Das Heilige Jahr 2025 hat ein Maskottchen, und was für eins: eine niedliche Figur, in japanischem Anime-Stil gehalten, mit blauen Haaren und riesigen Kulleraugen. Ihr Name: Luce (italienisch für „Licht“). Als Kurienerzbischof Rino Fisichella, der mit der Organisation des Heiligen Jahres betraut ist, das Maskottchen gestern im Vatikan vorstellte, sprach er von „der Popkultur, die von unseren jungen Leuten so geliebt wird“ und davon, den „Dialog zwischen den Generationen fördern“ zu wollen.
Statt des gewünschten Dialogs gab es aber erst einmal heftige und in der Bewertung stark auseinandergehende Reaktionen in den Sozialen Medien. Überraschend dabei ist, dass Ablehnung und Zustimmung sich der eindeutigen Zuordnung zu einer bestimmten Altersgruppe oder einer bestimmten innerkirchlichen Strömung zu entziehen scheinen. Wer etwa dachte, dass alle konservativen und traditionsorientierten Gläubigen angesichts einer solchen Zeitgeistgeste entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden, muss sich inzwischen eines Besseren belehren lassen: Auf Elon Musks Plattform X etwa gibt es zahlreiche jüngere Nutzer, die dem traditionellen Milieu nahestehen und die Luce abfeiern.
Volltreffer im Reich der Memes
Ein Grund dafür dürfte sein, dass Luce unglaublich „Meme“-fähig ist: Luce auf dem Arm Jesu, Luce als „Hammer der Häretiker“, Luce als Kreuzzüglerin mit „Deus vult“-Überschrift und so weiter. Die knuffige Figur bedient offenbar bestens die zwischen Niedlichkeit, Ironie und Geschmacklosigkeit oszillierende Bildsprache des Internets. In Sachen Öffentlichkeitsarbeit scheint dem Vatikan daher in der Tat ein Volltreffer gelungen zu sein.
Sicherlich lässt sich auch kritisch auf Luce blicken, steht diese Art der übermäßig kindlichen Ästhetik doch geradezu paradigmatisch für die Infantilisierung der Gesellschaft. Die Kirche muss nun aber einmal in einer derart verkitscht-verkindlichten Welt operieren. Als göttliche Institution und Hüterin unveränderlicher Heilswahrheiten darf sie ihr Wesen nicht aufgeben. Solange aber die Kirche die Bewahrung des depositum fidei, des tradierten Glaubensguts, sicherstellt, ist selbst gegen modische Anwandlungen, die lediglich die Oberfläche betreffen, nichts einzuwenden. Das ist eben das vielbeschworene Aggiornamento, das Kardinal Roncalli (der spätere Papst Johannes XXIII.) einmal so erläutert hat: „Hört ihr oft das Wort ‚aggiornamento‘? Seht da unsere heilige Kirche, immer jugendlich und bereit, dem verschiedenen Verlauf der Lebensumstände zu folgen mit dem Zweck, anzupassen, zu korrigieren, zu verbessern, anzuspornen.“
Solange Luce als katholisches Meme im Netz gute Dienste leistet und nicht die Gefahr droht, dass das Anime-Figürchen etwa in der heiligen Messe eingesetzt wird, dürfen sich auch konservative Gemüter ruhig über den PR-Coup des Vatikan freuen.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.