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Wallfahrtsdirektor Reichart: Echte Reform ist immer Glaubenserneuerung

Die Kirche müsse deutlich machen, dass sie mit dem, was sie bietet, überlebensnotwendig ist, so der scheidende Direktor von Maria Vesperbild, Erwin Reichart.
Erwin Reichart: Katholisches Profil zu zeigen schade nicht, sondern sei nützlich
Foto: Heidi Sanz | Katholisches Profil zu zeigen schade nicht, sondern sei nützlich, so der scheidende Wallfahrtsdirektor Erwin Reichart. „Das Anbiedern an den Zeitgeist war immer für die Kirche verhängnisvoll.“

Sechs Jahre lang hat Erwin Reichart den Wallfahrtsort Maria Vesperbild in Schwaben geleitet. Zum 1. Februar gibt der Priester seinen Posten als Wallfahrtsrektor ab. In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit dem Internetportal „katholisch.de“ zog er Bilanz: Katholisches Profil zu zeigen schade nicht, sondern sei nützlich. „Das Anbiedern an den Zeitgeist war immer für die Kirche verhängnisvoll“, sagte Reichart und appellierte an die Kirche, wieder selbstbewusst deutlich zu machen, „dass sie mit dem, was sie bietet, für jeden Menschen lebensnotwendig – ja überlebensnotwendig ist“.

In Maria Vesperbild wird jeder gesegnet

Die Kirche habe immer verkündet, dass Diskriminierung eine Sünde sei, auch wenn einzelne Christen in diesem Punkt versagt hätten, erklärte Reichart mit Blick auf die römische Erklärung „Fiducia supplicans“. In Maria Vesperbild werde jeder, der darum bitte, gesegnet. „Wir segnen den einzelnen Menschen oder eine Gruppe von Menschen, können aber niemals so tun, als ob wir eine außereheliche sexuelle Verbindung gutheißen.“

Erklärend fügte er hinzu: „Der Papst möchte in einem theologischen Drahtseilakt einfach zeigen, dass die Kirche alle Menschen liebt und dass wir für alle Menschen offen sein müssen." Und so wünsche er sich für die Zukunft des Wallfahrtsortes, „dass das Glaubensleben in Deutschland und in Europa wieder neu aufblüht – zum Wohl und zum Heil eines jeden Menschen und der ganzen Gesellschaft“, ganz so, wie es schon der Apostel Paulus formuliert habe: „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden!"

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Mit zwischen 400.000 und 500.000 Besuchern jährlich gehört die „schwäbische Hauptstadt Mariens“ im Landkreis Günzburg zu den meistbesuchten Wallfahrtsorten Süddeutschlands — trotz sinkender Kirchenmitgliedszahlen. Reichart ist überzeugt: „In solchen Zeiten nimmt die Bedeutung von Wallfahrtsorten eher zu.“ Orte wie Maria Vesperbild würden „mehr und mehr zu geistlichen Zentren, wo die Leute das suchen und finden, was ihre Pfarrei nicht mehr leisten kann – allein die vielen Messangebote und Beichtgelegenheiten“. 

Gläubige suchen ganz normalen Gottesdienst

Manche würden auch kommen, weil sie dort „einen ganz normalen katholischen Gottesdienst“ finden würden, in dem es „allein um die Verehrung Gottes“ und nicht um Unterhaltung gehe. Es gebe Menschen, die sich beklagt hätten, dass Pfarrer in ihrer Pfarrei mit Inlineskatern in die Kirche fahren würden oder „anhand von Mülltonnen für die Mülltrennung geworben“ hätten, so der Pfarrer, der am 28. Januar seinen 70. Geburtstag feiert.

Doch auch Suchende würden nach Maria Vesperbild kommen; Menschen, die „vor der Wallfahrtskirche unsere Bäume umarmen“, erzählt Reichart, Esoteriker, „die spüren, dass Maria Vesperbild ein Kraftort ist". Daher auch sein Appell an seinen Nachfolger, Suchende und Fernstehende mehr zu beachten — allerdings nicht durch „Anbiedern an den Zeitgeist“, sondern indem man schaut, „was Gott will“, so Reichart. „Echte Reform war in der Kirchengeschichte nie, Glaube und Moral dem Zeitgeist anzupassen und zu verändern, sondern immer das Glaubensleben zu erneuern.“

Weg zum Himmel ist kein Spaziergang

Auch die „Wirkmacht der Sakramentalien wie zum Beispiel des Weihwassers“ müsse die Kirche wieder propagieren, findet Reichart. Sie „muss auch endlich laut hinausschreien, welche verheerende Folgen die Entchristlichung haben wird“, drängt der Wallfahrtsdirektor und zitiert den seligen Pater Rupert Mayer, der schon dem Dritten Reich prophezeit hat: „Ein Staat ohne Religion geht zugrunde!" 

Die Kirche müsse „ganz klar verkünden, dass der Weg zum Himmel kein Spaziergang ist“, aber auch erfahrbar machen, dass Menschen „mit ihren Sorgen, ihrem Leid und ihrer Sterblichkeit in der Kirche die Lösung, sogar die Erlösung finden“.  DT/dsc

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