Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung 70 Jahre Tagespost

Es entsteht Neues

Die Stimme der Tagespost muss weithin vernehmbar sein. Von Norbert Neuhaus
Norbert Neuhaus.
Foto: J. Dombrowski | Norbert Neuhaus.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Autoren und Leser der Tagespost,

wir sind hier zusammengekommen, um einen Geburtstag zu feiern, den 70. Geburtstag der letzten verbliebenen unabhängigen katholischen Zeitung in Deutschland. Hierzu darf ich Sie, liebe Anwesende, auch im Namen der Johann Wilhelm Naumann Stiftung, deren Vorsitzender ich bin, ganz herzlich begrüßen. Seit Mitte 2017 ist ja die Johann Wilhelm Naumann Stiftung Eigentümerin der Tagespost. Der Echter Verlag hatte seine Anteile an die Stiftung übertragen. Und wir bemühen uns seitdem nach Kräften, den Abwärtstrend der letzten 15 Jahre umzudrehen und die Zeitung und die katholische Publizistik wieder zu altem Glanz zurückzuführen. Die ersten Ergebnisse nach einem Jahr ermutigen uns.

Als Johann Wilhelm Naumann vor 70 Jahren die Tagespost gründete, befand sich Deutschland nach dem Weltkrieg mit seinen Zerstörungen an einem Neuanfang. Aber alle Not hatte auch etwas Positives: Die Menschen hatten in Krieg und Bombennächten wieder beten gelernt. Der Widerstand gegen das NS-Regime, aber auch die Scham über die Untaten im Namen des deutschen Volkes hatte die Menschen aufgerüttelt und machte sie offen für die Botschaft des christlichen Glaubens. Wir erlebten jedenfalls eine Renaissance des kirchlichen Lebens. Das war in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Johann Wilhelm Naumann und Die Tagespost haben dazu einen nicht unwichtigen Beitrag geleistet.

70 Jahre davor – wir erinnern uns. Es war auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes. Da schlug der hl. Arnold Janssen, der Gründer des Steyler Ordens und Patron des modernen Medienapostolates, dem damaligen Kölner Erzbischof Melchers die Gründung eines Missionsordens vor. Die Reaktion des Erzbischofs war: „Wir leben in einer Zeit, wo alles wankt und unterzugehen scheint, und da kommen Sie und wollen noch etwas Neues anfangen?“ Die Reaktion von Arnold Janssen war: „Gerade weil so vieles zugrunde geht, muss an anderer Stelle Neues entstehen!“ Die Zeit des Kulturkampfes war auch die Zeit der Gründung der Goerres-Gesellschaft, eines Zusammenschlusses von katholischen Intellektuellen, um sich gegenseitig zu stützen, eine Plattform zu bilden, auf der sich katholische Intellektuelle in einem liberal und protestantisch geprägten Wissenschaftsbetrieb Gehör und Beachtung verschaffen können. Gerade weil so vieles zugrunde geht, muss an anderer Stelle Neues entstehen!

Plattform für katholische Intellektuelle

Das war die Antwort des hl. Arnold Janssen. Dieser Überzeugung folgen auch wir. Wir stehen heute in Deutschland vor einem Epochenwechsel in den kirchlichen Strukturen. Noch fließt die Kirchensteuer, aber nur noch knapp die Hälfte der Deutschen gehören einer der beiden Großkirchen an. Die alte Volkskirche schrumpft zusammen. Die territoriale Organisation der Kirche mit ihren Pfarrgemeinden steht vor radikalen Veränderungen. Gleichzeitig gibt es aber auch Aufbrüche spiritueller Art. Kirche wird wieder mehr Gemeinschaft von lebendigen Gläubigen und weniger territoriale Pfarrgemeinde. Die Neuen Medien erlauben ganz andere Formen der Kommunikation, wo das Territorium zwar immer noch wichtig, aber an Bedeutung verliert. Ich denke nur an die Gemeinde von Radio Horeb oder von EWTN, um nur zwei Medien zu nennen. Die Zeichen stehen auf Vernetzung und Kooperation. Mit unserer Internetredaktion und unserem Nachrichtendienst für Radio Horeb gehen wir hier neue Wege.

Und ein Zweites: Bei vielen unserer Landsleute herrscht eine mehr oder weniger ausgeprägte Angst vor der Überfremdung, vor einer schleichenden Islamisierung gar. Ist diese Angst begründet? Ich meine nein. Sie ist aber Ausfluss fehlender Glaubensstärke und einer fehlenden Glaubens- und Kulturvergewisserung. Wenn wir uns von unseren christlichen Wurzeln entfernen und in eine Welt des Relativismus, der Beliebigkeit und der Konsumorientierung eintreten, dann kann eine derartige Angst aufkommen, weil wir nicht mehr auf festem Boden stehen, sondern unser Haus auf Treibsand gegründet haben.

Wenn wir uns aber wieder vergewissern, welches die Grundlage unserer Hoffnung und Freude ist, und bewusst und offen, ohne Angst vor den Anfeindungen, unseren christlichen Glauben in der Praxis leben und dafür einstehen, dann brauchen wir keine Angst vor Überfremdung zu haben. Im Gegenteil, viele Muslime in unserem Land suchen nach authentischen Christen und sind für die Botschaft Christi aufgeschlossen. Wir müssen den geschichtlichen Kairos auch für die Glaubensverkündigung nutzen und nicht nur sozial integrieren!

