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Armut, Glaube, Chairladies

Die Kirche in Kenia ist jung: Impressionen aus der Gemeinde St. Mary's in Mombasa.
Kenyan tourism takes blows amids fear of terrorist attack
Foto: Dai Kurokawa (EPA) | Kinder und Jugendliche prägen das Bild der Pfarrei St. Mary's in Changamwe (Kenia). Trotz der Armut ist das Leben dort geprägt von Freude, Gebet und lebendigem Glauben.

Nach zwei Jahren Pandemie sind die Folgen auch in der Pfarrei St. Mary's in Changamwe im Westen Mombasas offensichtlich. Viele Menschen leben von der Industrie – hier bilden Zementwerke einen Schwerpunkt –, dem Hafen und Flughafen. Nicht wenige fanden bis zum Ausbruch der Pandemie in der Tourismusbranche ihr Auskommen. Sind schon ohnehin mehr Menschen in die Gegend gezogen, als tatsächlich Arbeitsplätze vorhanden waren, hat Corona die bedrückende Arbeitslosigkeit noch verstärkt. So ist das Thema Arbeitslosigkeit stets präsent. Einige versuchen, sich mit mehreren kleineren Jobs über Wasser zu halten. Eine soziale Versorgung seitens des Staates gibt es nicht.

Freude und lebendiger Glaube in der Armut der Menschen

Typisch für die Wohnsituation durchaus nicht der Ärmsten sind die einstöckigen so genannten Swahili-Häuser. Sie werden durch einen Mittelgang erschlossen, von dem die einzelnen Einzimmerwohnungen zugängig sind. Eine vierköpfige Familie habe ich in einer solchen Wohnung besucht. Der Wohnraum ist etwa vier mal vier Meter groß, durch einen Vorhang in Wohn- und Schlafbereich geteilt.

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Gekocht wird auf einer mobilen Feuerstelle vor dem Haus. Ein Bad teilen sich die acht bis zehn dort wohnenden Familien. Waschmaschinen gibt es ohnehin nicht. Gewaschen wird ausgiebig und gründlich, aber per Hand. Auch wenn die Umgebung arm ist: Der Herr ist gegenwärtig – im Alltag und auch in der Armut der Menschen. Das berührt mich sehr. Freude und Wohlstand hängen offenbar nicht notwendigerweise zusammen.

Selbstbewusste und engagierte Frauen - auch in Leitungspositionen

St. Mary's in Changamwe ist eine sehr lebendige Pfarrei, mit verschiedenen Gruppierungen, viel Eigenverantwortung und Engagement, aber vor allem auch Gebet und lebendigem Glauben. Ich erlebe die Frauen in der Gemeinde als sehr selbstbewusst und engagiert. Viele Gruppierungen werden nicht von einem „Chairman“, sondern von einer „Chairlady“ geführt. Zudem finde ich es bemerkenswert, dass das Leben in der Pfarrei nicht als „Spielwiese“ der Frauen gesehen wird. Sehr viele Männer sind ebenfalls aktiv, auch unter dem Vorsitz einer Frau. Und die vielen Kinder und Jugendlichen fallen dem Europäer sofort auf.

Die Kirche in Kenia ist eine junge Kirche. Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Ostafrika die ersten Gemeinden gegründet. Zwar gründeten die Portugiesen bereits im 16. Jahrhundert Handelsniederlassungen in Ostafrika, und mit ihnen kamen auch Missionare. Allerdings behandelten sie die hiesige Bevölkerung derart schlecht, dass das mit den Portugiesen in Verbindung gebrachte Christentum keinen Fuß fassen konnte. Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete sich das Christentum sehr schnell in Ostafrika. Erst in den 50er Jahren wurde das Erzbistum Mombasa gegründet.

"Schutz vor dem Bösen, kommt vom Himmel und nicht von Knochen!"

Die hier lebenden Christen sind dies erst seit wenigen Generationen. Traditionen und Bräuche halten sich oft lange und werden auch dann noch gepflegt, wenn sie eigentlich obsolet sind. So wurde ich zum Beispiel einmal gefragt, ob es für Christen erlaubt sei, bestimmte Knochen von Tieren im Hause aufzubewahren. Ich verstand zunächst die Frage nicht, bis man mir den Hintergrund erläuterte. Diese Knochen würden nach alter Tradition davor bewahren, dass böse Geister in das Haus einziehen. Manche Christen würden aus diesem Grunde weiterhin diese Knochen im Haus behalten.

Spontan antwortete ich: „Der Segen, der Schutz vor dem Bösen, kommt vom Himmel und nicht von Knochen!“ Das wurde in diesem Kreis mit zustimmendem Nicken beantwortet. Man schien dafür dankbar zu sein, dass nun diese leidige Frage auch „kirchenamtlich“ geklärt ist.

Wir sollten uns hüten, herablassend auf diese Art von Fragen zu schauen. Hatte es nicht Jahrhunderte gedauert, bis sich das Christentum in unserer Heimat durchgesetzt hat? Als Bonifatius die Donareiche fällte, die als göttlich verehrt wurde, war das Christentum immerhin schon einige Jahrhunderte verbreitet. Evangelisierung oder Neuevangelisierung ist nichts Statisches, sondern ein immerwährender Prozess. Und muss nicht der Herr bei jedem von uns täglich neu anfangen, uns zu evangelisieren?

Der Autor ist Weihbischof in Köln und arbeitet derzeit als Fidei-Donum-Priester im Erzbistum Mombasa/Kenia.

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