Die ohnehin schwierigen Lebensbedingungen für die rund 600 christlichen Glaubensgeschwister, die seit Monaten auf dem Gelände der Pfarrei Heilige Familie leben, werden durch anhaltende Regenfälle und winterliche Kälte zusätzlich erschwert. Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem unterstützt diese christliche Gemeinde mit Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und seelsorglicher Begleitung. Die Hilfe kommt darüber hinaus auch den muslimischen Nachbarn zugute. Ermöglicht wird sie unter anderem durch Spendengelder der Damen und Ritter der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
Der Pfarrer der katholischen Pfarrei Heilige Familie in Gaza, Gabriel Romanelli, schildert in einem Interview mit der Deutschen Statthalterei die aktuelle Situation. Gemeinsam mit zwei Mitbrüdern im Priesteramt, sechs Ordensschwestern und den Gemeindemitgliedern bemüht er sich, unter schwierigen Umständen Hoffnung zu bewahren. Die Vorfreude auf das Weihnachtsfest ist dennoch spürbar. Besonders der Besuch S. Em. des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Pierbattista Kardinal Pizzaballa, S. E. des Weihbischofs des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, Bischof William Shomali, sowie des Kanzlers des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, Pfarrer Davide, am 19. Dezember 2025 habe den Menschen Kraft und Zuversicht geschenkt.
Ist Ihr Leben und das Ihrer Pfarrei seit dem Waffenstillstand leichter geworden?
Seit dem Waffenstillstand ist der Alltag etwas ruhiger geworden. Die ständige unmittelbare Gefahr hat abgenommen, dennoch bleibt die Gesamtsituation äußerst fragil und von großen Entbehrungen geprägt. Ein großer Teil der Infrastruktur ist vollständig zerstört, ganze Wohnviertel sind ohne funktionierende Abwassersysteme, ohne Strom und ohne bewohnbare Häuser. Die humanitäre Hilfe hat zwar zugenommen, doch viele grundlegende Bedürfnisse bleiben ungedeckt. Der Mangel an Elektrizität, sauberem Wasser, angemessenem Wohnraum und Kleidung belastet den Alltag weiterhin erheblich. Vor allem aber lasten die anhaltende Unsicherheit und die Zerstörung elementarer Lebensgrundlagen schwer auf den Menschen.
Sie und andere Priester und Ordensleute begleiten seit Jahren Geflüchtete und Bedürftige in Ihrer Pfarrei. Was gibt Ihnen Kraft?
Kraft schöpfen wir vor allem aus unserem gemeinsamen Glauben und aus der geistlichen Nähe unseres Bischofs, des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Seiner Eminenz Pierbattista Kardinal Pizzaballa. Gemeinsam mit den Priestern meiner Gemeinschaft und den hier tätigen Ordensschwestern setzen wir unseren Dienst fort. Die christliche Gemeinde ist heute in hohem Maß auf unsere Präsenz angewiesen, da viele Familien alles verloren haben. Die Unterstützung durch das Lateinische Patriarchat von Jerusalem sowie die Großzügigkeit vieler Freunde und Wohltäter ermöglichen es uns, hier zu bleiben und insbesondere Familien, Kindern und den Schwächsten beizustehen, in einer Situation, in der die gewohnten sozialen Strukturen weitgehend zusammengebrochen sind.
Wie ermutigen Sie die Gläubigen, trotz des Leids weiter für den Frieden zu beten?
Das Gebet ist das Herz unseres Lebens. Jeder Tag ist geprägt von gemeinschaftlichem und persönlichem Gebet, von eucharistischer Anbetung, dem Rosenkranz und der Feier der Heiligen Messe. Wir ermutigen die Gläubigen, ihr Leid vor den Herrn zu tragen und darauf zu vertrauen, dass das Gebet die Hoffnung nährt, den Glauben stärkt und die Herzen für den Frieden öffnet – auch inmitten großer Prüfungen und anhaltender Not.
Was bedeutet Frieden für die Kinder Ihrer Pfarrei, die kaum ein anderes Leben kennen als das des Konflikts?
Für die Kinder ist Frieden etwas sehr Einfaches und Konkretes: lernen zu können, zu spielen und Geborgenheit sowie Stabilität zu erfahren. Vor dem Krieg besuchten rund 2500 Schülerinnen und Schüler unsere drei katholischen Schulen an drei Standorten. Heute sind nur noch etwa 160 Menschen vor Ort, und die Schulgebäude dienen größtenteils als Unterkünfte für Binnenvertriebene. Im Rahmen unserer sehr begrenzten Möglichkeiten versuchen wir, eine grundlegende schulische Begleitung und kleine oratorische Angebote aufrechtzuerhalten. Diese Momente schenken den Kindern Trost und ein Stück Normalität und stärken ihre Hoffnung auf eine Zukunft in Würde.
Haben Sie im Heiligen Jahr Zeichen der Hoffnung wahrgenommen oder Menschen getroffen, die Sie als Zeugen des Friedens erlebt haben?
Im Heiligen Jahr haben wir Hoffnung vor allem auf geistlicher Ebene erfahren. Das Geheimnis des Kreuzes erinnert uns immer wieder daran, dass Hoffnung auch im Leiden wachsen kann. Zugleich begegnen wir vielen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Überzeugung, die Mitgefühl, Solidarität und einen aufrichtigen Wunsch nach Frieden leben. Ihr stilles Engagement, oft in einfachen Gesten des Daseins und Helfens, ist ein starkes Zeugnis und ein Zeichen dafür, dass die Hoffnung lebt.
Wie bewahren Sie selbst den Frieden im Herzen?
Ich versuche, den inneren Frieden durch einen verlässlichen Rhythmus von Gebet und geistlicher Sammlung zu bewahren. Tägliche Zeiten der Stille, der Meditation und des liturgischen Gebets helfen mir, auf den Herrn ausgerichtet zu bleiben. Die Feier der liturgischen Zeiten und Feste stärkt diesen inneren Frieden, den ich weiterzugeben versuche – auch inmitten von Unsicherheit und Verlust.
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