Für diese Vergewisserung bezüglich des Glaubens und der christlich-abendländischen Kultur brauchen wir aber auch Hilfestellungen, Informationen, kompetente Vordenker, die fachkundig mit christlichem Profil Orientierung geben und eine Plattform, wo diese aktuellen Informationen sicher zu finden sind. Wir müssen der katholischen Stimme wieder Gewicht in der Öffentlichkeit geben, damit diese Orientierung viele Menschen in diesem Lande wieder erreicht. Die stabilisierenden und sinnstiftenden Milieus sind weggebrochen, die Mainstream-Medien bieten weitgehend nicht die Orientierung, die wir als Katholiken in ethischer und spiritueller Hinsicht brauchen. Und wir müssen katholischen Intellektuellen eine Plattform bieten, wo sie ihre Stimme erheben können.

Und ein Drittes: Rod Dreher weist in seinem Buch „Die Benedikt Option – eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft“ (die deutsche Ausgabe des Buches ist erschienen im fe-Verlag) auf ein Phänomen hin. Er nennt es den „Moralistisch-Therapeutischen Deismus“ der auf 5 Grundsätzen fußt: 1. Gott existiert. Er hat auch die Welt erschaffen und hält sie in Ordnung und er wacht sogar über das Leben der Menschen. 2. Gott will, dass die Menschen gut, freundlich und fair miteinander umgehen, wie es die Bibel und die meisten Weltreligionen lehren. 3. Das wesentliche Ziel des Lebens ist es, glücklich und mit sich selbst im Reinen zu sein. 4. Es ist nicht nötig, Gott einen besonders bedeutenden Platz im eigenen Leben einzuräumen, außer man braucht ihn, um ein Problem zu lösen. 5. Gute Menschen kommen in den Himmel, wenn sie sterben. Das ist so allgemein die Überzeugung vieler, egal ob konservativ oder progressiv. Es klingt ja auch recht gut. Aber geht es im Glauben wirklich nur um das eigene Selbstwertgefühl und darum, das subjektive Glücksgefühl zu steigern? Ist das der Inhalt des Christentums? Geht es nicht vielmehr um Heiligkeit, um aufopferungsvolle Liebe und Reinheit des Herzens? Um Tugenden, wie z. B. die Großherzigkeit, die Wahrhaftigkeit, die Loslösung? Um Reue, Schuld und Vergebung, Buße und dem Sinn des Leidens und des Kreuzes, kurz gesagt, um Erlösung und um die Überwindung der Folgen der Sünde?

Eine Untersuchung über die moralischen Anschauungen von 18- bis 23-Jährigen in den USA ergab, dass nur 40 Prozent der befragten jungen Christen angaben, ihre persönlichen Moralvorstellungen gründeten auf der Bibel oder irgendeiner anderen Form religiösen Bewusstsein. Die Studie kommt schließlich zum Schluss, dass „viele dieser ,Christen' in Wirklichkeit entschiedene moralische Individualisten sind, die eine kohärente biblisch begründete Moral nicht einmal kennen, geschweige denn praktizieren“. Diese Ignoranz braucht uns nicht zu verwundern. Woher sollen die jungen Leute es dann auch wissen?

Zwei Generationen verfehlter Katechese

Nach zwei Generationen verfehlter Katechese und Bombardierung mit anderen Lebensentwürfen ist das originär Christliche vielfach in Vergessenheit geraten. In der breiten Bevölkerung ist das Wissen um die wesentlichen Inhalte des Glaubens und die Begründung der Moral verloren gegangen. Gleichzeitig zeigt aber der Esoterik-Boom, dass hier ein großes Verlangen, eine große Sehnsucht von den christlichen Kirchen nicht ausreichend beantwortet wird.

Was heißt das soeben Gesagte für die Tagespost, deren 70. Geburtstag wir heute festlich begehen?

* Die Tagespost ist die einzig verbliebene unabhängige katholische Zeitung in Deutschland.

* Wir verstehen uns als Plattform für katholische Journalisten und Intellektuelle, die rom- und glaubenstreu sind. Deren Aufgabe ist es, die aktuellen Geschehnisse unter dem Blickwinkel der katholischen Lehre zu ordnen, zu kommentieren und so den Lesern Orientierung zu geben.

* Wir wollen dem katholischen Standpunkt im deutschen Sprachraum wieder eine weithin hörbare Stimme verschaffen.

* Die Tagespost mit ihrem Feuilleton ist ein unschätzbares Bildungsmittel, um den Reichtum der christlich-abendländischen Kultur gerade der jungen Generation wieder zugänglich zu machen. Insofern gehört die Tagespost, gerade jetzt mit ihrer Wochenausgabe, in jedes katholische, ja christliche Haus, das Wert auf niveauvolle Bildung ihrer Kinder legt.

* Wir wollen die Möglichkeiten der Neuen Medien nutzen, um bei der Vernetzung und der Stärkung der verschiedenen Communities, wie man neu-deutsch sagt, zu helfen, um so einer Renaissance des Glaubens in Deutschland den Weg zu bereiten.

Um diese Ziele zu erreichen, benötigen wir Ihre Hilfe, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir brauchen in den nächsten vier Jahren mindestens 5 000 neue Abonnenten, um wirtschaftlich stabil diese soeben skizzierten Aufgaben langfristig erfüllen zu können. Machen Sie bitte Werbung für unsere gemeinsame Sache im Interesse unserer geliebten Kirche, im Interesse unseres Vaterlandes, im Interesse unserer Kinder.

Wie war doch die Antwort des hl. Arnold Janssen auf die Klage des Kölner Erzbischofs: Gerade weil so vieles zugrunde geht, muss an anderer Stelle Neues entstehen!

Dr. Norbert Neuhaus ist Vorsitzender des Stiftungsrats der Johann Wilhelm Naumann Stiftung.

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