Die Kirchenstatistik für das Jahr 2020 sagt coronabedingt zwar wenig Neues über die tatsächliche Lage des Glaubens in Deutschland aus. Der starke Einbruch des Sonntagsmessbesuch von gut neun Prozent im Jahr 2019 auf durchschnittlich weniger als sechs Prozent ist kein Symptom eines abrupten Glaubensschwundes, da vor allem viele ältere Gläubige ihre Sonntagspflicht 2020 genauso gewissenhaft wie im Vorjahr erfüllt haben – nur eben vor dem Bildschirm oder am Radio.
Aufschluss geben erst die Zahlen 2021
Dass die Zahl der Kirchenaustritte um 18,8 Prozent signifikant im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, darf nicht als Zeichen stärkerer Kirchenbindung missverstanden werden. Mancher Austrittswillige schob den Gang zum Amt auf oder erhielt im erfassten Zeitraum keinen Termin. Erst die Austrittszahlen des Jahres 2021 werden hier genauere Einblicke ermöglichen.
Doch in zwei Punkten verschafft die Kirchenstatistik Klarheit: Wer im ersten Quartal 2021 das Erzbistum Köln als Ursache angeblicher sprunghaft ansteigender Kirchenaustrittszahlen brandmarkte, hat lupenreine Kirchenpolitik gemacht. Auf Fakten stützen konnten sich der gern kolportierte
Vorwurf, Kardinal Woelki schade allen, jedenfalls nicht. Und auch am Ende des Jahres 2021 wird nicht beweisbar sein, dass potenziell gestiegene Kirchenaustritte just mit dem Fall Köln begründbar sein sollen. Keine Kirchenstatistik gibt Aufschluss darüber, ob Menschen aus schierem Unglauben, Verdruss an der Institution, pandemiebedingter Geldnot, der Angst vor der Zukunft, oder was auch immer gehen.
Solide Sakramentenkatechese
Der zweite Punkt betrifft den Katechesebedarf. Wenn Taufen und Erstkommunionen, die selbst in Kriegszeiten stattfanden, pandemiebedingt aufgeschoben werden, stimmen entweder die Prioritäten nicht, oder es herrscht schlichte Ahnungslosigkeit. Dreh- und Angelpunkte im Leben des Christen müssen nicht davon abhängig gemacht werden, ob der äußere Rahmen allen zusagt. Eine solide Sakramentenkatechese kann die Frage der echten Sehnsucht nach Gott durchaus ansprechen. Angesichts der Zahlen erscheint die Einordnung der deutschen Bischöfe, die Kirche sei „an den Wegmarken im persönlichen Leben der Menschen präsent“ als simples Beruhigungsmittel.
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