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Weltweit mehr Opfer weiblicher Genitalverstümmelung als angenommen

Eine neue Erhebung vom Zentrum für Studien des Politischen Islam zeigt dramatische Zahlen. Auch Frauen in Deutschland sind betroffen.
Frau mit Hijab
Foto: imago/Dreamstime | Mehr Frauen als angenommen sind von der weiblichen Genitalverstümmelung betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für das Studium des Politischen Islam International.

Eine neue Studie des Zentrums für Studien des Politischen Islam International (CSPII) beziffert die Zahl der heute lebenden Frauen, die einer weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) ausgesetzt wurden, auf bis zu 304 Millionen. Dies ist deutlich mehr als die bisher vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) geschätzte Zahl von 230 Millionen.

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Das CSPII, eine unabhängige Forschungsorganisation mit Sitz in der Tschechischen Republik, hat in seiner Studie „FGM Index 2025“ Daten aus 77 Ländern analysiert und kommt zu dem Schluss, dass die Praxis der Genitalverstümmelung weiter verbreitet ist als bisher angenommen. Besonders alarmierend sei die Erkenntnis, dass zwischen 77 und 86 Prozent der FGM-Fälle mit islamischen Bevölkerungsgruppen in Verbindung stehen.

Neue Zahlen zeigen globale Verbreitung

Im Gegensatz zu UNICEF, das Daten aus 31 Ländern berücksichtigt, hat das CSPII eine breitere Datenbasis herangezogen. Laut der Studie betrifft FGM nicht nur Afrika und den Nahen Osten, sondern sei zunehmend auch in Europa, Nordamerika und Australien nachweisbar. In Deutschland soll die Zahl der betroffenen Frauen bei etwa 104.000 liegen.

Die Studie identifiziert zudem 20 weitere Länder, in denen FGM vereinzelt vorkomme, für die jedoch keine konkreten Zahlen vorliegen. Besonders besorgniserregend sei die Lage in Brunei, wo Hinweise auf eine hohe FGM-Rate existieren.

Zahlreiche Referenzen in islamischer Lehre

Das CSPII verweist darauf, dass in der islamischen Lehre zahlreiche Referenzen zu FGM existieren. Auch in der islamischen Rechtswissenschaft wird diese Praxis befürwortet. „Aus islamischer Sicht ist die ‘weibliche Beschneidung’ ein integraler Bestandteil des Muslimseins. Der Begriff impliziert eine Gleichsetzung mit der männlichen Beschneidung, die in allen Rechtsordnungen legal ist und allgemein als harmlos und ethisch akzeptabel angesehen wird“, heißt es in der Studie.

Im Anhang der Studie sind mehrere islamische Primärtexte angeführt, die als Grundlage für die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung dienen. Der Koranvers 30:30 wird als indirekter Beleg interpretiert. Dieser Vers ruft die Gläubigen dazu auf, der „Fitrah“ zu folgen. Bei diesem Konzept handelt es sich um eine angeborene Veranlagung zu islamischen Glaubensüberzeugungen, Verhaltensweisen und Praktiken. Dazu zählen insbesondere Vorschriften zur persönlichen Hygiene. Laut Hadithen, einer Aufzeichnung der Worte, Taten und stillschweigenden Billigungen Mohammeds, gehört auch die Beschneidung zu diesen Praktiken.

Eine Hadith nennt die Beschneidung als eine der fünf Praktiken der Fitrah. Ein weitere berichtet von einer Frau, die Mädchen in Medina beschnitt, woraufhin Mohammed ihr empfahl, dies nicht zu übertreiben. Zudem wird in einer anderer beschrieben, dass eine rituelle Waschung (Ghusl) erforderlich sei, wenn „die beiden beschnittenen Teile“ in Kontakt kommen – eine Formulierung, die als Hinweis auf weibliche Beschneidung gedeutet wird.

Die Schafi’i-Rechtsschule betrachtet die Praxis als verpflichtend für Frauen, während sie in der Maliki-Schule als „lobenswert“ (makruma) gilt. In der Hanbali-Schule wird FGM als notwendig angesehen, spätestens ab der Pubertät. In nicht-islamischen Ländern, in denen FGM verboten ist, sehen einige Gläubige einen Konflikt zwischen der Scharia und den säkularen Gesetzen.

Ideologische Hintergründe offen ansprechen

Laut dem Experten für FGM-Forschung und Autor der CSPII-Studie, Julian Flynn, sei eine wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung nur möglich, wenn deren ideologische Hintergründe offen angesprochen würden: „Jede Lösung, die die wahren Ursachen eines Problems nicht berücksichtigt, wird ziemlich wahrscheinlich unwirksam sein.“

Milan Podlipný, Mitbegründer und CEO des CSPII, sieht in der Studie einen dringenden Handlungsaufruf: „Die islamische Lehre rechtfertigt eine Vielzahl von Praktiken, die mit grundlegenden Menschenrechten unvereinbar sind. Wir müssen diese Lehre furchtlos analysieren und konkrete Schritte setzen, um weiteres Leid zu verhindern.“ (DT/jna)

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