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Wer gewinnt die Katholiken?

Gerade die jüngere katholische Wählerschaft habe immer weniger Berührungsängste mit der Rechten, meint der Politologe Guillaume Bernard. Welche Macron-Herausforderer profitieren davon?
Eric Zemmour, Kandidat für die Präsidentschaft 2022
Foto: IMAGO/Maylo / Starface (www.imago-images.de) | Kandidaten für die Präsidentschaft 2022 präsentieren ihre digitalen Programme im Cirque d'hiver - Eric Zemmour

Rund um den rechten Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour tummeln sich mittlerweile zahlreiche bekannte katholische Politiker. Zuletzt stand die ehemals jüngste Abgeordnete der französischen Nationalversammlung, Marion Maréchal, im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Anfang März stieg sie in den Wahlkampf Eric Zemmours ein und wandte damit ihrer Tante Marine Le Pen und ihrer ehemaligen Partei „Rassemblement National“ endgültig den Rücken zu, nachdem sie bereits 2017 aus der Partei ausgetreten war. Seit ihrem konsequenten Einsatz als Abgeordnete der Nationalversammlung während der großen Demonstrationen gegen die „Homo-Ehe“ 2012/2013 ist die praktizierende Katholikin zur Symbolfigur des jungen Katholizismus in Frankreich geworden.

20 Prozent der Katholiken wählen rechtsnational

Figuren wie die 32-jährige Maréchal sprechen genau jene Wähler an, die möglicherweise den entscheidenden Unterschied im Rennen um die Stichwahl machen. Was zieht gerade junge Katholiken zu dem Polemiker, der sich regelmäßig den Vorwurf des islamophoben Rassisten gefallen lassen muss? Und wie groß ist ihr Gewicht in der kommenden Wahl wirklich?

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Im Gespräch mit der „Tagespost“ analysiert der Politologe und Historiker Guillaume Bernard das Wahlverhalten der regelmäßig praktizierenden Katholiken im Vergleich mit dem Durchschnitt der Bevölkerung. „Menschen, die mindestens einmal im Monat in die Kirche gehen, machen 13 bis 15 Prozent der gesamten Wählerschaft aus.“ In ihrem Wahlverhalten lasse sich eine deutliche Bewegung nach rechts beobachten: „Bis Ende der Neunzigerjahre wählten fünf Prozent der praktizierenden Katholiken die nationale Rechte. Heute sind es 20 Prozent, bei den Wählern unter 35 Jahren sogar 30 Prozent.“

Es sei deutlich erkennbar, meint Bernard, dass gerade die jüngere katholische Wählerschaft nicht mehr die gleichen Berührungsängste mit der Rechten habe wie ihre Elterngeneration. Die Frage sei, wer die praktizierenden Katholiken für sich gewinnen könne, analysiert der Politologe: die bürgerliche „Républicains“-Kandidatin Valérie Pécresse oder die beiden rechten Kandidaten Eric Zemmour und Marine Le Pen.

An Zemmour fasziniert sie das identitäre Moment

Was gerade junge Katholiken zu Zemmour zieht, ist für Guillaume Bernard eindeutig das identitäre Moment. Der Wahlkampfkandidat mit sephardisch-algerischen Wurzeln betont bei jeder Gelegenheit den unverzichtbaren Beitrag des katholischen Christentums zur Identität Frankreichs. An der Person des immigrationskritischen Kandidaten scheiden sich jedoch die katholischen Geister. Für die Chefredakteurin der linkskatholischen Tageszeitung „La Croix“ Isabelle de Gaulmyn instrumentalisiert Eric Zemmour das Christentum im Kampf gegen den Islamismus und das linke Fortschrittsdenken. 

Junge katholische Politiker wie Denis Jordan-Badoual können bei ihrem Favoriten keine Instrumentalisierung ihrer Religion erkennen: „Zemmour sieht im Katholizismus aber nicht nur eine kulturelle Tatsache, sondern auch eine positive Kraft. So wie ich das sehe ist für Zemmour der Katholizismus die Religion, die mit ihren sozialen Werten am besten dazu in der Lage ist, eine ausgeglichene, gerechte und gute Gesellschaft zu formen“, so der 24-Jährige im Gespräch mit der „Tagespost“.  DT/fha

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost, wie Frankreichs Katholiken möglicherweise zum Zünglein an der Waage werden, welches über den Eingang eines Kandidaten in die Stichwahl entscheidet.

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