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"Macht euch nicht der Welt konform, sondern reformiert euer Denken"

Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Müller äußert sich kritisch zum synodalen Prozess in Deutschland und zur Amazonas-Synode. Der Beitrag im Wortlaut.
Kardinal Gerhard Müller
Foto: Sebastian Kahnert (dpa-Zentralbild) | Kritisiert Amazonas-Synode und "Synodalen Weg": Kardinal Gerhard Müller

1. Die Verweltlichung der Kirche ist Ursache und nicht Ausweg aus der Krise

Wer glaubt, dass "Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen" (Eph 5, 25f), kann nur erschüttert sein über die neueste Nachricht aus Deutschland, dass im Jahr 2018 über 216.000 Katholiken durch erklärten Kirchenaustritt ihre geistliche Heimat aufgegeben und ihrer Mutter im Glauben so brüsk den Rücken gekehrt haben. Mögen die Motive bei den einzelnen Menschen, die durch die Taufe zu Gliedern am kirchlichen Leib Christi wurden, so unterschiedlich sein wie die Menschen einmal sind. Klar ist aber, dass der größere Teil von ihnen die Kirche verlässt in dem selben Geist, wie man die Mitgliedschaft in einem weltlichen Verein kündigt oder sich von seiner angestammten politischen Partei abwendet, von denen man sich entfremdet hat oder von denen  man enttäuscht wurde. Es ist ihnen gar nicht bewusst oder vielleicht auch niemals erklärt worden, dass die Kirche zwar aus mangelhaften Menschen bis hin zu ihren höchsten Repräsentanten besteht, aber in ihrem Wesen und Auftrag eine göttliche Stiftung darstellt. Denn Christus hat seine Kirche eingerichtet als Sakrament des Heils der Welt, als "Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit." (Lumen gentium 1).
Der Verfasser des Hebräerbriefes ist sich der pastoralen Schwierigkeit wohl bewusst, "jene, die einmal erleuchtet worden sind, die von der himmlischen Gabe genossen und Anteil am Heiligen Geist empfangen haben, die das gute Wort Gottes und die Kräfte der kommenden Welt gekostet haben, dann aber abgefallen sind, erneut zur Umkehr zu bringen; da sie den Sohn Gottes noch einmal für sich ans Kreuz schlagen und zum Gespött machen. " (Hebr 6, 4-6).

Der Hauptgrund für das Verlassen der Kirche ohne das Gefühl, sich dabei schwer an der Liebe Christi, unseres Erlösers, zu versündigen und das eigene ewige Heil aufs Spiel zu setzten, ist  die Meinung, die Kirche sei ein weltlicher Verein. Sie wissen nichts von der Heilsnotwendigkeit der pilgernden Kirche, die für jeden, der zum katholischen Glauben gekommen ist, unverzichtbar ist. "Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar 'dem Leibe' nach, aber nicht 'dem Herzen' nach verbleibt." (Lumen gentium 14).

Diese Krise des massenhaften Auszuges aus der Kirche und des Niedergangs des kirchlichen Lebens (geringer Kirchenbesuch, weniger Taufen und Firmungen, leere Priesterseminare, Klostersterben) kann nicht durch eine weitere Verweltlichung und Selbstsäkularisierung der Kirche überwunden werden. Nicht weil der Bischof so nett, schulterklopfend, nahe an den Menschen und um keine Banalität verlegen ist, kommen die Menschen zur Heilsgemeinde Christi zurück oder nehmen fromm an der Feier der Göttlichen Liturgie und den Sakramenten teil, sondern weil sie ihren wahren Wert als Mittel der Gnade erkennen. Mag die Kirche sich auch sekundär als naturreligiöse Lobby der Ökologiebewegung vor einer entchristlichten Welt legitimieren oder als Geld spendende Hilfsorganisation für Migranten andienen, so verliert sie erst Recht ihre Identität als universales Sakrament des Heils in Christus und gewinnt doch nicht die Anerkennung, die sie sich vom links-grünen Mainstream erhofft. Die Kirche kann nur dann den Menschen dienen in ihrer Suche nach Gott und einem Leben aus dem Glauben, wenn sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes allen Menschen das Evangelium verkündet, und sie durch die Taufe zu Jüngern Jesu macht. Sie ist der Leib Christi, sodass Jesus Christus, ihr Haupt, durch sie und in ihr gegenwärtig bleibt bis ans Ende der Welt (vgl. Mt 28, 19f). Christus spricht zu uns im Wort der Predigt, er tauft, firmt, vergegenwärtigt sein Kreuzes-Opfer in der heiligen Messe und schenkt sich uns als Speise zum ewigen Leben, vergibt Sünden, vermittelt den Dienern der Kirche den Heiligen Geist, durch den die geweihten Bischöfe und Priester im Namen Christi, des Hohenpriesters des Neuen Bundes, handeln und ihn sichtbar machen in der Gemeinde (Sacrosanctum concilium 41).

