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Fragen, Klagen und eine Kronzeugin

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln gegen Kardinal Rainer Woelki wegen des Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung gehen im Dezember weiter.
Wappen von Rainer Maria Woelki
Foto: Julia Steinbrecht (KNA) | Das Wort aus der Apostelgeschichte (Wir sind Zeugen) hat für viele im Erzbistum Köln einen besonderen Klang bekommen. Die Aufnahme zeigt das Bischofswappen von Kardinal Woelki im Kölner Dom.

Die juristischen Auseinandersetzungen zwischen Kardinal Rainer Maria Woelki und dem Axel Springer Verlag wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Aussage ziehen weitere Kreise. Nachdem die vormalige Sekretärin von Kardinal Joachim Meisner Mitte November als Zeugin vernommen worden war, hat die Staatsanwaltschaft Köln auch in einem zweiten Fall Ermittlungen gegen Woelki wegen des Vorwurfs der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung aufgenommen. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Köln dies abgelehnt mit der Begründung, keinen sogenannten Anfangsverdacht festgestellt zu haben. Inzwischen gibt es nach Angaben von Staatsanwalt Ulf Willuhn „zureichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass möglicherweise ein Geschehen von strafrechtlicher Relevanz vorliegen könnte“. Dabei sei natürlich auf die Unschuldsvermutung hinzuweisen.

Hat Woelki eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben?

Der Stein war in der Woche vor dem Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe ins Rollen gekommen, nachdem eine frühere Mitarbeiterin der Personalabteilung des Erzbistums, Hildegard Dahm, in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger eine Aussage von Kardinal Woelki in Zweifel gezogen hatte. Dabei geht es um Missbrauchsvorwürfe gegen den 2019 verstorbenen Sternsinger-Präsidenten Winfried Pilz. Die vormalige Assistentin des Personalchefs hatte geäußert, Pilz‘ Personalakte sei Kardinal Woelki bereits im Jahr 2015 vorgelegt worden. 2014 hatte Pilz, dem sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden, einen Verweis von Woelkis Vorgänger Kardinal Joachim Meisner erhalten.

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Woelki hatte in einem presserechtlichen Verfahren versichert, erst im Juni 2022 mit dem Fall befasst worden zu sein. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung geschrieben, der Kardinal habe Fakten, die gegen den Geistlichen sprachen, aus der Personalakte gekannt. Dies hatte Woelki zurückgewiesen und wegen falscher Berichterstattung geklagt.

Zweifel an Dahms Darstellungist angebracht

Glaubt man der Erklärung des Erzbistums, so sind Zweifel an Dahms Darstellung angebracht. So halte sie es für ausgeschlossen, dass Pilz' Akte bereits geschlossen gewesen sei, als Woelki seinen Dienst als Erzbischof von Köln im September 2014 aufgenommen habe. Dies sei ausweislich der Interventionsakte falsch. In einer Stellungnahme kritisiert das Erzbistum, es sei „unüblich, dass der Kölner Stadt-Anzeiger Kardinal Woelki entgegen seiner presserechtlichen Pflichten vor der Veröffentlichung des Interviews keine Gelegenheit gegeben habe, die Vorwürfe zu entkräften.“

Man werde zudem prüfen, ob gegen Dahm, die seit vielen Jahren an einer anderen Stelle eingesetzt sei, arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet werden müssten. „Denn diese hat aus dem sensiblen Bereich der Personalführung berichtet und dafür ihre Vertrauensstellung benutzt.“

Nur gerüchteweise von Vorwürfen erfahren

Im zweiten Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Aussagen Kardinal Woelkis zur Beförderung des Geistlichen D. zum stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten im Jahr 2017. Der Priester war bereits im Jahr 2001 durch Kontakt zu einem Prostituierten aufgefallen. Zudem wurden gegen ihn in den folgenden Jahren Vorwürfe wegen Fehlverhaltens gegenüber Messdienern sowie sexuellen Missbrauchs erhoben.

Woelki wehrte sich gerichtlich gegen die Berichterstattung der BILD-Zeitung, der zufolge er schon zum Zeitpunkt der Ernennung Kenntnis von einer polizeilichen Warnung vor einer von Pfarrer D. ausgehenden Missbrauchsgefahr gehabt und auch die Personalakte des Geistlichen gekannt haben soll. Der Kardinal hatte dies unter Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung in Abrede gestellt und erklärt, er habe nur gerüchteweise von den Vorwürfen gehört.

Mandantin musste wahrheitsgemäß aussagen

Während die deutschen Bischöfe zum Ad-limina-Besuch in Rom weilten, erklärte die vormalige Sekretärin von Kardinal Meisner, sie habe Woelki während seiner Amtszeit als Weihbischof in Köln über das Fehlverhalten von D. Informiert. Die Glaubwürdigkeit der für ihre Loyalität bekannten 72-Jährigen steht in Kölner Kirchenkreisen außer Zweifel. In der öffentlichen Auseinandersetzung um Kardinal Woelki hat sich Thörnig stets an ihre Diskretionspflicht gehalten.

