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Juliana von Lüttich: Unergründliche Wege des Herrn

Juliana von Lüttich und die unergründlichen Wege des Herrn. Oder: Wie eine Frau an der Einsetzung des Fronleichnamsfests mitwirkte.
Fronleichnams-Prozession am Staffelsee
Foto: Tobias Hase (dpa) | Boote mit Teilnehmern einer Fronleichnams-Prozession fahren am 26.05.2016 über den Staffelsee bei Seehausen (Bayern). Die Prozession am Staffelsee ist die einzige Seeprozession in Bayern.

Die Wege des Herrn sind unergründlich. Wenngleich dieses Sprichwort nicht immer mit der Tiefgründigkeit im Munde geführt wird, die ihm theologisch zukommt, zeigt sich doch an wichtigen Eckpunkten der Geschichte, dass zuweilen vielfältige Faktoren zusammenkommen, die den Lauf der Welt verändern. In der Kirchengenschichte trifft dies sicherlich auch auf den Ursprung des Fronleichnamsfestes zu. Denn ohne das Zusammenspiel mehrerer Faktoren wäre es unter Umständen nie zur Einführung dieses Festes gekommen.

Juliana von Lüttich
Foto: wikipedia | Auf Juliana von Lüttich geht das Fronleichnamsfest zurück.

Fest steht in jedem Fall, dass die heilige Juliana von Lüttich daran einen großen Anteil hatte. Denn das Fronleichnamsfest geht auch auf die Visionen zurück, die ihr nachgesagt werden. Diese soll sie bereits als sechzehnjährige Nonne gehabt, aber jahrelang für sich behalten haben. Immer wieder soll sie einen leuchtenden Mond mit einem dunklen Band gesehen haben. Dieses Band bedeute, so die angeblich von Christus selbst stammende Erklärung, ein fehlendes Fest im Kirchenjahr, ein Fest, das untrennbar mit dem allerheiligsten Altarsakrament verbunden ist.

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Ein Fest, das im Kirchenjahr fehlt

Wenn folglich heute noch alljährlich am Fronleichnamsfest der verwandelte Leib des Herrn durch die Straßen getragen und den Augen der Welt offenbart wird, hat die heilige Augustinerchorfrau unzweifelhaft einen großen Anteil daran; ein Umstand, der jedoch bei einem genaueren Blick auf die Biografie der Heiligen durchaus verwundern darf. Denn ihr Leben verlief bei Weitem nicht so stringent, wie dies zunächst den Anschein erweckt.

Zwar wurde die im Jahre 1192/1193 geborene Juliana im Jugendalter als Waise im Kloster aufgenommen – wohl im Jahre 1207, also im Alter zwischen 13 und 15 Jahren – und lebte dort so vorbildhaft, dass sie im Jahre 1222 gar zur Priorin gewählt wurde; und doch wurde sie zu Lebzeiten immer wieder heftig angefeindet. Aufgrund ihrer besonderen Strenge fand sie schließlich bei den Nonnen keinen Rückhalt mehr, sodass sie das Kloster mehrfach und nicht immer auf eigenen Wunsch verließ.

Wesensverwandlung

Ihre Sakramentsfrömmigkeit – als junge Nonne hatte Juliana viele Stunden im stillen Gebet vor dem Tabernakel verbracht – dürfte sicherlich von den theologischen Diskussionen der damaligen Zeit geprägt worden sein und diese wiederum von den mystischen Erfahrungen Julianas, die ihrerseits zur Einführung des Fronleichnamsfestes beitrugen. Denn die Konzilien der damaligen Zeit setzten sich unter anderem intensiv mit der theologischen Deutung der Eucharistie auseinander, hundert Jahre vor Juliana schon mit der Lehre von der Realpräsenz Christi und zu ihrer Zeit mit der Transsubstantiationslehre.

So bestimmte das 4. Laterankonzil im Jahre 1215, dass Wein und Brot den kirchlichen Riten entsprechend und durch göttliche Kraft im Rahmen des Altarsakraments in ihrem Wesen tatsächlich verwandelt werden. Nach der Wandlung sehen die Gaben zwar äußerlich noch aus wie zuvor, haben innerlich je-doch ein anderes Wesen angenommen, nämlich den Leib und das Blut Christi.