Der sogenannte synodale Weg des kirchlichen Establishments in Deutschland zielt aber auf eine weitere Verweltlichung der Kirche. Anstelle einer Erneuerung aus dem Evangelium mit Katechese, Mission, Seelsorge, Mystagogie der Sakramente setzt man -wie schon seit einem halben Jahrhundert- auf Themen, mit denen man bei der öffentlichen Meinung der westlichen Welt zu punkten meint und bei einem -auf das materialistische Menschenbild verkürzten- Denken anzukommen hofft.

Es geht im Kern (1.) um die Umwandlung des Weihesakraments in ein professionelles System von gut bezahlten Funktionären, (2.) um die Verlagerung der politisch verstandenen "Macht" von den Bischöfen und Priestern auf eine Führungsriege von "Laien" mit der Klausel, dass bei gleicher Qualifikation die Frauen bevorzugt werden. Was stört ist (3.) die als "leibfeindlich" abqualifizierte und mit den Standards der modernen Sexualforschung angeblich nicht kompatible christliche Moral, wie sie sich aus dem neuen Leben in Christus ergibt (vgl. Gal 5, 13-25).

Der Stein des Anstoßes seit der protestantischen Reformation und dem Naturalismus der Aufklärung ist (4.) natürlich der Zölibat der Priester, ebenso wie die evangelischen Räte (Armut, Keuschheit, Gehorsam) des Gott geweihten Lebens.

In einer Kirche, die als bloß menschliche Organisation mit rein innerweltlichen Zielen ihre Identität als Vermittlerin des Heils in Christus aufgegeben und die jeden transzendenten und eschatologischen Bezug auf den kommenden Herrn verloren hat, wird die freiwillige Ehelosigkeit "um des Reiches Gottes willen" (Mt 19, 12), oder "um sich ungeteilt der Sache des Herrn" (1 Kor 7,32) zu  verschreiben, peinlich empfunden wie ein Fremdkörper oder eine Altlast, von der man sich so schnell und gründlich wie möglich befreien muss. Allenfalls kann man einzelnen Exoten dies als masochistische Form extremster autonomer Selbstbestimmung zugestehen.

2. Deutsche und Amazonier in einem Boot

Wie schon bei den Familiensynoden beansprucht "die deutsche Kirche" die Hegemonie über die Weltkirche und preist sich stolz und präpotent als Schrittmacherin für ein mit der Moderne versöhntes Christentum an- dem Brief vom 29. Juni 2019 des Papstes Franziskus "an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland" zum Trotz. Warum man angesichts des desolaten Zustandes der Kirche im eigenen Land sich berufen fühlt, anderen Vorbild zu sein, ist noch nicht bekannt gegeben worden und für den interessierten Beobachter schwer erkennbar. Man benutzt die neutral und schön klingende Vokabel von der "heilsamen Dezentralisierung" (Instrumentum Laboris 126) und der Ent-Romanisierung der katholischen Kirche (früher hieß dies: der antirömische Affekt), meint aber die Alleingeltung einer Amazonasmythologie und westlichen Ökotheologie statt der Offenbarung und die Alleinherrschaft ihrer Ideologen statt der geistlichen Autorität der Nachfolger der Apostel im Bischofsamt. In der katholischen Ekklesiologie geht es aber nicht um eine Machtbalance zwischen Zentrum und Peripherie, sondern um die gemeinsame Verantwortung von Papst, dem die römische Kirche in Gestalt des Kardinalskollegiums und der römischen Kurie zur Seite steht, und Bischöfen  für die Gesamtkirche, die in und aus den Teilkirchen unter der Leitung eines Bischofs besteht (Lumen gentium 23).

Mein Vorschlag: Wenn man in beiden Richtungen wirklich etwas Gutes für die Kirche tun will, dann sollte man sich z.B. der Absetzung von Bischöfen ohne ordentliches kanonisches Verfahren (mit dem Recht der Verteidigung) enthalten oder nicht Klöster ohne Angabe von Gründen schließen, bzw. nicht unter dem Vorwand, keine Filiale Roms zu sein, den Lehr- und Jurisdiktionsprimat des Papstes unterminieren. Dazu gehört auch der christliche Umgang mit denjenigen Mitbrüdern und Mitarbeitern, die sich nichts zuschulden kommen ließen -außer dass sie im Rahmen der legitimen Pluralität der Meinungen und Stile-  eine Position vertreten, die von der Privatmeinung der Oberen abweicht.

Der synodale Prozess im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz wird kirchenpolitisch vernetzt mit der Synode für Amazonien und als Hebel zum Umbau der Weltkirche angesetzt. Auch sind bei beiden Veranstaltungen die führenden Personen fast identisch und über die Hilfswerke der DBK auch finanziell und organisatorisch vernetzt. Leicht zu kontrollieren ist die Abrissbirne nicht. Es soll danach nichts mehr so sein, wie es einmal war und man werde die Kirche nicht mehr wiedererkennen, sagte einer ihrer Protagonisten. Man verrechnet sich vielleicht wie einst der König Krösus von Lydien (590-541 v.Chr.), der auf die Frage nach seinen Siegeschancen bei einen Angriff auf das Perserreich auf fatale Weise die Weissagung missverstanden hatte, die ihm das das Orakel von Delphi gab: "Wenn du den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören". Unser Halys ist die göttliche Verfassung der katholischen Kirche in Lehre, Leben und Kult (Lumen gentium).

Leider sind auch im einst fast ganz katholischen Südamerika die Katholiken wie in Deutschland millionenweise aus der katholischen Kirche ausgezogen, ohne das dies zu einer Besinnung auf die Wurzeln dieser Katastrophe und zu einem ernsthaften Willen zu ihrer Erneuerung in Christus geführt hätte. Die Lösung ist auch hier nicht eine Pentekostalisierung der Kirche, d.h. ihre Liberal-Protestantisierung auf lateinamerikanisch, sondern die Wiederentdeckung ihrer Katholizität. Wie die "Heilige Synode" des II. Vatikanischen Konzils mögen die Bischöfe "den katholischen Gläubigen ihre ganze Aufmerksamkeit zuwenden. Gestützt auf die Heilige Schrift und die Tradition lehrt sie, dass diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei. Christus allein ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der Kirche, uns gegenwärtig wird... Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft" (Lumen gentium 14). Katholisch ist nicht die bunte Diversität  widersprüchlicher Meinungen und die Willkür in der Gewissensentscheidung vor dem heiligen Willen Gottes, sondern die Einheit der vielen Völker im Glauben, der uns in die Einheit mit dem Vater und dem Sohn im Heiligen Geist einfügt. "Wie du Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast" (Joh 17,21). Und darum ist uns ins Stammbuch geschrieben: "Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens! Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch  berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist" (Eph 4, 3-6).

Als Ausweg aus der Krise der Kirche wird im Instrumentum Laboris wie beim synodalen Prozess in Deutschland auf eine weitere Verweltlichung der Kirche gesetzt. Wenn man in der Gesamthermeneutik des Christentums nicht mehr bei der geschichtlichen Selbstoffenbarung Gottes in Christus ansetzt, sondern die Kirche und ihre Liturgie einordnet in eine mythologische Sicht auf das Ganze der Welt oder sie zu Funktionen eines ökologischen Programms zur Rettung unseres Planeten macht, dann hängt die Sakramentalität und insbesondere das Weihe-Amt von Bischöfen und Priestern in der apostolischen Nachfolge in der Luft. Wer will schon auf ein solch wackeliges Gestell ein Leben aufbauen, das die Ganzhingabe verlangt?

