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Das 14. Türchen

Der dritte Adventssonntag steht im Zeichen der freudigen Erwartung.
Das 14. Türchen des Tagespost-Adventskalenders
Foto: DT / Thiede | Das 14. Türchen des Tagespost-Adventskalenders.

Liebe Leserinnen und Leser,

warten gehört im Advent zum Geschäft. Wozu es gut ist und wie man es sinnvoll nutzen kann, erklärt der geistliche Impuls. Am heutigen „Gaudete“-Sonntag aber wirft auch die Weihnachtsfreude bereits ihren Strahl voraus. Freude ist auch das Thema unseres Kulturteils, in dem wir die italienischen Pifferari vorstellen, die mit ihren Liedern die Ankunft des Christkindes feiern.

Einen frohen Sonntag Gaudete Ihnen und Ihren Lieben!

Ihre Franziska Harter
Chefredakteurin


MIT DER BIBEL DURCH DEN ADVENT

Tageslesungen:
Jes 35,1–6b.10
Jak 5,7–10
Mt 11,2–11

Göttliche Dramaturgie

Die heilige Erwartung weitet das Herz  Von  Martin Grichting

Passend zur Adventszeit sprechen die Lesungen des „Gaudete“-Sonntags vom Warten und von der freudigen Erwartung auf das Heil. Noch diesseitig geprägt, stellt Jesaja dem Volk Gottes die Rückkehr nach Zion in Aussicht, die es erwarten soll. Der Jakobusbrief fordert zum geduldigen Warten auf die baldige Ankunft des Herrn auf. Und Johannes der Täufer lässt Jesus fragen, ob er jener sei, auf dessen Kommen das Volk Israel schon so lange wartet.

Was ist der Sinn des Wartens? Zweifellos dient es, rein menschlich gesprochen, der Dramaturgie. Je länger man auf etwas warten muss, umso größer ist die Freude, wenn es eintrifft. Der Adventskalender übt die Kinder in dieses sehnsüchtige Warten ein und lehrt Geduld.

Hier auch zum Anhören:

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In christlichem Sinn verstanden, bedeutet das Warten aber noch mehr als die Übung der Tugend der Beharrlichkeit. Es ist der heilige Augustinus, der dies in seinem Kommentar zum 1. Johannesbrief (4. Predigt) zum Ausdruck bringt. Er erwähnt zwei Elemente. Das Warten soll zuerst reinigen: „Leere aus, was angefüllt werden soll! Mit Gutem sollst du angefüllt werden, drum gieß das Böse aus! Mit Honig gleichsam will Gott dich anfüllen; wenn du voll Essig bist, wo wirst du den Honig unterbringen?“ Die Adventszeit ist also zuerst einmal eine Zeit der Reinigung, des Entleerens dessen, was sich an Gottwidrigem angesammelt hat. Die Zeit des Wartens soll uns daran erinnern und uns ermutigen, das Kommen der Fülle des Heils durch Reue und Umkehr vorzubereiten.

Die zweite Dimension des Wartens ist die „Weitung“. Damit ich von der Fülle Gottes erfüllt werden kann, muss ich das Gefäß weiten: „Wie du, wenn du einen Raum füllen willst und die Größe der Gabe kennst, die du erhältst, den Rauminhalt des Sackes oder Schlauches oder was es sonst ist, erweiterst und durch die Ausweitung mehr Platz schaffst, so dehnt Gott durch den Aufschub die Sehnsucht und dehnt durch die Sehnsucht das Herz aus, um es durch die Ausdehnung aufnahmefähig zu machen.“ Wie aber soll diese Weitung geschehen? Der heilige Augustinus sagt: „Dies ist unser Leben: in der Sehnsucht uns zu üben. Soweit aber üben wir uns in heiliger Sehnsucht, als wir unser Verlangen von der Weltliebe abtrennen.“ Anders formuliert: Je weniger unser Ego und unsere Anhänglichkeit an die diesseitigen Dinge in unserem Herzen Platz beanspruchen, umso mehr Raum gibt es für die Fülle Gottes. Das geht über die Abkehr von der Sünde hinaus. Es ist das Bemühen, über das Minimum hinauszuwachsen. Der lange Advent unseres Lebens ist die Zeit, die dafür zur Verfügung steht. Im Himmel sind dann alle Gläser voll. Aber sie sind nicht gleich groß.

Der Autor ist Diözesanpriester des Bistums Chur.


WEIHNACHTEN IM BILD

Stadtpfeifer in Rom
Foto: Thiede | Carl Blechen schuf diese lavierte Zeichnung von Stadtpfeifern in Rom um 1829-30.

Die Pifferari des Carl Blechen

Folkloristische Volksfrömmigkeit sprach besonders die deutschen Romantiker in Rom an  Von Rocco Thiede

Als der romantische Maler Carl Blechen (*Cottbus 1798 – Berlin 1840) im Dezember 1829 in Rom eintraf, wird er jene pittoresken Hirten- und Straßenmusiker aus den Abruzzen in den Straßen gehört und gesehen haben. Seit dem 18. Jahrhundert gab es im Advent vom 8. Dezember (Mariä Empfängnis) bis Heiligabend diese eindrucksvollen religiös-folkloristischen Erscheinungen der italienischen Volksfrömmigkeit. Ihre Auftritte vor Madonnenbildern, an Straßenaltären und vor Hauskapellen boten vielen Reisenden – darunter zahlreichen Künstlern – ein zutiefst bewegendes Bild katholischer Frömmigkeit.

