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Bonifatius: Mönch, Missionar, bischöflicher Kirchenreformer

Bonifatius wurde früh vom Missionsideal erfasst. Mit der genauen Befolgung des römischen Ritus wirkte er zunächst auf Missionsreisen im ostfränkisch-thüringischen Gebiet; später hatte er die Gelegenheit, die gesamte ostfränkische Kirche nach römischem Kirchenrecht zu reformieren, indem er Bistümer gründete und Bischöfe einsetzte.
Bonifatius-Grabmal in Fulda
Foto: (382611766) | Bonifatius wurde in der sich noch im Bau befindlichen Basilika seines Lieblingsklosters Fulda bestattet. Hier wollte er in der Stille Erholung für seinen alt gewordenen Leib finden, so schrieb er 751 an den Papst, ...

Bonifatius wurde in Mainz, seinem Bischofssitz, und in Fulda, seinem Begräbnisort, immer verehrt. Überregional wurde er aber erst im 19. Jahrhundert als der "Apostel der Deutschen" bezeichnet, der nun unzähligen Kirchen und auch dem Bonifatiusverein seinen Namen gab. Die deutschen Bischöfe versammeln sich zu ihren Konferenzen seit 1848 an seinem Grab. In Zeiten eines antikirchlichen Nationalismus wollten Katholiken beweisen, dass Nationwerdung und Zivilisation sich einem der ihren verdankten. Im 20. Jahrhundert sah man ihn dann als Begründer eines christlichen Europas.

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Keine dieser Deutungen ist falsch und doch wurde Bonifatius dabei jeweils den Bedürfnissen der Gegenwart adaptiert. Wer war dieser Mönch, der in die Fremde zog, was einen Bruch mit den vertrauten Strukturen bedeutet hat und für den dennoch ein Netzwerk von geistlichen Freunden, von Angelsachsen, bestimmend blieb? Wyn-freth ("Wonne-friede") wurde in eine sächsische, adelige Familie im äußersten Südwesten Englands geboren; als Geburtsjahr werden die Jahre 672, 673 oder 675 rückerschlossen. Für die junge angelsächsische Kirche waren die Klöster die Zentren der (Aus-)Bildung, im 7. Jahrhundert entstand aber auch, da man von Rom aus missioniert worden war und die römischen Bräuche rezipiert hatte, eine Bischofs- oder Metropolitanverfassung.

Zur Erziehung wurde Wynfreth um 680 dem Kloster Exeter übergeben. Ihn zeichnete ein intensives Bildungsstreben aus; die Liebe zu Büchern sollte ihn lebenslang begleiten. Da das Grenzkloster Exeter in dieser Hinsicht bald nur wenig zu bieten hatte, wechselte er in das Kloster Nursling zwischen Winchester und Southampton. Dort empfing er mit wohl 30 Jahren die Priesterweihe, studierte die Heilige Schrift und unterrichtete Grammatik und Metrik.

Stützpunkte der Christianisierung

Angelsächsische Klöster waren nicht nur Bildungsorte, sondern auch Stützpunkte der Christianisierung. Buße zu tun, dieses monastische Streben bedeutete in England, ähnlich wie in den irischen Klöstern, für viele, die Beziehungen zu Eltern und Verwandten zu kappen und in die Fremde, ins "Elend", zu ziehen. Dieses Ideal verband sich mit der Mission: Die Verehrung des wahren christlichen Gottes zu verbreiten und so die Menschen vor der ewigen Verdammnis zu bewahren.

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Man zielte auf die benachbarten Friesen und die verwandten Sachsen, die das Christentum noch nicht angenommen hatten. Bei den frühmittelalterlichen, schriftlosen Stammeskulturen setzte die Mission mündlich und durch Zeichenhandlungen an. Die rechte Verehrung Gottes garantierte das vor allem diesseitig gedachte Heil der Sippe oder des Stammes. In der vorchristlichen frühmittelalterlichen Welt waren die Stammesgottheiten für den eigenen Stamm zuständig: Waren Fremde überlegen, so hatten sich deren Götter als die stärkeren erwiesen. Wynfreth wurde 716 vom Missionsideal erfasst und brach zu den Friesen auf, wo der Angelsachse Willibrord missionierte. Doch der Stammesführer Radbod hatte sich, als Wynfreth ankam, erfolgreich gegen die christlichen Franken erhoben. Dessen Sieg erwies den christlichen Gott nicht als den stärkeren, so dass Wynfreth nach Nursling zurückkehren musste und kurzzeitig sogar als Abt wirkte.

Römischer Ritus als Zeichen ritueller Korrektheit

718 brach er erneut in die Fremde auf. Zunächst nach Rom: Der römische Ritus stand bei den Angelsachsen für rituelle Korrektheit, die Erfolg und Heil garantierte. Papst Gregor II. beauftragte ihn zum Missionar und schickte ihn ins ostfränkisch-thüringische Gebiet. Er ermahnte ihn, genau den römischen Taufritus zu befolgen. Dies waren grundlegende Weichenstellungen. Das Gebiet war an sich christianisiert; dort zu wirken bedeutete, der Festigung und Organisation in einem konkreten Gebiet den Vorrang zu geben vor Missionsreisen. Da nach römischem Ritus die postbaptismale Salbung (Firmung) nur ein Bischof spenden konnte, drängte der Papst auf die Einführung einer Bischofsverfassung. Nach dem römischen Heiligen des Vortages (14. Mai) erhielt Wynfreth vom Papst 719 den Namen Bonifatius.