3. Das Weihesakrament im Brennpunkt der Krise

Indem Christus an seiner messianischen Weihe und Sendung Anteil gibt (Lumen gentium 28), üben die Apostel und ihre Nachfolger im Bischofsamt, das auch das Prinzip der Einheit der Ortskirche mit den Priestern, Diakonen und alle getauften Gläubigen darstellt, ihre Autorität in Namen und der Vollmacht Christi aus (Lumen gentium 20). Es ist nicht eine politisch-soziologische Macht, sondern die im Heiligen Geist verliehene geistliche Vollmacht, das Volk Gottes zu heiligen, zu lehren und zu leiten. "Die Bischöfe haben also das Dienstamt in der Gemeinschaft zusammen mit ihren Helfern, den Priestern und Diakonen, übernommen. An Gottes Stelle stehen sie der Herde vor, deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung." (Lumen gentium 20).

Hier handelt es sich nicht um drei verschiedene Ämter, die durch geschichtliche Zufälligkeiten gebündelt sind, so dass man sie auch wieder auseinandernehmen oder anders zusammensetzen könnte. Auch ist der Vergleich mit der weltlichen Macht absoluter Fürsten, der man nach dem Baron von Montesquieu sinnvoll das Modell der Gewaltenteilung (Regierung, Gesetzgebung, Justiz) entgegenstellt, hier fehl am Platz. Denn es ist der eine Dienst Christi des Lehrers, Hirten und Priesters, der von den Aposteln und ihren Nachfolgern im Namen Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes ausgeübt wird und zwar nicht als Macht über andere, sondern als Dienst des Heiles für andere (Mt 23, 11). Deshalb ist die offen erklärte Bereitschaft einiger Bischöfe, freiwillig "Macht" abzugeben, nicht Ausdruck ihrer Bescheidenheit, sondern eher des Unverständnisses, was überhaupt ein katholischer Bischof ist. Die Art von "Macht", die sie abgeben wollen, sollten sie besser gar nicht besitzen und die geistliche Vollmacht, die sie von Christus in der Weihe empfingen, können sie gar nicht abgeben, weil sie nicht ihr Eigentum ist. Sie könnten sich allenfalls von der Jurisdiktion ihrer Diözese entpflichten lassen, wenn sie nicht mehr in der Lage wären, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Es ist bezeichnend, dass sowohl das Instrumentum Laboris für die Amazonien-Synode wie auch die Deutsch-Synodalen nicht von der biblischen Grundlage ausgehen und sich dann orientieren an der sich entfaltenden Lehre der Kirche in der Tradition und den definitorischen Glaubensentscheidungen der Konzilien und des Papstes. Stattdessen bezieht man seine Normen und Regeln von den soziologischen Notwendigkeiten der globalen Welt oder den traditionellen Organisationsformen amazonischer Volksstämme.

Wenn man dort angesehene Männer in stabilen Partnerbeziehungen (ob kanonisch gültig verheiratet oder nicht?) zur Versorgung (!) der Gemeinschaft mit den Sakramenten zu Priestern weiht auch ohne theologisches Studium (IL  129, 2), warum soll das nicht der Hebel sein, auch in Deutschland endlich die viri probati einzuführen, wo der Zölibat keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr hat und viele verheiratete Theologen bereitstünden, um als Priester die Lücken im zölibatären Klerus zu füllen. Aus der Bestellung der " sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Wahrheit " (Apg 6,3) zum Dienst an den Tischen (Apg 6, 1-7), die man später auf die Amtsstufe der sakramental geweihten Diakone bezogen hat, kann man nicht die amtstheologische Folgerung ziehen, dass die Kirche jederzeit und überhaupt neue sakramentale Ämter aus soziologischen Notwendigkeiten schaffen könnte (IL 129). Das dreistufige Weihe-Amt ergab sich einerseits aus der notwendigen Nachfolge der Apostel in ihrem Auftrag, das Evangelium zu verkünden, die Gnade sakramental zu vermitteln und als gute Hirten die Herde Christi zu leiten und andererseits aus der Herausbildung der Teilkirchen als Repräsentanz der universalen Kirche vor Ort. Hier ist nun Einer der Priester der Erste des Kollegiums der Presbyter zusammen mit den Diakonen, der ab dem 2. Jahrhundert mehr und mehr exklusiv "Bischof" genannt wird (Ignatius von Antiochien, Mag. 6,1). Im Bischof ist die Einheit der Ortskirche sakramental repräsentiert und die Einheit mit dem apostolischen Ursprung sichtbar, insofern die Gesamtheit der Bischöfe mit dem Papst an der Spitze dem Kollegium der Apostel mit Petrus an der Spitze nachfolgt (1. Clemens-Brief 42-44; Lumen gentium 20ff).

