Der dritte Tag des Weltfamilientreffens in Rom lief bereits, als gegen Abend aufregende Neuigkeiten hereinkamen. In etwa dreißig Minuten sollte eigentlich die nächste Live-Schalte erfolgen, meine Kollegen bereiteten sich gerade darauf vor, wieder auf die jeweiligen Fernsehtribünen zu gehen.
Ein Paukenschlag
Doch dann platzten die „breaking news“ herein. „Roe vs. Wade wurde gekippt“, rief die aufgeregte US-Kollegin im klimatisierten Konferenzraum aus, wo meine Kollegen aus den verschiedenen Nationen zusammensaßen und konzentriert an ihren jeweiligen Laptops arbeiteten. „Wie bitte“, fragte ein anderer Kollege zurück, „tatsächlich?“ Dann setzte er zum Sprint an und verließ den Raum. Er musste wegen der neuen Nachrichten seine Moderation kurz vor der Sendung noch einmal ändern.
Es war ein Paukenschlag und ich konnte die Feierstimmung meiner US-Kollegen gut verstehen. Kaum einer hatte damit gerechnet, dass „Roe vs. Wade“ tatsächlich eine Revision erfahren würde und damit vom Supreme Court in den Vereinigten Staaten festgelegt wird, dass es kein von der Verfassung herzuleitendes „Recht auf Abtreibung“ gibt.
Sieg und Niederlage
Es war ein Sieg für den Lebensschutz, über den man sich auch und gerade während des Weltfamilientreffens weit weg in Rom freuen konnte. Beim Kampf um die Heiligkeit des Lebens und der Familie war dies bei den vielen Rückschlägen und dem scheinbar ungebremsten Siegeszug der neuen „Kultur des Todes“ ein echter Erfolg.
Und doch, als emigrierter Deutscher erlebte ich diesen Moment mit gemischten Gefühlen. Es war nur wenige Stunden her, als am Morgen desselben Tages der Bundestag in Berlin ebenfalls ein Gesetz kippte, welches jedoch einen herben Rückschlag für den Schutz des ungeborenen Lebens in Deutschland bedeutet. Der Paragraph 219a wurde am 24. Juni abgeschafft, was bedeutet, dass künftig für Abtreibungen geworben werden darf. Ganz so, als sei dies eine „normale“, medizinische Dienstleistung wie die Zahnreinigung oder eine Behandlung am Hallux Valgus.
Der nächste Schritt
Einige der verantwortlichen Politiker kündigten bereits triumphierend an, dass im nächsten Schritt das offizielle Abtreibungsverbot, das in Deutschland zwar noch gilt, aber nicht mit Strafen reglementiert wird, ebenfalls beseitigt werden soll.
Glaubt man der Meinungsblase aus den sozialen Netzwerken, feiert die Mehrheit diesen Schritt noch immer als „Sieg der Menschenrechte“, während das Wutgeheul über die Entscheidung des Supreme Court in den USA als Rückschritt ins viel gescholtene „Mittelalter“ schon nach kurzer Zeit Ausmaße annahm, die mich sehr verstörten.
Verkommene Welt
Wie kaputt und moralisch verkommen ist eine Welt, in der Menschen vom Staat das „Recht“ einfordern, Babys zu töten? Wie verlogen ist eine Menschheit, die andere Hilfsmöglichkeiten für Schwangere in Not ablehnt und, wie ich im Netz lesen musste, Kinder im Mutterleib als „parasitäre Zellhaufen“ beschimpft? Eine Frau, nach eigenen Angaben Lehrerin für Kunst und Biologie, schrieb mir öffentlich auf Twitter: „Ihr Katholiken feiert es doch, sieht man doch hier. Endlich wieder mehr Kinder, die man den Priestern fürs Vergnügen vorsetzen kann.“
Von Politik nichts erwarten
Während draußen in der Welt der Kampf weiterging, diskutierten die Referenten des Weltfamilientreffens in Rom in aller Seelenruhe über die Schönheit und die Heiligkeit des Lebens und der Familie. Nichts würde daran etwas ändern können, egal, in welche Richtung der gesellschaftliche Wind morgen blasen wird. Trotz aller Triumphe und Niederlagen an diesem Tag wurde mir wieder klar: Weder unser Heil, noch unsere Verdammnis wird jemals von der Politik kommen.
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