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Die Winde der Veränderung

Papst Franziskus bereitet die Kurie bei seiner Weihnachtsansprache auf tiefgreifende Reformen vor.
Weihnachtsaudienz für die Römische Kurie
Foto: Andrew Medichini (AP pool) | "Die Epoche, in der wir leben, ist nicht nur eine Epoche der Veränderungen, sondern die eines Epochenwandels", so Papst Franziskus bei seiner traditionellenAnsprache vor Weihnachten an die Römische Kurie.

Papst Franziskus hat seine traditionelle Ansprache vor Weihnachten an die Römische Kurie unter das Stichwort der „Veränderung“ gestellt. Die Veränderungen in der Welt, die Veränderungen in der Kirche und die Veränderungen in der Kurie waren seine Themen, als er am Samstagmorgen die Kardinäle und führenden Mitarbeiter empfing. Am gleichen Tag wurde auch bekannt, dass der langjährige Dekan des Kardinalskollegiums, der 92 Jahre alte und ehemalige Staatssekretär Angelo Sodano, von seinem Amt zurücktritt und der Papst in Zukunft den von den Kardinälen zu wählenden Dekan des „Roten Senats“ für eine Amtszeit von fünf Jahren und nicht wie bisher auf Lebenszeit ernennen wird. „Ich hoffe, sie wählen jemanden, der sich diesem wichtigen Amt voll und ganz widmen kann. Danke“, meinte Franziskus sybillinisch.

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Das Christentum ist nicht mehr die Leitkultur

„Die Epoche, in der wir leben“, fuhr der Papst fort, „ist nicht nur eine Epoche der Veränderungen, sondern die eines Epochenwandels“. Franziskus sprach von epochalen Veränderungen, die Weichenstellungen darstellen würden, „die die Art des Lebens, der Beziehungen, der Formung und Kommunikation des Denkens, des Verhältnisses zwischen den menschlichen Generationen und dem Verständnis und der Ausübung von Glauben und Wissenschaft schnell verwandeln“. Mit Blick auf die Kurienreform und vor allem die beiden Kongregationen für die Glaubenslehre und für die Evangelisierung der Völker machte er deutlich, wie sehr sich die Zeiten auch für die Kirche geändert hätten: Diese beiden Dikasterien seien zu einer Zeit gegründet worden, „in der es einfacher war, zwischen zwei ziemlich klar abgegrenzten Bereichen zu unterscheiden: einer christlichen Welt auf der einen Seite und einer noch zu evangelisierenden Welt auf der anderen.

Diese Situation gehört jedoch der Vergangenheit an. Menschen, denen das Evangelium noch nicht verkündigt worden ist, leben keineswegs nur in den nicht-westlichen Kontinenten, sondern überall, vor allem in den riesigen städtischen Ballungszentren, die ihrerseits eine besondere Seelsorge erfordern.“ Und mit Blick auf die Gesellschaften des 21. Jahrhunderts stellt Franziskus ernüchtert fest: „Brüder und Schwestern, wir haben keine christliche Leitkultur, es gibt keine mehr! Wir sind heute nicht mehr die Einzigen, die Kultur prägen, und wir sind weder die ersten noch die, denen am meisten Gehör geschenkt wird.“ Wie sich diese globale Veränderung jedoch auf die Konstitution zur Kurienreform auswirken wird, ließ der Papst noch offen.

Eine neue Kommunikation des Vatikans

Stattdessen beklagte der Papst das, was jeder Katholik täglich erfährt: „Das Christentum ist keine dominante Größe mehr, denn der Glaube – vor allem in Europa, aber auch im Großteil des Westens – stellt keine selbstverständliche Voraussetzung des allgemeinen Lebens mehr dar, sondern wird oft sogar geleugnet, belächelt, an den Rand gedrängt und lächerlich gemacht.“ Franziskus ging dann über zur Schaffung des Mediendikasteriums des Vatikans, unter dessen Dach alle Kommunikationsmittel des Vatikans zusammengefasst wurden.

Für Franziskus muss die Kurie ihre Öffentlichkeitsarbeit völlig neu aufstellen: „Die neue Kultur, die von Konvergenz und multimedialen Faktoren geprägt ist, erfordert von Seiten des Apostolischen Stuhls eine angemessene Antwort im Bereich der Kommunikation. Im Vergleich zu spezialisierten Diensten überwiegt heute die multimediale Form, und das prägt auch die Art und Weise, wie diese dann konzipiert, gedacht und umgesetzt werden. All dies impliziert, zusammen mit dem kulturellen Wandel, eine institutionelle und personelle Neuausrichtung von einer Arbeit in getrennten Abteilungen – die bestenfalls ein wenig koordiniert war – zu einer Arbeit, die wesentlich und synergetisch miteinander verbunden ist.“

Die Kirche ist stehen geblieben

Als wolle er die Kurie auf tiefgreifende Einschnitte vorbereiten, schloss Franziskus mit einem Zitat von Kardinal Carlo Maria Martini SJ: „In seinem letzten Interview wenige Tage vor seinem Tod sprach Kardinal Martini Worte, die uns nachdenken lassen: ,Die Kirche ist zweihundert Jahre lang stehen geblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Haben wir Angst? Angst statt Mut? Wo doch der Glaube das Fundament der Kirche ist. Der Glaube, das Vertrauen, der Mut’.“ Doch Weihnachten, meinte Franziskus weiter, „sei das Fest der Liebe, der göttlichen Liebe, „welche die Veränderung inspiriert, leitet und korrigiert und die menschliche Angst, das ,Sichere’ aufzugeben, besiegt, um uns neu auf das ,Mysterium’ einzulassen. Gesegnete Weihnachten euch allen!“

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