Papst Franziskus will das ökumenische Gespräch über die Ausübung des päpstlichen Primats neu beleben. Das ist das Ziel eines 150 Seiten starken Studientextes, den heute die Kardinäle Kurt Koch vom Ökumene-Dikasterium und Mario Grech vom römischen Synodensekretariat in Rom vorgestellt hat. Das Dokument, das noch nicht auf Deutsch vorliegt, trägt im englischen Originaltext den Titel „Der Bischof von Rom – Primat und Synodalität in den ökumenischen Dialogen und in den Antworten auf die Enzyklika ,Ut unum sint‘“.
Damit wird schon der Rahmen deutlich, innerhalb dessen das neue Studiendokument angesiedelt ist: Johannes Paul II. hatte 1995 in dem Schreiben „Ut unum sint“ die anderen christlichen Gemeinschaften eingeladen, mit dem Vatikan in einen Austausch über die zukünftigen Formen der Ausübung des Primats des Bischofs von Rom zu treten.
Blick auf Synode und Heiliges Jahr
Von den unterschiedlichsten Konfessionen – das Studiendokument spricht daher im Untertitel im Plural von „ökumenischen Dialogen“ – wurde daraufhin sichtbar, welche Stellung das römische Papstamt in Zukunft innerhalb der gesamten Christenheit haben könnte und wo für andere christlichen Gemeinschaft die Grenzen bei der derzeit geltenden Primatsausübung innerhalb der lateinischen Kirche liegen. 2020, also 25 Jahre nach der Enzyklika „Ut unum sint“, begann dann der Ökumene-Rat des Vatikans unter Kardinal Koch, die verschiedenen Antworten zu systematisieren, um sie in dem jetzt veröffentlichten Text erneut zur Diskussion zu stellen. Dieser soll nun in den unterschiedlichsten ökumenischen Dialogen weiter vertieft werden – also unmittelbar vor Beginn der römischen Weltsynode zur Synodalität und ebenfalls vor dem Heiligen Jahr 2025, in dem es in Rom zu vielen ökumenischen Begegnungen kommen wird.
Neubewertung des Ersten Vatikanums
In diesem Zusammenhang, so Kardinal Koch bei der Vorstellung des Studientextes, dürfte es sicherlich auch um eine „Relecture“ des Ersten Vatikanischen Konzils gehen, das die Unfehlbarkeit des Papstes dogmatisch definiert hatte. Eine offizielle Kommentierung dieses Konzils durch den Vatikan sei dabei nichts auszuschließen. In jedem Fall gelte es, zwischen den „unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ des Papstes zu differenzieren: als Bischof von Rom, als Souverän des Kirchenstaats, als Oberhaupt der lateinischen Kirche und als erster Apostelnachfolger in der Christenheit.
Primat und Synodalität
Für Kardinal Koch kommt dabei dem Verhältnis von Primat und Synodalität eine besondere Bedeutung zu. Der Primat müsse immer in einer synodalen Weise ausgeübt werden, erklärte er heute gegenüber dem „Osservatore Romano“. Und das betreffe jede Ebene der Kirche: die lokale, die regionale und die universale. Auch in gesamtkirchlicher Hinsicht kommt für Koch somit eine Form der Primatsausübung in Frage, die aber synodal ausgeübt werden muss.
Inwieweit sich die christlichen Gemeinschaften auf das Gemeinsame im ersten christlichen Jahrtausend, der Stellung des Papste als „primus inter pares“, einigen können und inwieweit oft zeitlich und historisch bedingte Ausformungen des römischen Papsttums während des zweiten christlichen Jahrtausends nur in der lateinischen Kirche ihre Geltung behalten, müssen die ökumenischen Dialoge der kommenden Jahre zeigen. Als symbolischen Schritt in Richtung auf die alte Patriarchats-Verfassung der universellen Kirche im ersten Jahrtausend werten Beobachter die jüngste Entscheidung von Papst Franziskus, den alten Papst-Titel „Patriarch des Abendlandes“ jetzt wieder in das Päpstliche Jahrbuch aufgenommen zu haben.
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