenn man eintreten wolle, dieses oder jenes tun müsse. „Eine andere Sache ist es“, so der Heilige Vater, „wenn es um den Dienst der Kirche geht, die Art, wie man die Herde auf ihrem Weg vorwärts führt. Eins der wichtigsten Dinge ist dabei Geduld: Menschen Schritt für Schritt auf ihrem Weg zur Reife zu begleiten.“ Auf lange Sicht wartet auf diese deutschen Aktivisten Enttäuschung – oder das Leben in einer deutschen Parallelkirche. Und die, die sich ohnehin eher lose mit der Kirche verbunden fühlen – denen also, wie sie sagen, „der Glaube, aber nicht die Kirche als Institution wichtig ist“ -, werden sich dann auch nicht in den mystischen Leib Christi gerufen fühlen. 

Es geht um die Nachfolge Christi

Clemens Kannegießer, ein deutscher Pilger, sagte gegenüber der KNA über die Einstellung internationaler Jugendlicher: „Ich habe das Gefühl, die wollen das Thema lieber ignorieren.“ Aber eher ist ihnen wohl klar, dass es in der katholischen Kirche um etwas anderes als die Durchsetzung der eigenen politischen und ideologischen Ansichten geht: Um die Nachfolge Christi. Im großen Schauspiel des Weltjugendtages, wo Katholiken von überallher zusammenkommen, aus der Diaspora, aus Kriegsgebieten oder von dort, wo sie für den Glauben verfolgt werden, erscheint das deutsche Drama eben klein. Aber nicht weniger ernüchternd.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Sally-Jo Durney Bischof Jesus Christus Katholikinnen und Katholiken Papst Franziskus Päpste Weltjugendtag

Weitere Artikel

Carlos Manuel Pedrosa Cabecinha leitet das Heiligtum von Fátima. Ein Gespräch über den Wallfahrtsort und den Aufruf Mariens zur Bekehrung.
29.07.2023, 09 Uhr
Regina Einig
Kardinal Jean-Claude Hollerich und der Dominikanerpater Timothy Radcliffe luden zu Beginn der zweiten Versammlungswoche der Weltsynode zu offenen Auseinandersetzungen nach dem Vorbild Jesu ...
10.10.2023, 10 Uhr
Meldung
Die Kongregation der "Dienerinnen der Armen" in Frankreich ist für junge Frauen attraktiv, die ein Apostolat in der Welt mit dem ursprünglichen benediktinischen Geist verbinden wollen.
04.02.2024, 07 Uhr
Franziska Harter

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Jesus macht sich eins mit dem Volk der Sünder - auch im Gebet, meint Papst Franziskus in einer Katechese über das Beten.
28.04.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus