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Der neue Klerikalismus

Die Einseitigkeit, mit der Besucher der „alten Messe“ unter Ideologieverdacht gestellt werden, nimmt merkwürdige Formen an. Jüngstes Beispiel: die Äußerungen des Rektors der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo.
Debatte um Liturgie
Foto: IMAGO / IP3press | Nach dem jüngsten Interview des Rektors der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo bleibt ein unangenehmer Nachgeschmack.

In einer Kirche der Sünder ist niemand vor dem Fall gefeit. Das gilt natürlich auch in Fragen der Liturgie. Allerdings nimmt die Einseitigkeit, mit der Besucher der „alten Messe“ inzwischen in Kirchenkreisen unter Ideologieverdacht gestellt werden, mitunter merkwürdige Formen an. 

Pastorale Schwäche und Ideologieanfälligkeit

Man kann es durchaus als Ausdruck eines neuen Klerikalismus sehen, dass im Fokus mancher Priester in erster Linie Traditionalisten stehen, über deren Konzilstreue und Akzeptanz des neuen Ritus es in Kirchenkreisen offenbar streng zu wachen gilt. Die pastorale Schwäche und Ideologieanfälligkeit des neuen Klerikalismus zeigt sich daran, dass Grenzüberschreitungen im Novus ordo geflissentlich verschwiegen werden. Ein seltsames Phänomen im Zeitalter regenbogenbeflaggter Gotteshäuser.

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Nach dem jüngsten Interview des Rektors der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo bleibt ein unangenehmer Nachgeschmack. So sehr Pater Benedikt Eckerstorfer OSB zuzustimmen ist, dass Liturgie nie zur Ideologie werden darf, so unverständlich bleibt, warum er diese Frage vorzugsweise an der Debatte um „Traditionis custodes“ festmacht. Gerade der Benediktinerorden bietet aufgrund seiner liturgischen Weite ebenso Platz für Traditionalisten wie für Klöster, die die Messe nach dem Missale Pauls VI. feiern.

Es braucht eine ideologiefreie Liturgiewissenschaft

In Deutschland hat zudem die Orthodoxie in Niederaltaich ein benediktinisches Zuhause. Das ist ein Ausdruck geistlichen Reichtums und verpflichtet den Orden zu besonders gründlicher Forschung: Warum ziehen gerade die Benediktinerklöster der Tradition Berufungen an? Darf man deren Kandidaten nicht zutrauen, was der heilige Benedikt in seiner Regel zugesteht: dass Gott oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist? Wie lässt sich legitime Vielfalt und Trennung in der Liturgie seriös voneinander abgrenzen? Kann heute spalten, was gestern noch als Ausdruck liturgischen Reichtums gesehen wurde? Nur eine ideologiefreie Liturgiewissenschaft kann sich dieser Fragen ernsthaft annehmen.

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