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Seelenerfahrung in Pinselstrichen

Der Tod der heiligen Schwester Faustyna Kowalska jährt sich dieses Wochenende zum 85. Mal. Ihr Vermächtnis ist das Bild des barmherzigen Jesus.
Barmherziger Jesus
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Das originale, erste Bild des barmherzigen Jesus hängt heute im Heiligtum der Barmherzigkeit Gottes in Vilnius.

Sie ist eine der beliebtesten und bekanntesten Heiligen und wird geschmückt mit zahlreichen Attributen: Apostelin der Barmherzigkeit Gottes, Meisterin des geistigen Lebens, Prophetin unserer Zeit, große Mystikerin oder Sekretärin der Barmherzigkeit: die heilige Schwester Faustyna Kowalska.

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Vor 25 Jahren wurde das Sanktuarium in Krakau-Lagiewniki (Polen) gegründet, das die Botschaft der Barmherzigkeit von Schwester Faustyna weiterführt; an diesem Wochenende jährt sich der Todestag der „Apostelin der Barmherzigkeit“ zum 85. Mal. Und vor 90 Jahren (1934) begann sie, ihr berühmtes Tagebuch zu schreiben. Was die Welt aber am meisten mit dieser beliebten Heiligen verbindet, ist das Bild des barmherzigen Jesus. Ein „Fenster zum Himmel“ nannte eine Schwester der „Kongregation der Muttergottes der Barmherzigkeit“ das Bild, das Faustyna im Auftrag Jesu malen ließ.

Faustynas Auftrag vom Barmherzigen Jesus

Als Faustyna sich am 22. Februar 1931 in ihrer Klosterzelle der Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit in Płock— sie war 1925 eingetreten —, schlafen legen wollte, sah sie Jesus in einem weißen Gewand, wie sie später niederschrieb. Von der Stelle, wo sich das Herz befindet, gingen zwei Strahlen aus, ein roter und ein blasser. Die rechte Hand hatte Jesus zum Segen erhoben. Während Faustyna Jesus betrachtete, sagte dieser: „Male ein Bild nach dem, was du siehst.“ Darunter sollte sie die Aufschrift anbringen lassen „Jesus, ich vertraue auf dich.“
Das Vorhaben erwies sich als nicht so leicht. Als sie es malen ließ, lebte sie grade in Vilnius, der Hauptstadt Litauens, die damals zu Polen gehörte.

Faustyna konnte nicht warm werden mit dem Bild. Es bildete einfach nicht das ab, was sie in ihrer Vision gesehen hatte. Sie versuchte, den Maler Eugeniusz Kazimirowski gut zu instruieren, aber eine Seelenerfahrung lässt sich nun mal nicht mit einigen Pinselstrichen abbilden. Kazimirowski malte vom 2. Januar bis Mai oder Juni 1934 an dem Bild. Schließlich war es fertig — für Faustyna nicht perfekt, sie akzeptierte es aber — und es verfehlte seine Wirkung nicht. Heute wird es weltweit verehrt. Das Originalbild wurde 1937 am ersten Sonntag nach Ostern — dem heutigen Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit — in der Kirche Sankt Michael in Litauens Hauptstadt Vilnius neben dem Hauptaltar aufgehängt.

Polnisch-litauische Freundschaft in Gefahr

Das Originalbild musste während der sowjetischen Besatzung viele Jahre versteckt werden — das Praktizieren des katholischen Glaubens war verboten. Schließlich wagten es zwei Ordensschwestern, das Bild von Weißrussland wieder über die gefährliche Grenze nach Litauen zu schmuggeln. Heute zieht es Jahr für Jahr viele Tausende Pilger in die „Stadt der Barmherzigkeit“, wie die Litauer Vilnius mittlerweile auch nennen.

Man glaubt fast nicht, dass ausgerechnet an diesem Bild viele Jahre später die Freundschaft zwischen Litauen und Polen zu zerschellen drohte: Nachdem Johannes Paul II. Faustyna im Jahr 2000 heiliggesprochen hatte, sollte in Vilnius ein besonderer Raum für die Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit geschaffen werden, Originalbild inklusive. Der Erzbischof von Vilnius, Kardinal Audrys Juozas Backis, hatte 2004 angeordnet, das Bild von der Heiliggeistkirche der polnischsprachigen Gemeinde in die nahe gelegene Kapelle der Göttlichen Barmherzigkeit zu überführen, um dessen Verehrung nun auch den litauischen Katholiken zugänglich zu machen.

