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Hubert Jedin: Die Frage, wie das Konzil arbeiten soll

Berater, Periti, prägende Gestalten: Mit dieser Ausgabe beginnt „Die Tagespost“ eine lockere Serie über die „theologischen Köpfe“ des Zweiten Vatikanums. Den Anfang macht der Konzilienforscher Hubert Jedin.
Eröffnungsgottesdienst des Zweiten Vatikanischen Konzils - 1962
Foto: Gerhard Rauchwetter (dpa) | Der Eröffnungsgottesdienst des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962.

Als Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil einberufen hat, war Hubert Jedin (1900- 1980) bereits ein renommierter Konzilienhistoriker. Während eines Studienaufenthaltes in Rom in der Zeit von 1926 bis 1930 hatte er eine Biographie des Kardinallegaten Girolamo Seripando des Konzils von Trient geschrieben, mit der er 1930 in Breslau habilitiert wurde. Eine weitere akademische Karriere dort wurde ab 1933 von den Nationalsozialisten wegen der jüdischen Herkunft seiner Mutter unterbunden. 1933 bis 1936 und 1939 bis 1946 hielt er sich erneut in Rom auf und fand endgültig zu seinem Hauptforschungsgebiet, dem Konzil von Trient. Er arbeitete an der von der Görres-Gesellschaft herausgegebenen Edition der Quellen des Konzils mit und begann seine eigene groß angelegte Darstellung des Tridentinums, deren erster Band 1949 erschien und die 1975 mit Band 4/2 vollendet werden konnte.

Jedin, seit 1946 Professor in Bonn, griff bei der Konzilsankündigung am 25. Januar 1959 die Gelegenheit sofort beim Schopf und veröffentlichte schon wenige Monate später seine berühmte „Kleine Konziliengeschichte“, die mit Auflagen in verschiedenen Sprachen verbreitet wurde. Eine zweite, nicht weniger erfolgreiche Initiative geht ebenfalls auf Jedin zurück: Zusammen mit den damals jungen italienischen Forschern Claudio Leonardi sowie Giuseppe Alberigo und Paolo Prodi, die sich Mitte der fünfziger Jahre durch Vermittlung von Giuseppe Dossetti zu Studien bei ihm in Bonn aufgehalten hatten, fasste man den Plan, eine Textausgabe aller als ökumenisch angesehenen Konzilien in einem Band herauszugeben, was mit den „Conciliorum Oecumenicorum Decreta“ auch tatsächlich gelang, die bei Konzilseröffnung 1962 vorlagen.

Gegen einen übersteigerten Supranaturalismus

In den Jahren der Konzilsvorbereitung war Jedin ein im In- und Ausland gesuchter Referent. Er selbst beurteilt in seinem „Lebensbericht“, posthum von Konrad Repgen 1984 herausgegeben, einen 1960 in Paderborn gehaltenen Vortrag über die Geschäftsordnungen des Konzils von Trient und des Ersten Vatikanischen Konzils als den folgenreichsten. Er führte bei der Gelegenheit aus, „dass die Art und Weise, wie die Konzilien ihre Geschäfte erledigen, stets ein Spiegelbild der Kirchenstruktur, mithin ekklesiologisch aussagekräftig sind“.

1960 wurde er zum Mitglied der Vorbereitenden Kommission für die Studien und Schulen ernannt. Mit dem ehemaligen Rektor der Gregoriana, Paolo Dezza SJ, und dem Generalsuperior der Sulpizianer, Pierre Girard, fühlte sich Jedin besonders verbunden, wenn es um die Reform der Bildungseinrichtungen ging.

Gegen einen übersteigerten Supranaturalismus, wie ihn nach Jedins Auffassung einige Kommissionsmitglieder der Lateranuniversität vertraten, setzte er sich für eine Pflege der menschlichen Tugenden wie Aufrichtigkeit, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit und so weiter ein, denn nur so sei es für künftige Priester möglich, Zugang auch zu den der Kirche Fernstehenden zu finden. In seinen Erinnerungen vermerkt er mit Genugtuung, dass bei allen Veränderungen im langen Approbationsweg des Kommissionsentwurfes dieser Ansatz in Nummer 11 des Dekrets über die priesterliche Erziehung (Optatam totius) zu finden ist. Auch brach er in den Diskussionen der Vorbereitungsdiskussion eine Lanze für die Zusammenarbeit zwischen den theologischen und den übrigen Fakultäten, wie er es aus seiner Lehrtätigkeit kannte, und stellte fest, dass früher in Rom bestehende Vorurteile in dieser Hinsicht allmählich in den Hintergrund traten. In der Frage der Verwendung der lateinischen Sprache sprach sich Jedin für ihren Erhalt als Kirchen- und Liturgiesprache aus, im akademischen Unterricht befürwortete er jedoch den Gebrauch der Landessprache, um dem Klerus die Umsetzung der theologischen Begriffe in der Seelsorge nicht unnötig zu erschweren.

