Es war der erste emotionale Höhepunkt des Besuches von Papst Franziskus in der Slowakei: Die Begegnung des Heiligen Vaters mit Vertretern der jüdischen Gemeinde und Holocaust-Überlebenden in Bratislava. Für die Begegnung mit den "älteren Brüdern" (Papst Johannes Paul II.) wurde ein Ort gewählt, der die schmerzhafte und vielfach tragische Geschichte des Judentums in der Slowakei widerspiegelt: Der Fischplatz (Rybne namestie) nahe der St.-Martins-Kathedrale, auf dem bis 1969 die jüdische Synagoge stand und wo seit Mitte der 1990er Jahre zum Andenken an die während des Zweiten Weltkrieges 70.000 deportierten und ermordeten slowakischen Juden eine fünf Meter hohe Bronzestatue des slowakischen Künstlers Milan Lukac aufgestellt ist.
Franziskus: Eure Schmerzen sind unsere Schmerzen
Papst Franziskus ging in seiner Ansprache bewusst auf die Geschichte eben dieses Ortes sowie dessen Bedeutung für die jüdische Gemeinschaft in Bratislava und der gesamten Slowakei ein: Das dieser über Jahrhunderte hinweg Teil des jüdischen Viertels von Bratislava gewesen sei und aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zur St.-Martins-Kathedrale - die Papst Franziskus am selben Tag nur wenige Stunden zuvor besucht hatte - das über einen langen Zeitraum friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Juden zum Ausdruck gebracht habe.
"Später aber ist der Name Gottes verunehrt worden", sagte Franziskus und erinnerte damit an die Vertreibung und Ermordung der slowakischen Juden während des Zweiten Weltkriegs. Und er ergänzte: "Hier wurde der Name Gottes verunehrt, weil die schlimmste Gotteslästerung, die man ihm zufügen kann, darin besteht, ihn für seine eigenen Zwecke zu benutzen, anstatt für die Achtung und die Liebe zu den anderen" - eine indirektes Schuldeingeständnis des Pontifex angesichts der Tatsache, dass es selbsternannte Christen gewesen sind, die die Vertreibung und Ermordung der Juden vorangetrieben hatten.
"Zachor" - Erinnere dich!
Mit Blick auf die Bronzestatue von Milan Lukac mahnte Papst Franziskus die stetige Vergegenwärtigung dessen an, was vor rund 80 Jahren den Juden in der Slowakei angetan wurde: "Auf dem Mahnmal steht auf Hebräisch 'Zachor': 'Erinnere dich!' Das Gedächtnis kann und darf dem Vergessen nicht Platz machen, weil es keine dauerhafte Morgenröte der Geschwisterlichkeit geben kann, ohne vorher die Dunkelheit der Nacht geteilt und zerstreut zu haben." Mit Blick auf den widererstarkten Antisemitismus, der Gottesferne vieler heutiger Menschen und der damit verbundenen Erschaffung neuer Götzen könne das Judentum die katholische Kirche an ihrer Seite wissen.
Außerdem verwies Franziskus auf den guten Weg, auf dem sich das christlich-jüdische Verhältnis seit geraumer Zeit befinde, beispielsweise aufgrund des gemeinsamen Dialogs. Dieser sei notwendig, um einerseits "die Wunden der Vergangenheit zu heilen", andererseits aber auch an "das Gute, das man empfangen hat und das gegeben wurde" zu erinnern. "Hier bekräftigen wir gemeinsam vor Gott unseren Willen, auf dem Weg der Annäherung und der Freundschaft fortzufahren."
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