In dem ihm zugewiesenen Gebiet konnte Bonifatius ohne verlässliche fränkisch-christliche Herrschaftsstrukturen erst wenig bewirken. Da er vom Tod Radbods hörte, ging er wieder nach Friesland zu Willibrord. Zwischen beiden scheint es dann aber zu einem Zerwürfnis gekommen zu sein. Zurück in Hessen gründete er in Amöneburg 721 ein Kloster als Missionsstützpunkt. Rituelle und rechtliche Unsicherheiten führten zu immer neuen Anfragen an den Papst und zu seiner zweiten Romreise. 722 empfing er dort die Bischofsweihe und schwor dem Papst einen neuartigen Gehorsamseid. Mit Klerikern, die nicht römischem Brauch folgten, sollte er keine Gemeinschaft haben.

737 reist er ein drittes Mal nach Rom

Mit vielen Begleitschreiben wurde er erneut zur Reform der Kirche in den hessisch-thüringischen Raum geschickt, angelehnt an die fränkisch-christliche Herrschaft. Mit ihr im Hintergrund konnte er eine spektakuläre Zeichenhandlung wie das Fällen der Donar-Eiche in Geismar wagen. Es kam zu weiteren Klostergründungen, so Fritzlar und Ohrdruf (bei Gotha). Die Klöster besetzte er mit Landsleuten, auch die Frauenkonvente in Tauberbischofsheim, Kitzingen und Ochsenfurt. Der neue Papst Gregor III. bestätigte 732 den Auftrag seines Vorgängers und schickte Bonifatius sogar das Pallium, das am Petrusgrab aufgelegen hatte und die Amtsgewalt eines Erzbischofs symbolisierte.

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737 reiste Bonifatius ein drittes Mal nach Rom. Außer der Frage einer Sachsenmission war der Wunsch des bayerischen Herzogs Odilo, eine feste Kirchenorganisation zu errichten und so ein Stück weit unabhängiger von den mächtigen fränkischen Nachbarn zu werden, der Grund. Mit dem Titel eines "päpstlichen Legaten" ging Bonifatius nach Bayern, wo er in Regensburg, Freising und Salzburg die alten Bischöfe ab- und neue einsetzte, während Vivilo von Passau im Amt bleiben durfte, da er vom Papst geweiht war. Als er von dort wieder in den hessisch-thüringischen Raum zog, gründete er die Bistümer Würzburg, Büraburg, Erfurt und Eichstätt; 744 folgte das Kloster Fulda.

Mit Hilfe des neuen fränkischen Herrschers Karlmann eröffnete sich die Chance, die gesamte ostfränkische Kirche nach römischem Kirchenrecht zu reformieren. Dem sollte das Concilium Germanicum im Jahr 742 dienen, wo die ostfränkischen Bistümer ein Metropolitanverband mit Bonifatius an der Spitze werden sollten. Doch nun ließ der Einfluss des Bonifatius, der 745 das Bistum Mainz erhalten hatte, auf die fränkischen Herrscher nach; sein Reformprogramm stockte. Nachdem er seinen angelsächsischen Schüler Lul als seinen Nachfolger in Mainz eingesetzt hatte, zog er zu einer letzten Missionsreise nach Friesland, wo er am 5. Juni 754 bei Dokkum Opfer eines Raubüberfalls wurde.

Ein Wunsch blieb unerfüllt

Bonifatius wurde in der sich noch im Bau befindlichen Basilika seines Lieblingsklosters Fulda bestattet, das sein Schüler Sturmi leitete. Hier wollte er in der Stille Erholung für seinen alt gewordenen Leib finden, so schrieb er 751 an den Papst, und dann begraben werden. Ein anderer Wunsch ist ihm nicht erfüllt worden, nämlich mit seiner Verwandten Lioba in einem Grab die letzte Ruhe zu finden. Er hatte sie als Missionarin aus dem Kloster Wimborne Anfang der 730er-Jahre erbeten und als Äbtissin in Tauberbischofsheim eingesetzt; am Ende hat er sie mit der Fortführung seines Missionswerks beauftragt. Die Welt der angelsächsischen Missionare ist eine weit entfernte, archaisch-fremde Epoche. Und dennoch berühren uns die Selbstverständlichkeit eines Zusammenwirkens von Männern und Frauen auf Augenhöhe, die Hochschätzung von weiblicher Bildung und die Bedeutung geistlicher Freundschaft.


Professor Klaus Unterburger, geboren 1971, ist Inhaber des Lehrstuhls für mittlere und neue Kirchengeschichte und zurzeit Dekan der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg sowie 1. Vorsitzender der Katholischen Erwachsenenbildung in der Stadt Regensburg.

 

 

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