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Folgenreicher Beitrag zum Zweiten Vatikanum

1962 wurde er kurz vor Konzilsbeginn zum Konzilsperitus ernannt, konnte jedoch nicht zur Eröffnung in Rom sein. Dennoch war er indirekt an einer für den weiteren Konzilsverlauf bedeutenden Sitzung beteiligt, als sich nämlich Kardinal Josef Frings in der ersten Generalkongregation vom 13. Oktober 1962 zusammen mit Kardinal Achille Liénart von Lille dafür einsetzte, die vorgesehene Wahl der Mitglieder der Konzilskommissionen nach vorbereiteten Listen aufzuschieben, um den Konzilsvätern die Möglichkeit zu geben, die Kandidaten erst einmal kennenzulernen – und das in Erinnerung an Gespräche, die er mit Jedin über dessen Paderborner Vortrag geführt hatte.

Die scheinbar lediglich formale Entscheidung bedeutete, dass der auf dem Konzil versammelte Episkopat in eigener Verantwortung zu handeln gewillt war. Jedin urteilt: „Eine kirchenhistorische Reminiszenz hatte dazu beigetragen. Wenn ich zurückschaue, war es ganz gewiß mein wichtigster, wenn auch nur mittelbarer Beitrag zum Zweiten Vatikanischen Konzil.”

Im weiteren Verlauf des Konzils bemühte sich Jedin auf Bitten der Kardinäle Frings und Julius Döpfner um eine Verbesserung der Geschäftsordnung des Zweiten Vatikanums, an deren Formulierung er nicht beteiligt gewesen war.

Hier arbeitete er eng mit Dossetti zusammen, der Konzilsperitus des Kardinals Giacomo Lercaro aus Bologna war und aus der Zeit vor seiner Priesterweihe 1959 über intensive politische Erfahrung verfügte, wobei er dem linken Flügel der „Democrazia Cristiana“ angehörte. Ihre Arbeiten führten zu einem von Kardinal Döpfner eingebrachten Vorschlag einer Neufassung der Geschäftsordnung, die unter Berücksichtigung weiterer, ähnlicher Vorschläge durch Paul VI. am 13. September 1963 in Kraft gesetzt wurde und die Konzilsarbeit erheblich vereinfachte.

Beobachter und Berater im Hintergrund

In der zweiten Sitzungsperiode war Jedin noch an einer wichtigen Entscheidung beteiligt: In welcher Form sollten die Konzilsdekrete veröffentlicht werden? Man einigte sich auf die Formel: „Was in dieser Konstitution im Gesamten und im Einzelnen ausgesprochen ist, hat die Zustimmung der Väter gefunden. Und Wir, kraft der von Christus Uns übertragenen Apostolischen Vollmacht, billigen, beschließen und verordnen es zusammen mit den Ehrwürdigen Vätern im Heiligen Geist und gebieten zur Ehre Gottes die Veröffentlichung dessen, was so durch das Konzil verordnet ist.“

Im Verlauf des Konzils war Jedin mehr Beobachter und Berater im Hintergrund. Er darf der Konzilsmehrheit auf dem Vatikanum zugeordnet werden, mit gewissen Bedenken lediglich hinsichtlich der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“, wie er in seinem Lebensbericht erwähnt. Gegen Konzilsende „gab ich allen deutschen Bischöfen, mit denen ich zusammentraf, einen aus der Erfahrung der Konziliengeschichte geschöpften Rat: fest und unbeirrt auf der Beobachtung der Konzilsdekrete zu bestehen und sich weder nach rechts – auf einen ihre Wirkung schmälernden Traditionalismus – noch nach links – auf über sie hinausgehende radikale Maßnahmen – abdrängen zu lassen. Meine Befürchtungen gingen eher in die erste Richtung. Ich täuschte mich gründlich“.

Der Autor lehrt Kirchengeschichte in Rom.

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