In die Welt hinaus

Diese Lehre in die Welt hinauszutragen und den Leib des Herrn als das Allerheiligste öffentlich zu verehren, ist Kern eben jenes Festes, das Julianas Visionen zufolge im Kirchenjahr fehlte, auf dessen Einführung sie hinarbeitete und das theologisch von keinem Geringeren als Thomas von Aquin unterfüttert werden sollte. Als Priorin in Mont Cornillon in Lüttich hatte die heilige Juliana aufgrund ihrer Stellung zwar einen gewissen Einfluss. Diesen jedoch verlor sie durch ihre persönlichen Schwierigkeiten und ihren Weggang aus dem Kloster. Was folgte, waren unstete Zeiten: Wanderschaften, gelegentliche Aufenthalte in anderen Klöstern und schließlich ein Leben als Einsiedlerin.

Hinzu kam die Tatsache, dass das Lütticher Bürgertum kein großes Interesse daran hatte, der einfachen Bevölkerung einen weiteren Feiertag zu schenken. Schlechte Aussichten also für das, was Juliana in ihren Visionen zu sehen bekommen hatte? Wohl kaum, denn die Wege des Herrn sind unergründlich.

Unter den wenigen Menschen, die ihr auch in schlechten Zeiten beistanden, befand sich der Erzdiakon Jacques Pantaléon von Troyes, der ihrem Ansinnen sehr offen gegenüberstand. Dass genau dieser Jacques Pantaléon von Troyes Jahre später als Papst Urban IV. in die Geschichtsbücher eingehen sollte und damit als der Papst, der im Jahre 1264 das Fronleichnamsfest zum Fest für die Gesamtkirche erklärte, ist eine solche glückliche Fügung der Ereignisse. Zuvor jedoch war das Fest bereits seit 1247 in der Diözese Lüttich gefeiert worden, eben-falls unter dem Einfluss des vormaligen Erzdiakons und späteren Papstes.

Lange Zeit vergeht

Doch warum vergingen bis zur päpstlichen Bulle „Transiturus de hoc mundo“ nahezu zwanzig Jahre? Auch hier treffen zwei Ereignisse aufeinander, zum einen die Wahl Urbans IV. im Jahre 1261, zum anderen eines der bekanntesten eucharistischen Wunder der Kirchengeschichte: das Blutwunder von Bolsena im Jahre 1263, bei dem sich Blutstropfen auf einer Hostie und dem Corporale bildeten. Das Corporale wurde Papst Urban IV. vorgelegt und von ihm als Wunder anerkannt. Im Jahr darauf – 1264 – führte er das Fronleichnamsfest ein. Dass dieser Papst zwei Monate nach der Promulgation der Bulle „Transiturus de hoc mundo“ und der damit verbundenen Einführung des Fronleichnamsfestes starb, lässt den gläubigen Katholiken durchaus wieder an das oben genannte Sprichwort denken.

Juliana wurde aus ihrem Kloster vertrieben

Fast scheint es, als habe dieser Papst eine ganz bestimmte Aufgabe gehabt.
Doch zurück zu Juliana von Lüttich, die durch ihre Visionen die Notwendigkeit des Festes vorausgesehen hatte. Sie erlebte zwar die Fronleichnamsfeier in ihrer Heimatdiözese, nicht mehr jedoch die Einführung für die Gesamtkirche. Denn nach ihrer Vertreibung aus ihrem Kloster starb sie 1258 als Einsiedlerin in Fossela-Ville außerhalb Lüttichs.

Im Rahmen seiner Generalaudienz sprach Papst Benedikt XVI. am 10. November 2010 von ihr als einer Frauengestalt in der Kirche, „die kaum bekannt ist, der aber die Kirche zu großem Dank verpflichtet ist, nicht nur aufgrund der Heiligkeit ihres Lebens, sondern auch, weil sie durch ihren großen Seeleneifer zur Einführung eines der wichtigsten liturgischen Hochfeste des Jahres beigetragen hat“. So wirkt diese Frau des Spätmittelalters, die im Jahre 1869 heiliggesprochen wurde, durch ihr Leben und ihren unermüdlichen Einsatz für die Verehrung des Leibes Christi auch in unsere Zeit hinein.

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