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„Wir müssen unsere jüdischen Mitbürger beschützen“

Schauspielerin Uschi Glas setzt sich in Deutschland für das Existenzrecht Israels und die Glaubensgeschwister ein. Nun legt sie einen Gesprächsband mit der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München vor.
Charlotte Knobloch und Uschi Glas verbindet seit Jahren das Engagement für jüdisches Leben in Deutschland. Jetzt haben sie zusammen ein Buch veröffentlicht.
Foto: Mosaik Verlag | Charlotte Knobloch und Uschi Glas verbindet seit Jahren das Engagement für jüdisches Leben in Deutschland. Jetzt haben sie zusammen ein Buch veröffentlicht.

Die Schauspielerin Uschi Glas ist von der jüdischen Lebensart seit Langem fasziniert, seit mehr als 50 Jahren reist sie regelmäßig ins Heilige Land. Gemeinsam mit ihrem Mann Dieter setzt sie sich auch aktiv für Israel ein: Nach dem Hamas-Überfall im Oktober 2023 hat das Ehepaar fast jede Woche an den sonntäglichen Schweigemärschen in München für die israelischen Opfer teilgenommen. 

 Nun legt Uschi Glas ein lebendiges, sehr persönlich geführtes Buch vor, das unter anderem auf Gesprächen mit Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, basiert. In „Du bist unwiderstehlich, Wahrheit“ hält Uschi Glas auch Rückschau auf ihr eigenes Leben. Im Tagespost-Gespräch erzählt die Schauspielerin, warum sie sich als Kind im katholischen Niederbayern ausgegrenzt fühlte und wie wir Christen unsere jüdischen Geschwister unterstützen können. 

 Frau Glas, am 13. Oktober vormittags kamen die letzten jüdischen Geiseln frei. Wo waren Sie an diesem denkwürdigen Tag und was waren Ihre Gedanken und Gefühle? 

Ich war in der jüdischen Gemeinde hier am St.-Jakobs-Platz in München, um mitzufeiern. Die Bilder aus Israel waren so berührend, dass wir Tränen vor Glück vergossen haben. Schließlich sind wir aus lauter Freude in einer Polonaise durch das Gebäude gezogen und wie so oft bei meinen jüdischen Freunden ging es bei dieser langen Menschenschlange so ausgelassen zu, dass man denkt, gleich fällt alles rundum zusammen. Diese Emotionalität liebe ich sehr. 

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Gleichzeitig ist mein Herz schwer, denn wir müssen auch an die getöteten Geiseln und ihre Familien denken und ihre Trauer mittragen. Aus diesem Gefühl der Solidarität trage ich noch immer die gelbe Schleife – und ich werde sie erst ablegen, wenn das letzte Opfer nach Israel überführt wurde. Das Leid auf beiden Seiten dieses Krieges ist unermesslich und kaum in Worte zu fassen. 

 Warum fühlen Sie sich Israel und dem Judentum so verbunden? 

Das ist wirklich eine lange Geschichte. Schon als junges Mädchen – der 2. Weltkrieg war gerade vorüber – habe ich jüdische Familien kennengelernt und die Erfahrung gemacht, dass niemand dieser Menschen, bei denen ich eingeladen war, mich wegen meiner deutschen Herkunft angegriffen oder verurteilt hat. Ich bin immer mit offenen Armen aufgenommen worden und das kann ich nicht vergessen. Dafür bin ich noch heute demütig und dankbar, dass ich diese Nachsicht von Überlebenden des Holocaust erfahren durfte. 

Als Kind haben Sie selbst erlebt, wie es ist, aus religiösen Gründen ausgegrenzt zu werden: Sie sind evangelisch und sind im katholischen Bayern aufgewachsen … 

 Ja, meine Eltern lebten mit uns vier Kindern in Landau an der Isar im damals erzkatholischen Niederbayern, ich war die Jüngste. Mein Vater war Franke und evangelisch, meine Mutter war ursprünglich katholisch und entschied sich zum Entsetzen ihrer Eltern zu konvertieren. In Landau gab es damals noch keine evangelische Kirche, aber die dortige Spitalkirche wurde uns für unsere Gottesdienste „geliehen“. Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, was an uns so komisch ist, dass nach dem evangelischen Gottesdienst die Kirche immer mit Weihrauch ausgeräuchert wurde. Aber ich möchte dazu auch sagen, dass die Ausgrenzung, die ich als Kind erfuhr, nicht ansatzweise mit dem zu vergleichen ist, was jüdische Menschen in Deutschland auch heute wieder erleben müssen. 

Haben wir Christen in dieser Zeit, in welcher der Antisemitismus wieder zunimmt, eine besondere Verantwortung gegenüber unseren jüdischen Geschwistern? 