Ihr Anwalt Friedrich von Westphalen, langjähriger Autor dieser Zeitung, erklärte auf Nachfrage, seine Mandantin habe zu dem Termin vor dem Kölner Landgericht erscheinen müssen, denn die Entscheidung in dem Rechtsstreit zwischen dem Axel Springer Verlag und Kardinal Woelki sei davon abhängig gewesen, „ob die von meiner Mandantin im Rahmen des Beweisthemas vom Gericht gestellten Fragen zugunsten der einen oder der anderen Partei beantwortet wurden. Sie war sozusagen die ,Kronzeugin‘“. Hätte sich Frau Thörnig für den Termin entschuldigt, hätte die Kammer zwingend einen neuen Termin anberaumen müssen. Wörtlich erklärte von Westphalen: „Meine Mandantin musste also wahrheitsgemäß aussagen. Sie hatte keinen Entschuldigungsgrund. Genau das hat sie auch unter höchster emotionaler Anspannung höchst authentisch getan.“

Lügen müssen endlich ein Ende haben

Vor Gericht berief sich die 72-jährige nicht auf Gerüchte, sondern berichtete von einer gemeinsamen Romreise mit Pfarrer D.. mit Messdienern, in deren Verlauf es zu Fehlverhalten des Pfarrers gekommen war. Im Übrigen war sie über Saunabesuche des Pfarrers D. mit Messdienern unterrichtet, weil Pfarrer D. ihr dies erzählt hatte. Auf ausdrückliche Frage des Vorsitzenden Richters habe seine Mandantin von einem 20minütigen Telefonat mit dem damaligen Weihbischof Woelki berichtet, „das sich ausschließlich um die Person des Priesters D. und seine homophilen/pädophilen Neigungen und sein diesbezügliches Verhalten drehte.“

Dieses Gespräch sei auf ausdrücklichen Wunsch von Weihbischof Woelki geführt worden, „nachdem er bei der Verabredung des Termins entscheidenden Wert darauf legte, dass Kardinal Meisner und sein Geheimsekretär außer Haus waren.“ Für den Anwalt war der wichtigste Satz der Beweisaufnahme, dass die vormalige Sekretärin Kardinal Meisners am Ende der einstündigen Vernehmung mit einem Stoßseufzer endete: „Die Lügen müssen endlich ein Ende haben!“

Versuch einer unerlaubten Beeinflussung einer Zeugin

Woelkis Rechtsanwalt Carsten Brennecke habe im Termin auf Befragung zugegeben, die Gisela Thörnig angerufen zu haben, „um ihr nahezulegen, sich wegen der vermutlichen Belastungen einer Aussage ein ärztliches Gutachten ausstellen zu lassen, um den Termin absagen zu können.“ Dem habe sie jedoch nicht entsprochen. Die Initiative von Woelkis Anwalt ist aus Sicht von Westphalens unüblich: „Aus anwaltlicher Sicht ist dies ein Vorgang, den ich in meiner mehr als 50jährigen Praxis nie erlebt habe. Man kann darin den Versuch einer unerlaubten Beeinflussung einer Zeugin sehen.“

Im Termin sei allerdings offengeblieben, ob dieses Telefonat auf Eigeninitiative des Anwalts oder auf Bitten von Kardinal Woelki zurückzuführen gewesen sei. Zudem sagte die vormalige Sekretärin Kardinal Meisners aus, Brennecke habe sie nicht unter Druck gesetzt.

Kein Widerspruch

Zudem erklärte Woelkis Anwalt, zwischen der Aussage des Kardinals, er habe den Inhalt der Personalakte von Pilz nicht gekannt und der Aussage der beiden ehemaligen Mitarbeiterinnen des Erzbistums bestehe kein Widerspruch. Auch Gisela Thörnig hatte im Zeugenstand nicht ausgesagt, Woelki habe den Inhalt der Personalakte gekannt. Am 7. Dezember wird der vormalige Interventionsbeauftragte des Erzbistums bei der Missbrauchsaufklärung, Oliver Vogt, als Zeuge vor Gericht aussagen.

Indes ist es aus Sicht des Berliner Strafrechtlers Dirk Lammer unwahrscheinlich, dass die bisher bekannten Aussagen gerichtsfeste Beweise darstellen. Der „Kölnischen Rundschau“ sagte Lammer, der Richter am brandenburgischen Verfassungsgerichtshof ist, er halte es für „unwahrscheinlich, dass man zu der Einschätzung kommt, dass da eine Falschaussage getätigt wurde. Darüber hinaus bezweifelt Lammer, dass Kardinal Woelki das Telefonat mit Kardinal Meisners Sekretärin über Pfarrer D. in seiner eidesstattlichen Versicherung hätte erwähnen müssen.

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