Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Krakau

„Wir können nicht die Option ausschließen, dass Putin auch noch die NATO angreift“

Was kann man tun, um den Krieg in der Ukraine und eine drohende Ausweitung der Aggression noch zu stoppen? Ein Interview mit dem polnischen Historiker Prof. Dr. Arkadiusz Stempin von der Jozef-Tischner-Hochschule in Krakau.
Professor Arkadiusz Stempin
Foto: Joanna Batorska | Es wird alles immer schlimmer werden, davon ist Arkadiusz Stempin, Inhaber des Konrad-Adenauer-Lehrstuhls für europäische Integration an der Józef Tischner Hochschule Krakau, überzeugt.

Herr Prof. Stempin, die Welt schaut gebannt auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Das ukrainische Volk bäumt sich tapfer gegen die Russen auf. Doch wie lange noch? Müssen sich die europäischen NATO-Länder Sorgen machen, dass der russische Machthaber Putin eines Tages auch sie attackiert?

Schauen wir, was bisher passiert ist: Noch vor zwei Wochen haben wir einen gänzlichen Angriff auf die Ukraine ausgeschlossen. Vielleicht gibt es einen partiellen Angriff auf das Donbass-Gebiet, hieß es, aber mehr auch nicht. Dann haben wir uns einen klassischen konventionellen Krieg, der auf die ganze Ukraine zielt, nicht vorstellen können. Nun sind wir an dem Punkt angekommen, dass wir erkennen können: unsere Denk- und Mentalitätskonstruktionen aus 70 Jahre Nachkriegszeit müssen ad acta gelegt werden.

Lesen Sie auch:

Was heißt das konkret?

Der ganze Pazifismus, die Achtung vor dem Leben, vor Kunstwerken – unsere Annahme und Überzeugung, dass diese Werte nicht verhandelt werden müssen, sind innerhalb der vergangenen Woche hinweggefegt worden. Von daher können wir nicht die Option ausschließen, dass Putin auch noch die NATO angreift.

Wovon hängt das ab?

Letztendlich davon, ob er eine psychopathische oder paranoide Persönlichkeitsstörung hat. Ein Psychopath würde die NATO wahrscheinlich nicht angreifen. Jemand, der paranoid ist, kann soetwas wagen und damit einen unüberschaubaren Konflikt auslösen.

Wie können die westlichen Politiker dann überhaupt angemessen mit Putin kommunizieren?

Die diplomatischen Konstrukte, die wir für denkbar halten, greifen meines Erachtens in dem Fall zu kurz.

Was bleibt dann noch?

Ich vermute, dass auf der Ebene der Geheimdienste längst Szenarien überlegt werden, wie man Putin als politisch wahnsinnigen Akteur loswerden kann. Dafür gibt es in der Geschichte Beispiele. Ich sage dies als absoluter Gegner von Verschwörungstheorien.

Lesen Sie auch:

Also Option Tyrannenmord?

Ja, das ist ethisch auch vertretbar. Wichtig ist dabei aber die Beantwortung der Frage: wer kann der Ersatzmann sein? Ohne Antwort darauf scheitert so eine Option. Das lehrt die Geschichte.

Wer soll das durchführen?

Ich gehe davon aus, dass die Oligarchen logistisch die Möglichkeit haben, einen Killer auf Putin anzusetzen.  In Absprache mit den westlichen Geheimdiensten.

Letzte Hoffnung Oligarchen?

Im konkreten Fall von Russland im Jahr 2022, ja.


Arkadiusz Stempin hat den Konrad-Adenauer-Lehrstuhl für europäische Integration an der Józef Tischner Hochschule Krakau inne.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Meetschen Angriffskriege Wladimir Wladimirowitsch Putin

Weitere Artikel

Putin feiert seinen Triumph, droht mit einem Weltkrieg und ruft zur Jagd auf "Verräter". Der Westen schwört der Ukraine Treue.
20.03.2024, 18 Uhr
Stephan Baier
Zwischen Russland und dem Baltikum hat sich ein neuer Eiserner Vorhang breitgemacht.
14.04.2024, 09 Uhr
Florian Hartleb

Kirche

Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig