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Freiburg muss Folgen haben

Das jüngste Missbrauchsgutachten belastet Alt-Metropolit Zollitsch schwer. Rom sollte handfeste Konsequenzen ziehen.
Robert Zollitsch  2013 als DBK-Vorsitzender auf der Bundespressekonferenz
Foto: imago stock&people | Zollitsch 2013 als DBK-Vorsitzender auf der Bundespressekonferenz. Mittlerweile hat sich der emeritierte Erzbischof ein Schweigen auferlegt

Ist es schon bittere Routine geworden? Das Missbrauchsgutachten, das am Dienstag im Erzbistum Freiburg vorgestellt wurde, ist nicht das erste, und wird nicht das letzte bleiben. Auf niederschmetternde Ergebnisse folgen Schuldzuweisungen an die Altbischöfe. Die amtierenden Bischöfe bekunden dann wortreich ihre Bestürzung und bleiben im Amt.

Dennoch scheint sich in jüngster Zeit ein konsequenterer Umgang anzudeuten. Ende März nahm der Papst zum ersten Mal ein Rücktrittsgesuch eines amtierenden deutschen Oberhirten an. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hatte im Zusammenhang mit persönlichen Verfehlungen im Umgang mit Missbrauchsfällen in aller Stille sein Amt gegenüber Franziskus zur Verfügung gestellt.

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Vollbild einer Vertuschung

Freiburg könnte nun zur Zäsur werden: Zwar bleibt Erzbischof Stefan Burger im Amt, schließlich entlastet ihn das unabhängige Gutachten. Doch als erster Bischof zeigte Burger nach Veröffentlichung der Ergebnisse seinen Vorgänger, den ehemaligen Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenzen, Erzbischof Robert Zollitsch, in Rom an. 

Denn Zollitsch, dem das Gutachten das „Vollbild einer Vertuschung“ attestiert, hatte nicht nur inkriminierende Akten dem Zugriff der Staatsanwaltschaft entzogen, sondern auch Kirchenrecht konsequent ignoriert, indem er keinen einzigen der Missbrauchsfälle – das Gutachten spricht von mindestens 540 Opfern im Untersuchungszeitraum - an die Glaubenskongregation gemeldet hatte.

Dabei hatte ausgerechnet Zollitsch selbst noch 2010 der damaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein 24-Stunden-Ultimatum zur Rücknahme ihrer „maßlosen Polemik“ gestellt, nachdem diese in einem Interview unter anderem gesagt hatte, bisher sei vonseiten der katholischen Kirche noch kein aktives Interesse an wirklich rückhaltloser Aufklärung gezeigt worden. Mit diesem unfasslich heuchlerischen Verteidigungsgebaren ist die Kirche heute gottseidank fertig.

Es liegt nun an Rom, das kirchenrechtliche Verfahren in aller Konsequenz durchzuexerzieren. Folge könnte für den mittlerweile aus Freiburg weggezogenen Zollitsch etwa der Entzug bischöflicher Rechte sein. Soll das böse Wort von der „Kinderschänderkirche“ seine Berechtigung verlieren, müssen auch die Köpfe derer rollen, die die Verbrechen gedeckt und damit ermöglicht haben. 

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