4.  Ein sakramentales Amt für Frauen?

Das -geschichtlich aus dem von Christus gestifteten Apostolat in der frühen Kirche gewachsene- dreistufige Amt besteht kraft "göttlicher Einsetzung" (Lumen gentium 20) und wird von denen ausgeübt, die gemäß  der geltenden Terminologie "Bischöfe, Presbyter/Priester, Diakone heißen" (Lumen gentium 28). In besseren Zeiten stellten die deutschen Bischöfe einstimmig gegen den Kulturkämpfer Bismarck fest: "Die Kirchenverfassung beruht in allen wesentlichen Punkten auf göttlicher Anordnung und ist jeder menschlichen Willkür entzogen" (DH 3114). Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass die Ämter von Bischof, Priester und Diakon nur die Stufen des einen Sakramentes der Weihe sind.  "Niemand darf daran zweifeln, dass die heilige Weihe wahrhaft und in eigentlichem Sinne eines von den sieben Sakramenten der heiligen Kirche ist- unum ex septem sacramentis." (Trient, Dekret über das Weihesakrament: DH 1766; 1773).
Deshalb hat es keinen Sinn, in "Ordinatio sacerdotalis" (1994) die spitzfindige Interpretation hineinzutragen, hier sei nicht über das unteilbare Weihesakrament als Ganzes, sondern lediglich über die Stufen des Bischofs- und Presbyteramtes entschieden worden, die zu empfangen nur Männern vorbehalten ist.

Bei der theologischen Analyse des dogmen- und kirchengeschichtlichen Befundes im Zusammenhang der verbindlichen Aussagen zum Weihesakrament ergibt sich in aller Klarheit, dass die sakramentale Weihe in dem Grad mit dem amtlichen Titel "Diakon" in der katholischen Kirche nicht und nie Frauen gespendet wurde. Es ergibt sich aus der "göttlichen Verfassung der Kirche" wie Papst Johannes Paul II. verbindlich entschieden hat, dass die Kirche keine Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden. Dies ist nicht den historischen Umständen geschuldet, sonder ergibt sich aus der göttlichen Verfassung der Kirche. Das gilt selbstredend für alle drei sakramentalen Grade. Da sich im allgemeinen Bewusstsein und Sprachgebrauch der Kirche das offene Wort "Diener" in der griechischen Version "Diakonos" als Terminus technicus für die erste der drei Weihestufen eingebürgert hat, ist es nicht sinnvoll, nun von weiblichen, nichtsakramentalen Diakoninnen zu sprechen und dabei die Fiktion aufzubauen, es handle sich nur um eine Wiederbelebung des untergegangenen – nur zeitweise und lokal begrenzten – Instituts der altkirchlichen Diakonissen. Auch widerspricht es dem Wesen des bischöflichen und priesterlichen Dienstes, wenn er nur auf die Heiligung beschränkt wird, so dass man die Predigt in der von dem Priester oder dem Bischof gefeierten Messe Laien, d.h. Männern und Frauen in einem nichtsakramentalen Dienst, überlassen könne.

Damit würden die Priester zu Altaristen*, was damals den Protest der Reformatoren auslöste. Die Messe ist als Liturgie des Wortes und des Leibes und Blutes des Herrn "ein einziger Kultakt" (Sacrosanctum concilium 56), und darum ist es Sache der Bischöfe und Priester zu predigen und allenfalls gelegentlich dem geweihten Diakon die Predigt zu übertragen. Der Dienst am Wort und Sakrament ist eine innere Einheit. Das hauptsächlichste Amt der Bischöfe ist die Verkündigung, woraus sich mit innerer Konsequenz auch die sakramentalen Aufgaben ergeben (Lumen gentium 25). Wie die Apostel "Diener des Wortes" (Lk 1,2; Apg 6, 2) sind, so ist auch die Aufgabe der Priester (Bischöfe, Presbyter) als Dienst am "Wort und an der Lehre" (1 Tim 5,17) bestimmt. In der Weihe werden nicht einzelne Vollmachten ohne ihre innere Ordnung übertragen. Es ist der eine Dienst am Wort, durch den die Kirche gesammelt wird als Gemeinschaft des Glaubens, in dem die Sakramente des Glaubens gefeiert werden und durch den die Herde Gottes von den bestellten Hirten im Namen und der Autorität Christi geleitet wird. Deshalb sind die priesterlichen Ämter in Lehre, Kult und Leitung in der Wurzel eins und unterscheiden sich nur durch die theologischen Aspekte, unter denen wir sie betrachten (Presbyterorum ordinis 4-6). Bei der ersten Beschreibung des Ritus der Messe in Rom um das Jahr 160 n.Chr. heißt es beim Märtyrer und Philosophen Justin, dass während der Sonntagsliturgie nach den Lesungen aus den biblischen Büchern der Vorsteher (Bischof, Presbyter) die Predigt hält und dass er danach die Eucharistie feiert mit Offertorium, Konsekration und Kommunion (vgl. Justin, II. Apologie  65-67).

