Vergangenen Donnerstag wurden der EU-Kommission die Unterschriften zu einer Petition überstellt, die ein weitreichendes Verbot für Konversionsbehandlungen gegen LGBTQ+-Bürger in der EU fordert. Nur in acht der 27 EU-Länder bestehen bereits Gesetze, die Konversionstherapien einschränken oder verbieten.
Die Forderung der Petition deckt sich mit Plänen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der zuständigen EU-Kommissarin Hadja Lahbib, die mit einer LGBTIQ+-Gleichheitsstrategie bis 2030 unter anderem das Verbot von Konversionstherapien in der EU erreichen wollen.
Wer steht hinter der Petition?
Ins Leben gerufen wurde die Petition von der European Association Against Conversion Therapy (ACT), die 2023 in Frankreich gegründet wurde. Diese Nichtregierungsorganisation hat sich auf die Fahnen geschrieben, nationale LGBTQI+-Vereinigungen EU-weit zu vernetzen, um „gefährliche Praktiken zu bekämpfen, die in Homotransphobie wurzeln“. Hauptorganisatoren sind Mattéo Garguilo und Robin Noël aus Frankreich beziehungsweise Caleb Francesco Stocco aus Italien. Auch der deutsche Politiker Christoph Alms von Bündnis90/Die Grünen befindet sich unter den Organisatoren.
Die Petition wurde im Februar 2024 von der EU-Kommission registriert; die Unterschriftensammlung erfolgte von Mai 2024 bis Mai 2025. Insgesamt sind in diesem Zeitraum über 1,1 Millionen gültige Unterschriften in allen EU-Ländern eingegangen. Gemäß EU-Vorgaben müssen die gesammelten Unterschriften in mindestens sieben Ländern einen länderspezifischen Grenzwert überschreiten. Große Zustimmung fand die Petition vor allem in Frankreich, Belgien und Spanien. Aber auch in Finnland, Irland und den Niederlanden wurden die Grenzwerte deutlich überschritten. Deutschland vervollständigt die Liste der sieben notwendigen Länder, wobei auch die Anzahl der Unterschriften in Italien, Kroatien, Schweden und Slowenien über dem geforderten Grenzwert liegt.
Die LGBTIQ+-Strategie der EU-Kommission
Mit der Registrierung der Petition 2024 hat die EU-Kommission festgestellt, dass diese „weder offenkundig missbräuchlich, unseriös oder schikanös“ ist noch „offenkundig gegen die Werte der Union (...) oder gegen die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Rechte“ verstößt.
Wie schon in den Vorjahren hat die EU-Kommission für den Zeitraum 2026 bis 2030 eine LGBTIQ+-Gleichheitsstrategie entwickelt. Diese sieht unter anderem den Kampf gegen Hassrede und -verbrechen sowie auch gegen Konversionsbehandlungen vor. Genannt wird dabei auch die im Januar 2024 registrierte Petition. Die EU-Kommission hat nun sechs Monate Zeit, auf die Petition zu reagieren. In diesem Zeitraum stellen Vertreter der Initiative diese der EU-Kommission vor und haben die Möglichkeit, dasselbe auch bei einer öffentlichen Sitzung im EU-Parlament zu tun. Die EU-Kommission könnte dann unter anderem einen Gesetzesvorschlag in das Europäische Parlament einbringen.
Rechtslage in Deutschland: Einwilligung des Erwachsenen wird berücksichtigt
Sollte ein EU-weites Verbot gesetzlich verankert werden, würde dies auch die Rechtslage in Deutschland beeinflussen. Dort ist seit Juni 2020 auf Initiative des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) das „Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen in Kraft“, das Konversionsbehandlungen an Minderjährigen generell verbietet sowie auch an Volljährigen, wenn „deren Einwilligung zur Durchführung der Konversionsbehandlung (…) auf einem Willensmangel“ beruht. Auch das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen ist untersagt.
Verstöße gegen Behandlungsverbote werden mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet; bei unerlaubter Werbung, Angeboten oder Vermittlungen wird ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro auferlegt. Nicht nur berufsmäßig handelnde Personen, sondern grundsätzlich alle Menschen, können bestraft werden – bei grober Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht auch Eltern oder andere Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte.
Das Verbot gilt hingegen nicht für Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz (zum Beispiel Exhibitionismus, Pädophilie) und Behandlungen, „die darauf gerichtet sind, die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person zum Ausdruck zu bringen oder dem Wunsch einer Person nach einem eher männlichen oder eher weiblichen körperlichen Erscheinungsbild zu entsprechen.“
Bei seelsorgerischen und psychotherapeutischen Gesprächen gilt das Verbot nur beim Versuch zielgerichteter Einflussnahme auf die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität eines Betroffenen. Die Forderungen der EU-weiten Petition sind weitreichender: Auch bei Erwachsenen soll deren mögliche Zustimmung zur Behandlung für das Verbot keine Rolle spielen.
Internationales Ringen
Derzeit ringen, wie diese Zeitung berichtete, mehrere Länder um den Umgang mit Konversionstherapien. In den USA sind die Gesetzeslage und Bewertungen der Justiz von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich. Das anstehende Verfahren „Chiles vs. Salazar“ könnte für mehr Klarheit sorgen. In Spanien ist eine Verfassungsbeschwerde gegen das 2023 eingeführte Gesetz eingegangen. Auch in Österreich wird derzeit über ein „Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz“ debattiert. Ebenso wird das Thema in Großbritannien, wo ein Verbot geplant ist, diskutiert.
In Deutschland sorgte die Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter“ der DGKJP aus dem Jahr 2023 für Kritik. Nicht jede Psychotherapie solle gleich als Konversionsversuch betrachtet werden, so Tobias Banaschewski vom Zentralinstitut Mannheim. Zudem wurde die unscharfe Unterscheidung der Leitlinie zwischen „stabiler“ Geschlechtsinkongruenz und „vorübergehender“ Geschlechtslosigkeit bemängelt.
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