Die EU-Kommission befasst sich derzeit mit einer Bürgerpetition der Organisation „Against Conversion Therapy“ (ACT), die ein EU-weites strafrechtliches Verbot von Konversionstherapien für Jugendliche und Erwachsene fordert. Das berichtete das Portal „Apollo News“ am Donnerstag.
Sollte die Petition Erfolg haben und ein solches Verbot beschlossen werden, könnten Ärzte und Psychologen noch stärker unter Druck geraten als ohnehin schon durch das 2020 verabschiedete deutsche Gesetz zum Verbot von Konversionsbehandlungen. Demnach könnte schon ein Gespräch mit einem Erwachsenen, der über seine Transsexualität sprechen und damit hadern möchte, theoretisch als strafbar gelten – im schlimmsten Fall mit der Folge von Berufsverboten oder der Schließung von Einrichtungen. Die Unterzeichner der Petition fordern, dass Konversionstherapien entweder im Verwaltungs-, Straf- oder Zivilrecht verfolgt werden.
Zwei mögliche Wege zum Verbot
Wörtlich fordert die Petition ein „verbindliches Rechtsverbot für Konversionspraktiken gegen LGBTQ+-Bürger“. Dafür soll entweder die Gleichstellungsrichtlinie von 2008 so geändert werden, dass Konversionstherapien verboten werden, „und/oder“ sollen diese Praktiken in die Liste der Euro-Straftaten nach Artikel 83 Absatz 1 gemäß Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgenommen werden. Wie „Apollo News“ erläutert, würden damit Konversionstherapien auf eine Ebene mit grenzüberschreitenden Straftaten wie Terrorismus, Menschenhandel, Waffenschmuggel oder Korruption gestellt.
Die Petition deckt ein breites Spektrum ab: „Mentale und physische Manipulationen, psychohypnotische Indoktrinationen (die der Öffentlichkeit meist als ‚Therapien‘ präsentiert werden), medizinische und homöopathische Eingriffe, Exorzismen und andere Behandlungen“ sollen unter Strafe gestellt werden. Dabei sei es unerheblich, ob Erwachsene freiwillig zustimmen. Auch Angebote in der Gesundheitsbranche sollen unter das Verbot fallen.
Wenn Angehörige von Gesundheitsberufen beteiligt sind oder finanzielle Vergütung erfolgt, soll dies als erschwerender Umstand gelten. Therapeuten dürften künftig nicht mehr hinterfragen, ob die Äußerung eines Jugendlichen, trans zu sein, möglicherweise andere Ursachen als eine dauerhafte Dysphorie hat. In Deutschland ist dies bei Jugendlichen – und unter unklaren Bedingungen auch bei Erwachsenen – bereits jetzt mit bis zu einem Jahr Gefängnis belegt.
Wie eine EU-Petition funktioniert
Die Petition der ACT wurde am Montag als gültig anerkannt. Laut einem Bericht von „Euronews“ wurden 1.128.063 gültige Unterschriften eingereicht, womit die formalen Voraussetzungen für eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) erfüllt sind: Mindestens sieben Bürger aus sieben Mitgliedstaaten müssen innerhalb von zwölf Monaten mindestens eine Million gültige Unterschriften gesammelt haben. Ist dies gegeben, ist die EU-Kommission anschließend verpflichtet, die rechtlichen und politischen Möglichkeiten einer Umsetzung zu prüfen. Dafür hat sie sechs Monate Zeit.
Ein Verbot von Konversionsbehandlungen wird in der Fachwelt bereits durch das 2020 eingeführte Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen von vor allem Minderjährigen kontrovers und durchaus kritisch diskutiert. Viele Fachkräfte berichteten, dass sie aus Sorge vor rechtlichen Konsequenzen zurückhaltend agieren, selbst wenn es ausdrücklich nicht um eine Veränderung der Orientierung geht, sondern um die Bewältigung von Konflikten, die für manche gläubige Menschen real bestehen. Zuletzt attestierten Experten der im März 2025 veröffentlichten S2k-Leitlinie zur Geschlechtsinkongruenz und -dysphorie bei Kindern und Jugendlichen mangelnde wissenschaftliche Evidenz.
Kirchen geraten in Konflikt
Nicht zuletzt würde ein noch strengeres Konversionsverbot den Konflikt der christlichen Kirchen vertiefen, die sich dem christlichen Menschenbild verpflichtet wissen, nach dem die Identität eines Menschen aus der Beziehung zu Christus erwächst und nicht von einer sexuellen Orientierung abhängt.
Die ACT ist eine 2023 in Lyon gegründete nichtstaatliche Organisation (NGO), die sich ein verbindliches EU-weites Verbot von Konversionspraktiken zum Ziel gesetzt hat. Dafür arbeitet sie eng mit LGBTI-Organisationen in Europa zusammen und nutzt die Mechanismen der EU-Bürgerbeteiligung. DT/dsc
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