Die Sakramente sind Zeichen und Werkzeug der göttlichen Gnade, wodurch Gott den einzelnen Christen und die Kirche als ganze aufbaut. Deshalb  kann man bei weltlichen Instanzen nicht die Weihe (weder als Mann noch als Frau) in Namen der Menschenrechte einklagen, denn die Menschenrechte sind in der Natur des Menschen Grund gelegt. Für die Ordnung der Gnade und der von Gott gestifteten Kirche hat die zivile Autorität jedoch keinerlei Kompetenz.

Geweiht werden kann nur ein Katholik männlichen Geschlechtes, wenn er berufen ist, und wenn die Kirche, repräsentiert durch den Bischof, die Berufung als echt anerkennt und einen geeigneten Kandidaten nach den kanonischen Bedingungen zum Bischof, Priester oder Diakon weiht. Mit dieser Einsicht haben nur diejenigen Schwierigkeiten, die in der Kirche allenfalls ein weltliches Gebilde sehen und in der Folge das Weihe-Amt nicht als göttliche Stiftung anerkennen, sondern den christlichen Amtsträger auf den Funktionär einer religiös-sozialen Organisation reduzieren. Wäre das der Fall hätte man die Gläubigen nicht ermahnen können:  "Gehorcht euren Vorstehern und ordnet euch ihnen unter, denn sie wachen über eure Seelen und müssen Rechenschaft darüber ablegen; sie sollen das mit Freude tun, nicht mit Seufzen, denn das wäre zu eurem Schaden." (Hebr 13,17).  

Da das Lehramt des Papstes und der Bischöfe keine Vollmacht über die Substanz der Sakramente hat (Trient, Dekret über die Kommunion unter beiderlei Gestalten, DH 1728; Sacrosanctum concilium 21), kann auch keine Synode mit und ohne den Papst, auch kein ökumenisches Konzil oder der Papst allein, wenn er ex cathedra spräche, die Weihe von Frauen zum Bischof, Priester und Diakon ermöglichen. Dies stünde in einem Gegensatz zur definierten Lehre der Kirche. Sie wäre ungültig. Davon unberührt ist die Gleichheit aller Getauften im Leben der Gnade und der Berufung zu allen kirchlichen Ämtern und Funktionen, zu deren Ausübung das Weihesakramentes nicht erforderlich ist.

5. Worauf es beim priesterlichen Dienst ankommt

Im Laufe der 2000 Jahre ihrer Geschichte haben sich die kulturellen Konstellationen und die politisch-soziologischen Bedingungen für das Leben der Kirche immer wieder auch z.T. dramatisch verändert. Der priesterliche Dienst hat sich im wesentlichen nicht geändert, ob dies unter den Bedingungen einer Feudalgesellschaft war oder des germanischen Eigenkirchenwesen, ob zu Zeiten der Einrichtung der Hof- und Fürstbischöfe oder des Petrus-Amtes mit den Vorzügen und Lasten des Kirchenstaates bis 1870. Wie heute ist er im wesentlichen Dienst am Wort und den Sakramenten zum Heil der Welt und er ist Sorge des Hirten, der wie Jesus, "der Hirt und Bischofs eurer Seelen" (1Petr 2,25), der "oberste Hirt", sein Leben hingibt für die ihm anvertrauten Schafe (1 Petr 5, 1-4). Die Substanz der Sakramente entzieht sich der Vollmacht der Kirche. Und man kann nicht  mit isolierten Elementen aus Schrift und Tradition und bei Nichtunterscheidung von dogmatisch verbindlichen Entscheidungen  und Entwicklungen in Nebensachen sich jeweils ein neues Modell von Priestertum zusammenbasteln. Nicht die von Pastoralstrategen entwickelten Priesterbilder sind wichtig, sondern nur das eine Bild Christi, des Hohepriesters des Neuen Bundes, das der Seele des Geweihten unauslöschlich eingeprägt ist und in dessen Namen und Kraft die Bischöfe und Priester die Gläubigen heiligen, lehren und leiten (Presbyterorum ordinis 2; 12).