Auf jeden Fall. Wir müssen diese kleine Gruppe jüdischer Mitbürger beschützen und fest an ihrer Seite stehen. Ja, auch den Arm um ihre Schultern legen und sagen: Ich bin für dich da. Das würde ich jedem Pfarrer, jedem Christen ans Herz legen – das ist einfach unsere Pflicht. Die beiden christlichen Kirchen haben es im Dritten Reich an Nächstenliebe fehlen lassen. Aber das ist ein Kapitel für sich. Natürlich kamen Ausnahmen vor, wie etwa Pater Rupert Mayer und noch einige andere, die sich für unterdrückte Menschen eingesetzt und durch ihre offenen Worte etwas riskiert haben. 

In Ihren Gesprächen mit Charlotte Knobloch geht es vor allem um Menschlichkeit und Mut. Dabei beeindruckt eine Episode aus der Kindheit von Charlotte Knobloch: Als 9-Jährige wurde sie von einer früheren Hausangestellten ihres Onkels aufgenommen. Die Frau war Katholikin und hatte Gott versprochen, auf die kleine Jüdin aufzupassen, wenn ihren Brüdern an der Front nichts passiert … 

Ja, und diese Bitte ist erhört worden, die Brüder kehrten heil aus dem Krieg zurück. Aber die Frau hat sich auf dem Dorf einer großen Gefahr und zusätzlich dem Gerede ausgesetzt, indem sie behauptete, es sei ihr uneheliches Kind, das bislang woanders gelebt habe. Eine alleinerziehende Mutter wurde früher geächtet, vor allem auf dem Land. Und umso mehr Mut hat sie bewiesen – gegenüber den Dorfbewohnern und dem Regime, vor dem sie die jüdische Herkunft des Kindes verheimlichte. 

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 Charlotte Knoblochs Geschichte hat mich im Ganzen erschüttert, die Einzelheiten kannte ich so noch nicht. Ich bewundere diese tüchtige, geradlinige Frau sehr. Uns beide verbindet, dass wir abends in den Spiegel schauen können – im Bewusstsein, zu dem zu stehen, was wir tun. Und beide sorgen wir uns darum, was in unserem Land geschieht. Unsere Demokratie ist von links wie von rechts in höchster Gefahr, und wir dürfen niemals den Kopf in den Sand stecken. 

Das Engagement für andere Menschen ist Ihnen ein wichtiges Anliegen. Sie haben 2009 die Initiative „brotZeit“ gegründet, die Kinder und Jugendliche mit Frühstück und Pausenbroten versorgt. Mittlerweile bereiten rund 3.100 Ehrenamtliche bundesweit an fast 500 Schulen morgens eine kleine Mahlzeit für mehr als 20.000 Kinder zu. Sind Sie ein hilfsbereiter Mensch oder geschieht Ihr Einsatz aus dem Glauben heraus? 

Ich denke schon aus dem Glauben heraus. Aber nicht, weil ich die heilige Uschi bin, sondern ich möchte etwas zurückgeben von dem Glück, das ich in meinem Leben gehabt habe. Außerdem betrachte ich es überhaupt als ein Glück, wenn einem die Kraft und die Möglichkeit gegeben sind, anderen zu helfen. Wenn es gelingt, dann ist es supertoll und dann hat sich der Kampf darum gelohnt und war gut. 

Müssen wir nicht vermehrt über Armut in unserem Land sprechen? Braucht es dafür nicht auch Mut? 

  Sicher. Armut wird verschwiegen und es wird g’schamig weggeschaut. Jede Familie müsste ihr Kind versorgen – aber wenn das nicht geschieht und jedes vierte Kind in unserem Land ohne Frühstück und Pausenbrot in die Schule geht, dann ist die Verantwortung an uns, der Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass die Kinder etwas zu essen bekommen. 

Sie setzen sich dafür ein, dass Osteoporose in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit erhält. Was macht dieses Thema für Sie so wichtig? 

 Osteoporose ist eine Volkskrankheit, über die man viel zu wenig weiß. Wenn man nicht zur Vorsorge geht, kann es verheerende gesundheitliche Folgen haben. Deshalb halte ich Aufklärung und Prävention bei diesem Thema für so wichtig und habe sofort zugesagt, die Kampagne des Deutschen Orthopäden- und Unfallchirurgenverbands zu unterstützen. Vorsorge ist Selbstverantwortung, und es ist so einfach, die eigene Knochendichte messen zu lassen. Auch hier gilt: Es ist besser, man weiß, was los ist, bevor es vielleicht zu spät ist. Die Vorsorge kann Knochenbrüche vermeiden, dadurch werden am Ende auch Operationen überflüssig. Deshalb halte ich Aufklärung bei diesem Thema für enorm wichtig, deshalb engagiere ich mich.“ 

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