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Rémi Brague würdigt verstorbenen Papst Benedikt

Der französische Philosoph würdigt das spirituelle und intellektuelle Erbe Benedikt XVI. und lobt unter anderem dessen außerordentliche Fähigkeit zum höflichen Dialog. 
Der französische Philosoph Rémi Brague
Foto: Archiv | In einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ würdigte der französische Philosoph Rémi Brague Benedikts "spirituelles wie intellektuelles" Erbe.

Der französische Philosoph Rémi Brague hat sich diese Woche wertschätzend zum Lebenswerk des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. geäußert. In einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ würdigte er dessen "spirituelles wie intellektuelles" Erbe.

Papst: Spiritualiltät muss Intellekt beseelen

Damit sprach er die Beziehung von Verstand und Glauben an, die zu den großen Lebensthemen Benedikts XVI. gehörte. Spiritualität und Intellekt seien für den Papst kein Widerspruch gewesen, sondern hätten „sich gegenseitig erleuchten“ müssen. Brague wörtlich: „Der Glaube bot der Vernunft unerwartete Phänomene, die sie herausforderten; die Vernunft ihrerseits ermöglichte es dem Glauben, sich von trüber Sentimentalität oder gar bloßem Aberglauben zu reinigen.“

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Beispielhaft und anerkennend nannte der Philosoph die Regensburger Rede von 2006, in der Benedikt XVI. die Vernunft verteidigt habe, „die sich gegen die antiintellektualistische Atmosphäre richtete“. Und in seiner Ansprache im Collège des Bernardins 2008 habe der Papst daran erinnert, dass die Suche nach Gott „das intellektuelle Leben der Menschen des 21. Jahrhunderts“ beleben und beseelen müsse.

Nachahmenswerte Dialogfähigkeit und beachtlicher Mut

Außerdem lobte Brague Benedikts akribisches wissenschaftliches Arbeiten. Die „Strenge in der Komposition, die Klarheit in der Darstellung, das Bestreben, seine Quellen mit Verweis zu zitieren und den Kontext anzugeben“, seien vorbildlich gewesen. Auch dessen Fähigkeit zum höflichen Austausch, „die von der mittelalterlichen Scholastik übernommene Praxis der disputatio, wie man sie wie beim Gespräch mit Jürgen Habermas von 2004 erleben durfte, nannte er nachahmenswert — besonders für Franzosen, von denen man allzu oft höre: „Mit solchen Leuten rede ich nicht.“ 

Ebenso würdigte Brague Benedikts Mut. Im Umgang mit Missbrauch habe der Papst nicht nur Pädophileskandale angeprangert, sondern auch den Mut gehabt, Priester vom Amt zu suspendieren, die auffällig geworden seien. Auch habe er sich nicht gescheut, deutliche Vorbehalte gegen den Gebrauch von Kondomen in Afrika zu äußern und in den christlichen Kontext einzuordnen.

Bischöfe sind Papst sind notwendigerweise Konservatoren

Eher riskant als mutig sei der Versuch des Papstes gewesen, die Lefebvrianer-Bischöfe wieder in die volle Gemeinschaft mit der Weltkirche zu rufen. Er habe diesen Bischöfen aber eine Tür geöffnet, indem er ihnen den Ball zuspielte und sie damit eingeladen habe, selbst „zu entscheiden, ob sie wirklich die volle Gemeinschaft mit Rom wiedererlangen“ oder in der Irrlehre verharren wollten.

Auf die Frage, ob Benedikt XVI. ein konservativer Papst gewesen sei, antwortete Brague mit einer Erklärung: Bischöfe und Päpste müssten „darüber wachen, dass dem, was als Glaubensgut bezeichnet wird, nichts hinzugefügt und ihm vor allem nichts weggenommen wird“. In diesem Sinne seien Bischöfe, auch der Papst, sogar notwendigerweise Konservatoren. Sie seien dafür verantwortlich, die Offenbarung zu bewahren. Da die Offenbarung aber von Gott komme und unendlich sei, werde man mit der Inventarisierung nie fertig und könne immer wieder neue Elemente darin entdecken. In diesem Sinne habe „Benedikt XVI. in seinen Enzykliken neue Aspekte in biblischen Texten hervorgehoben, die 2000 Jahre oder mehr alt sind“.  DT/dsc

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