Kurz vor der Vereidigung Donald Trumps als neuer US-Präsident hat Papst Franziskus den bisherigen Bischof von San Diego, Kardinal Robert Walter McElroy, zum Erzbischof von Washington ernannt. Der 70-Jährige gilt als einer der profiliertesten Verbündeten von Franziskus und im konservativ geprägten US-Episkopat als ausgesprochen progressiv. Insbesondere in der Migrationspolitik dürfte McElroy als Leiter der Hauptstadt-Erzdiözese in den kommenden Monaten ein Gegengewicht zum angekündigten restriktiven Kurs Trumps bilden.
Zwar vertritt die gesamte US-Bischofskonferenz in dem Punkt nicht die Linie Trumps, sondern folgt dem an den Prinzipien von Humanität und Offenheit orientierten Kurs des Papstes. McElroy tut dies jedoch noch dezidierter. Bereits 2017, als der damalige US-Präsident Donald Trump in großer Zahl Einwanderer ohne Papiere abschieben wollte, sagte er: „Wir müssen jene stören, die Flüchtlinge als Feinde darstellen statt als unsere Brüder und Schwestern in großer Not.“
„Unvereinbar mit katholischer Lehre"
Daran knüpfte er am Montag in einer Pressekonferenz anlässlich seiner Ernennung in der Kathedrale St. Matthew the Apostle in Washington an. Wie die US-Zeitschrift „National Catholic Register“ (NRC) berichtet, erklärte McElroy: „Die katholische Kirche lehrt, dass ein Land das Recht hat, seine Grenzen zu kontrollieren. Und der Wunsch unserer Nation, dies zu tun, ist ein legitimes Bestreben.“ Die auf einigen Ebenen diskutierten Pläne, „eine wahllose Massenabschiebung im ganzen Land“ durchzuführen, seien allerdings mit der katholischen Lehre unvereinbar. Die Würde jedes Menschen sei zu achten.
Als promovierter Historiker und Politologe mit Abschlüssen an den renommierten Universitäten Stanford und Harvard verfügt McElroy über eine für Kirchenleute außergewöhnliche akademische Qualifikation. Nach Ansicht des Kolumnisten Michael Sean Winters, der für den progressiven „National Catholic Reporter“ schreibt, habe Kardinal McElroy die komplexe Beziehung zwischen Politik und Theologie durchdrungen. Er sei „der einzige Bischof in Amerika, der tief über die Schnittmenge von öffentlichem Leben und katholischer Theologie nachgedacht hat“.
Der Jesuit Tom Reese hält McElroy sogar für „die beste Wahl für den Job in der Hauptstadt“: Er sei brillant, wortgewandt und teile Franziskus‘ Überzeugung, „dass die Kirche auf der Seite der Armen und Ausgegrenzten stehen muss“, konstatierte er in einem am Montag veröffentlichten Interview mit dem „Religion News Service“ (RNS).
McElroy eckt an
Der neue Erzbischof von Washington hat aber nicht nur Freunde. Mit seinen Ansichten zu Abtreibung und Inklusion von sexuellen Minderheiten hat er sich mehrfach die Kritik seiner Amtsbrüder eingehandelt. Während viele von ihnen Abtreibung als das alles überragende moralische Thema betrachten, bezeichnete McElroy Abtreibung in einem Essay für das jesuitische „America Magazine“ als „nur einen von mehreren bedeutenden Punkten der katholischen Morallehre“. Während seine konservativen Amtsbrüder darüber diskutierten, den scheidenden US-Präsidenten Joe Biden wegen seiner Position zu Abtreibung vom Kommunionempfang auszuschließen, stellte sich McElroy entschieden dagegen.
Auch steht McElroy für eine „radikale Inklusion“ von Frauen und sexuellen Minderheiten (LGBTQ) in der Kirche. Laut der katholischen Nachrichtenagentur (KNA) habe er Kritik daran geübt, dass „die Tradition, alle sexuellen Handlungen außerhalb der Ehe als schwere Sünde zu betrachten“, dazu geführt habe, „dass sich das christliche moralische Leben unverhältnismäßig stark auf sexuelle Aspekte konzentriert“.
2022 ins Kardinalskollegium berufen
McElroy wurde im August 2022 von Papst Franziskus in das Kardinalskollegium berufen. Seit 2015 war er Bischof von San Diego. Als neuer Erzbischof der Erzdiözese der US-Hauptstadt tritt er nun in die Fußstapfen des 77-jährigen Kardinals Wilton Gregory, der 2019 als erster Afroamerikaner an der Spitze des Erzbistums Geschichte schrieb. Auch er galt als progressiv, pragmatisch im Umgang mit Biden und kritisch gegenüber Trump.
Kardinal Gregory übernahm die Erzdiözese im April 2019, als der sexuelle Missbrauch durch Theodore McCarrick enthüllt worden war. Dessen Nachfolger, Kardinal Donald Wuerl, war an der Missbrauchsaufarbeitung gescheitert. McCarrick wurde vom Papst aus dem Klerikerstand entlassen. Washington umfasst etwa 667.000 Katholiken im District of Columbia und fünf Bezirken im südlichen Maryland. DT/dsc
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