Gerangel um das Bild

Die Litauer hatten die Verehrung lange als allein polnische Andacht abgetan. Erst der Besuch Johannes Pauls II. im Jahr 1993 hatte auch in den Litauern das Interesse für den Barmherzigen Jesus geweckt. Das Bild wollten die Polen— mit etwas über sechs Prozent der Bevölkerung eine Minderheit in Vilnius — aber nicht hergeben.

Und so montierten sieben Männer, darunter Priester, nach einem über ein Jahr dauernden Streit das Bild 2005 kurzerhand ab. Betagte polnische Gemeindemitglieder, die es rund um die Uhr bewacht hatten, konnten nichts dagegen ausrichten. Und so komisch es klingt: Durch dieses etwas brutale Ereignis wurde das Bild der göttlichen Barmherzigkeit im ganzen Land bekannt.

Wunder der Barmherzigkeit

Heute kann man, wo auch immer man sich auf dieser Welt befindet, in einer katholischen Kirche oder Kapelle auf dieses Bild stoßen. Viele beten vor dem Bild und Gott berührt sie. Gebete werden erhört. In einer Dokumentation über die heilige Faustyna erzählte ein Schauspieler, wie er dem Tod geweiht im OP-Saal im Koma lag und die Ärzte ihm keine Chance gaben — er vom Herrn aber gerettet wurde.

Seine damalige Freundin (und heutige Ehefrau) kam und sprach „ihr wohl erstes wirklich ehrliches Gebet“, brachte alle Sünden des Paares vor den barmherzigen Herrn, bereute — und das Wunder geschah: Der Mann war genesen. Schwester Faustyna war überzeugt, dass Gottes barmherzigem Herzen nichts unmöglich ist.

Johannes Paul II. und Faustyna

Solche Wunder zeigen, dass das Bild des barmherzigen Jesus „mehr ist als ein als ein Bild, das man kritisch und künstlerisch betrachten könne“, wie es eine Schwester der Kongregation in Krakau einmal sagte. Die Barmherzigkeit Gottes senkt sich geradezu herab auf den Menschen, um ihm Gnaden zu erweisen. Es war Faustynas sehnlichster Wunsch, besonders für diejenigen Seelen zu beten und zu opfern, die besonders gefährdet sind, nicht erlöst zu werden. In einem Tagebucheintrag beschrieb sie eine Vision, in der sie sah, dass viele Seelen in die Hölle fallen wie Blätter von einem Baum.

Dass es heute einen Feiertag der göttlichen Barmherzigkeit gibt, ist wiederum Johannes Paul II. zu verdanken. Er hat die Dringlichkeit der Botschaft Jesu an Faustyna erkannt. Er war es, der das 1959 vom Vatikan ausgesprochene Verbot von Faustynas Tagebuch wieder aufhob. Ihn verband zudem eine innige Freundschaft mit Faustyna. Als er während der deutschen Besetzung Polens im geheimen Priesterseminar von Krakau Theologie studierte und Zwangsarbeit leisten musste, betete er häufig am Grab der Heiligen.

Die Botschaft, die die Welt am meisten braucht

Übrigens ließ Faustyna kurz vor ihrem Tod im Jahr 1938 in Krakau ein weiteres Bild mit dem barmherzigen Jesus malen. Es ist das bekanntere und befindet sich in der Barmherzigkeit-Wallfahrtskirche von Krakau-Lagiewniki — dem von Johannes Paul II. 2002 geweihten Sanktuarium der göttlichen Barmherzigkeit.

Barmherzigkeit, so sagte der Metropolit von Vilnius, Erzbischof Gitaras Grušas, einmal über Faustynas Auftrag, „ist die Botschaft, die die Welt am meisten braucht“. Und der emeritierte Kardinal von Vilnius, Audrys Juozas Bačkis, erklärte: Was Faustyna gelehrt und verbreitet habe, sei keine neue Offenbarung gewesen, aber eine „Erinnerung an die Wahrheit“. Man könne es nicht erklären, aber Gott spreche durch das Bild die Seele des Betrachters an – in dem Antlitz, das das Bild zeige, erkenne man das Antlitz des himmlischen Vaters.

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