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Fall Woelki: "Papst hat doch schon entschieden"

Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier erklärt, warum eine Entscheidung zum möglichen Rücktritt des Kölner Kardinals bereits gefallen ist.
Fall Woelki
Foto: xChristophxHardtx | Dass sich Papst Franziskus durch wiederholte Forderungen, Kardinal Woelki in den Ruhestand zu versetzen, von seiner Linie abbringen lassen würde, sei nicht zu erwarten, so der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier. 

Seit über eineinhalb Jahren fordern Kritiker den Rücktritt von Kardinal Rainer Maria Woelki und spekulieren über seine Zukunft. Die deutschen Bischöfe haben anlässlich ihres Ad-limina-Besuchs im Vatikan im Herbst 2022 dem Papst eine Entscheidung abringen wollen. Während viele den Fall „Woelki“ für noch immer ungeklärt erachten, schreibt der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier in einem Gastbeitrag für die Herder Korrespondenz (online)  vom Montag, der Papst habe längst entschieden.

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Bier erklärt: „Indem der Papst die Drei-Monats-Frist verstreichen ließ, hat er eine Entscheidung getroffen.“ Von Rechts wegen sei also zu vermuten, dass der Papst das Rücktrittsgesuch abgelehnt habe. Damit habe das Verzichtsangebot von Kardinal Woelki seine Rechtskraft verloren. „Eine ausdrückliche Ablehnung des Gesuchs, womöglich flankiert von einer Meldung des Presseamts des Heiligen Stuhls, wäre zwar eindeutiger gewesen“, räumte der Professor für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte ein. Aber man könne nicht sagen, dass der Papst noch nicht entschieden habe; er habe zumindest entschieden, bis auf Weiteres nichts zu unternehmen.

Papst ist an keine Gesetze gebunden

Sollten die deutschen Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch vom Papst „ein Machtwort gefordert haben oder weiterhin fordern", so Bier, dann „wäre zu fragen, warum sie ausgerechnet in diesem Fall jene Ausübung päpstlicher Höchstgewalt erwarten“, die der Vorsitzende der Deutsche Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, „als einsame Spitzenentscheidung“ kritisiert, als Situation, in der „das System der hierarchischen Autoritätsausübung seine offensichtlichen Grenzen“ finde.

Aus kirchenrechtlicher Sicht sei der Papst laut Bier völlig frei in seinen Entscheidungen. Als „mit kirchlicher Höchstgewalt ausgestatteter Souverän der katholischen Kirche und als dominus canonum“ sei er „nicht an seine eigenen Gesetze gebunden“. Er könne einen Diözesanbischof jederzeit aus dem Amt entlassen, auch ohne Rücktrittsangebot. Er könnte auch ein fristgerecht abgelaufenes Verzichtsangebot wieder für gültig erklären und später rechtswirksam akzeptieren.

Papst hat nichts Relevantes an Woelki auszusetzen

Durch das Motu Proprio aus dem Jahr 2016 (Come una Madre amorevole) habe Papst Franziskus die rechtliche Grundlage für die Amtsenthebung von Diözesanbischöfen geschaffen, erklärt der Kirchenrechtler. Diese komme dann zum Tragen, wenn ein Bischof „die von seinem Amt geforderte Sorgfaltspflicht verletzt“ habe, auch ohne schwere Schuld. Ausdrücklich gehe es in dem Motu Proprio um „Versagen im Umgang mit Sexualstraftaten“. 

In der Causa Woelki sei davon auszugehen, dass der Papst nichts Relevantes auszusetzen habe und auch nicht die Einschätzung teile, „die Situation in der Erzdiözese Köln fordere sein Eingreifen“. Wenn er wollte, könne der Papst „den bischöflichen Stuhl in Köln vakant sehen“ und entsprechende Schritte einleiten — alles unter Beanspruchung seiner Höchstgewalt, jenseits geltender Normen, ohne vorhergehende „Untersuchung gemäß Come una Madre amorevole“.

Papst hat „hohe Toleranzschwelle"

Bier erinnert an ein Interview vom Mai 2022, in dem Papst Franziskus gesagt habe, Köln sei nicht „die einzige Diözese in der Welt“, in der es Konflikte gebe. Er würde sie „wie jede andere Diözese in der Welt“ behandeln, „die Konflikte erlebt“. Dass sich der Papst durch wiederholte Forderungen nach einer „Entscheidung“ – die letztlich darauf hinauslaufen, er möge Kardinal Woelki in den Ruhestand versetzen – von seiner Linie abbringen lasse, ist laut Bier nicht zu erwarten. 

Was den Kölner Kardinal betrifft, so ist der Freiburger Kirchenrechtler überzeugt, dass dieser, der „schon einmal dem Wunsch des Papstes entsprochen" habe, den Amtsverzicht anzubieten, dies „auf päpstliches Geheiß und eingedenk seines Gehorsamsversprechens mit höchster Wahrscheinlichkeit umstandslos wiederholen“ würde. DT/dsc

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