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Kardinal Sarah ruft zu Reform des Priestertums auf

Im Interview mit „Famille chrétienne“ mahnt Kardinal Robert Sarah eine echte Klerusreform an, um die Kirche aus ihrer derzeitigen Krise hinauszugeleiten.
Neues Buch von Kardinal Sarah
Foto: Stefano Spaziani (Spaziani) | Kardinal Sarah ruft nicht zu einer Reform der Kirchenstrukturen, sondern zunächst zu einer Reform des Priestertums auf, da „diejenigen, die die Kirche wirklich reformierten, die Heiligen sind“.

Kardinal Robert Sarah, der ehemalige Präfekt der Gottesdienstkongregation, spricht in einem Interview mit der katholischen Zeitschrift „Famille chrétienne“ über sein Motiv, sein neues Buch (Pour l’éternité. Méditations sur la figure du prêtre“) der Persönlichkeit des Priesters zu widmen. Er wolle mit der Neuerscheinung „meine Verbundenheit mit den Priestern, und meine Ermutigung für die Priester zum Ausdruck bringen, die in Schwierigkeiten sind – ich habe erfahren, dass Priester in Frankreich bis zum Suizid gegangen sind“, aber auch für all jene, die „noch immer sehr tapfer“ seien und „von ihrem Priestertum ganz überzeugt“.

Eine priesterliche Krise

Es gehe darum, sie dazu anzuspornen, „Gott nicht zu verlieren, den Mut zu haben, Christus zu folgen, wie sie es von Anfang an, an ihrem Tag der Weihe, auf sich genommen haben“. Denn die Krise, die wir heute in der Kirche durchlebten, stellt der Kardinal fest, „hängt entscheidend von der priesterlichen Krise ab“.

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Kardinal Sarah ruft nicht zu einer Reform der Kirchenstrukturen, sondern zunächst zu einer Reform des Priestertums auf, da „diejenigen, die die Kirche wirklich reformierten, die Heiligen sind“. Als Beispiel dafür könnten Martin Luther und der heilige Franz von Assisi dienen: „In ihrer Zeit gab es damals die gleichen Skandale und die gleichen Schwierigkeiten, noch an die Kirche zu glauben, doch der eine wollte die Strukturen reformieren, indem er aus der Kirche austrat, wohingegen der andere das Evangelium radikal leben wollte. Es ist die Radikalität des Evangeliums, die die Kirche reformieren wird, es sind nicht die Strukturen“.

Damit meine er aber nicht, dass die Strukturen überflüssig seien: „Die Organisation ist nützlich, in der Gesellschaft, aber sie steht nicht an erster Stelle“. Das Wichtigste aber seien die ersten Worte Christi im Markus-Evangelium: „Bekehrt Euch und glaubt an das Evangelium“. Es sei „Christus, der unser Friede ist und brüderlichere Beziehungen zwischen den Menschen schafft – es sind nicht die Strukturen. Diese sind übrigens oftmals eine Gefahr, weil wir uns hinter ihnen verstecken“. Gott ziehe nicht eine Bischofskonferenzen oder Synode zur Rechenschaft – er verlange von den Bischöfe Rechenschaft: „Wie habt Ihr Eure Diözese geleitet, wie habt Ihr Eure Priester geliebt, wie habt Ihr sie spirituell begleitet?“

Von Missbrauch "zutiefst verletzt" fühlen

Zu den Enthüllungen über die von einem kleinen Teil der Priester verübten Missbräuche meint Kardinal Sarah: „Wir müssen uns zutiefst verletzt fühlen und darunter so leiden, wie Christus litt, als Judas ihn verkauft, als Petrus ihn verleugnet hatte. Wir dürfen keine Angst vor der Wahrheit haben. Man muss untersuchen, was echt ist. Diese Forderung ist gerecht, denn die Kirche muss ein Vorbild sein, die Priester müssen Vorbilder sein, und ein einziger Missbrauchsfall wäre zu viel“. Wir müssen, so Sarah weiter, „den Sinn von Buße und Zerknirschung wiederfinden“. Wir dürften uns aber „nicht von der Entmutigung unterkriegen lassen. Zunächst, die überwiegende Mehrheit der Priester ist treu geblieben, und dies ist eine Quelle der Danksagung. Ihre tagtägliche und verborgene Treue macht keinen Lärm, aber sie trägt lautlos tiefe Keime der Erneuerung“.

Wie soll auf derartige Missbräuche reagiert werden? Manche wollen, so der Kardinal weiter, „ein ‚neues Priestertum‘ erfinden. Doch da gibt es nichts zu erfinden und nichts umzuwandeln. Es geht darum, vollständig das zu leben, was Christus von uns verlangt. In meinem Buch wollte ich die Heiligen, die Kirchenväter, sprechen lassen. Sie laden uns dazu ein, uns nicht davor zu fürchten, trotz der Schwierigkeiten und Herausforderungen, das Priestertum in Gänze zu leben“. 

Weil manche Männer schlechte Ehemänner oder schlechte Väter sind, müsse man ja auch nicht die Familie oder die Vaterschaft abschaffen. Ebenso verhalte es sich mit dem Priestertum: „Weil manche das Priestertum verfälscht haben, um daraus das Instrument ihrer Perversion zu machen, sollte man das Priestertum selbst nicht verantwortlich für diese Missbräuche machen. Im Gegenteil – unsere Aufgabe besteht darin, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Schönheit des Weihesakramentes, wie Jesus es uns hinterlassen hat, wiederzuentdecken. Haben wir keine Angst davor, zu bejahen, dass die Priester Väter für uns sind, da sie durch die Sakramente die Gnade Gottes vermitteln“. Er habe dieses Buch geschrieben, so Kardinal Sarah, „damit die Laien wie die Priester das wahre, so oft entstellte Antlitz des Priestertums wiederentdecken“.

Gebet und Anbetung sind zentral

Zentral seien Gebet und Anbetung, betont der Kardinal. Doch die Versuchung sei da, „viele Dinge tun zu wollen, Treffen und Sitzungen abzuhalten und pastoralen Verpflichtungen rechts und links nachzukommen… Am Abend des Tages ist man derart müde, dass man nicht mehr die Zeit hat, sich vor den Tabernakel zu knien!“ Doch wenn man so handelt, verliere man als Priester Jesus Christus aus dem Blick. Sarahs neues Werk ist den Seminaristen gewidmet, „weil sie in einem schwierigen Umfeld leben, das sie nicht unterstützt. Sie fragen sich, was aus ihnen wird, und ob die Kirche weiterhin überleben wird. Und ich möchte ihnen sagen: Wenn Christus Dich gerufen hat, wird er Dir auch die Mittel geben, ihm wirklich zu folgen“.  DT/ks

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