Wenn  die zentrale Aussage, dass die Priester kraft des in der Weihe empfangenen Prägemals wie die Apostel "in persona Christi" (2 Kor 2, 10; 2 Kor 5, 20), des Hauptes der Kirche handeln (Presbyterorum ordinis 2), als Ursache des Klerikalismus diffamiert wird, die sogar zu Sexualverbrechen an Jugendlichen führen soll, wie Vordenker des synodalen Prozesses fabulierten, dann ist dies nicht nur eine unglaubliche Beleidigung der vielen eifrigen Seelsorger. Dies heißt vielmehr, Jesus direkt Lügen zu strafen, der nach den 12 Aposteln auch zu den anderen 72 Jüngern gesagt hat: "Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat." (Lk 10,16).  Ein deutscher Liturgie-Professor setzte sich unfreiwillig selbst in ein schlechtes Licht und offen in Widerspruch zum II. Vatikanischen Konzil, als er die tägliche Feier der Eucharistie, in der sakramental die Hingabe Jesu am Kreuz aus Liebe für die Menschen gegenwärtig wird, als Grund für pädophilen und homophilen Missbrauch der Sexualität ausgeben wollte. Denn das Konzil sagt: "Im Mysterium des eucharistischen Opfers, dessen Darbringung die vornehmliche Aufgabe des Priesters ist, wird  beständig das Werk unserer Erlösung vollzogen; darum ist die tägliche Feier dringend empfohlen." (Presbyterorum ordinis 13).
Wenn im synodalen Prozess in Deutschland nicht auch wesentliche Themen der Glaubensvermittlung zur Sprache kommen, wird der Niedergang mehr und mehr beschleunigt.

Vielleicht sind wir auf dem Weg zur "kleinen Herde". Aber dieses Wort Jesu ist nicht soziologisch gemeint und hat nichts mit kleinen und großen Zahlen zu tun. "Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur  Erkenntnis der Wahrheit gelangen" (1 Tim 2,4) durch den einen Mittler Christus Jesus, und dass sie leben im "Haus Gottes, welches die Kirche des lebendigen Gottes ist, Säule und Fundament der Wahrheit" ( 1 Tim 3,15). Die Kirche ist Volk Gottes inmitten der Völker. Und wenn in einer Nation die Mehrzahl der Menschen katholisch ist und damit auch die Gemeinschaft und der Staat von christlicher Kultur durchdrungen sind, ist dies durchaus der Wille Gottes.  "Kleine" Herde sind wir in der Mehrheit oder Diaspora immer, weil das Christsein in der Nachfolge des gekreuzigten Herrn nicht eine Frage der Anpassung an die Leitkultur oder des Widerspruches zu ihr ist, sondern der persönlichen Entscheidung und freiwilligen Nachfolge des gekreuzigten und auferstandenen Herrn..

Es ist sicher so schön am Rhein zu sein und vom Amazonas zu träumen. Aber   Eindrücke von majestätischen Strömen können die Sehnsucht des Herzens nach  der Ruhe in Gott nicht stillen und ihre Wasser den Durst nach ewigem Leben nicht löschen. Nur das Wasser, das uns Jesus, das Fleisch gewordene Wort Gottes, gibt, wird in uns zur "Quelle, die ins ewige Leben fließt". ( Joh 4,14).

* Altarist ist die abschätzige Bezeichnung für einen Pfründeninhaber, der seine Messe persolviert ohne sich um Predigt und Seelsorge zu kümmern. Also ein Missstand, den Luther gesehen und zur Polemik ausgenützt hat.

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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