Der Advent ist die Zeit des Wartens auf die Geburt Christi. In der alten christlichen Symbolik galten die Hirten als erste Zeugen der Menschwerdung Gottes. Die Pifferari erscheinen darum wie biblische Hirten, die das Jesuskind anspielen – ein lebendig gewordener Teil des Evangeliums. Der Madonna ein musikalisches Ständchen zu bringen, wurde als fromme Handlung betrachtet: Musik als Gebet und ein Akt der Frömmigkeit.

Musiker in Hirtentracht

Die Pifferari della Madonna waren wandernde Musikanten, die im Winter ihre Herden verließen und in die Ewige Stadt oder andere Städte Mittelitaliens zogen. Ihre Instrumente waren der Piffero – ein schalmeiartiges Doppelrohrblattinstrument mit Oboenklang –, die Zampogna – ein Dudelsack, der dem schottischen ähnlich ist, aber voller, wärmer und weicher klingt – und manchmal auch Flöten oder einfache Holzblasinstrumente. Durch ihre Tracht – kurze Hosen, Umhänge, Fellmäntel, oft mit breitem Hut – wirkten sie wie biblische Hirtenfiguren, was den Eindruck religiöser Authentizität noch verstärkte. Sie musizierten vor großen, mit Kerzen und Blumen geschmückten Madonnenbildern in den Straßen, in Kirchen oder vor den Krippen.

Für die Künstler wirkten diese Szenen wie ein lebendiges Weihnachtsevangelium, und viele haben diese Szenen in Gemälden oder Reiseschilderungen festgehalten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm der Brauch ab, dass die Hirten ihre einfachen Weisen zur Ehre Mariens und des Christkindes spielten. Heute treten Pifferari nur noch vereinzelt zu Folklore- oder Weihnachtsveranstaltungen auf. Die Tradition der „Pifferari der Madonna ein Ständchen bringend“, wie sie Carl Blechen so eindrucksvoll und genial festhielt, ist leider aus dem alltäglichen Straßenbild verschwunden.

Der Autor ist Historiker und schreibt zu Themen aus Kunst und Kultur.


ADVENTLICHE KLÄNGE

Deutsches Weihnachtslied mit italienischem Flair

In einer Gesangsweise aus dem 19. Jahrhundert verbindet sich die Musik deutscher Romantik mit folkloristischen Einflüssen Italiens  Von Henry C. Brinker

Das „Weihnachtslied der Pifferari“ von Bernhard Seccles ist ein Kleinod der romantischen Weihnachtstonkunst des 19. Jahrhunderts – eine musikalische Miniatur, die das südliche Kolorit Italiens mit zeittypischer Innerlichkeit verbindet. Die Pifferari, jene aus den Abruzzen stammenden Dudelsack- und Schalmeienspieler, die wir bereits oben beschrieben haben, zogen zur Adventszeit traditionell nach Rom, um vor Marienbildern und an Straßenecken ihre einfachen, archaischen Hirtenweisen zu spielen. Seccles griff dieses kulturelle Motiv auf und verwandelte es in ein kunstvoll stilisiertes Weihnachtslied, das dennoch die Aura des Ursprünglichen bewahrt.

Musikalisch prägt die Komposition ein sanft wiegender 6/8-Takt, der die volkstümliche Pastorale aufgreift. Die Melodie ist schlicht, aber nie banal: Sie entfaltet sich in einem ruhigen Bogen, der zwischen zarter Wehmut und warmem Trost pendelt. Charakteristisch sind die Begleitfiguren, die das Knurren des Dudelsacks nachahmen, sowie die bewusst eingesetzten, reizvollen Sekundenreibungen, die die raue Klanglichkeit der Pifferari imitieren. Seccles schafft damit eine Atmosphäre, die gleichermaßen archaisch und romantisch aufgeladen ist – ein musikalischer Blick auf ein fremdes, beinahe ethnografisches Weihnachtstableau.

Inhaltlich besingt das Lied die Hirten, die mit ihren einfachen Instrumenten zur Krippe ziehen. Anders als die großen Chorwerke der Zeit sucht Seccles nicht das Erhabene, sondern das Demütige: Der musikalische Weg der Pifferari wird zum Sinnbild der schlichten Frömmigkeit, die das Weihnachtsgeschehen trägt. Der Text stellt nicht die Könige, sondern die einfachen Leute ins Zentrum – jene, die mit begrenzten Mitteln kommen, aber mit offenen Herzen. So entsteht ein stilles Gegenbild zum bürgerlichen Weihnachtsglanz: eine poetische Erinnerung an die Ursprünglichkeit der Menschwerdung Christi. Das Lied ist damit zugleich Klangbild, Erzählung und theologische Meditation.

Der Autor ist Feuilletonist der Tagespost.


 

Info:

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