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Weiter Terrorgefahr in Syrien

Auch Christen wurden zu Opfern islamistischer Massaker. Innenminister aus Berlin und Wien lassen Syrien-Besuch kurzfristig fallen.
Syrien nach dem Regimewechsel
Foto: IMAGO/Omar Albaw (www.imago-images.de) | Drei Monate nach dem Sturz des Assad-Regimes und trotz offizieller Sicherheitsgarantien an religiöse Minderheiten kommt es besonders in den Gebieten der Alawiten in Syrien nach wie vor zu „Gewalt- und Racheakten.

Wegen konkreter Warnhinweise auf eine terroristische Bedrohung mussten die Innenminister Deutschlands und Österreichs, Nancy Faeser (SPD) und Gerhard Karner (ÖVP), am Donnerstag eine Reise nach Syrien kurzfristig abbrechen. Die beiden Minister, die sich derzeit in der jordanischen Hauptstadt Amman befinden, wollten in Syrien über Sicherheitsfragen und Perspektiven der Rückkehr syrischer Flüchtlinge sprechen.

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Nun ließen sie ihre Reise wegen Sicherheitsbedenken einvernehmlich fallen. „Wegen einer doch sehr dringenden Terrorgefahr haben wir sorgsam abgewogen, was es für die Sicherheit derer auch bedeutet, die uns begleiten, und sind zu der Abwägung gekommen, dass wir die Reise besser absagen“, sagte Faeser.

Drei Monate nach dem Sturz des Assad-Regimes und trotz offizieller Sicherheitsgarantien an religiöse Minderheiten kommt es besonders in den Gebieten der Alawiten in Syrien nach wie vor zu „Gewalt- und Racheakten“, meint der Erzbischof von Homs, Jacques Mourad.

„Es tut mir leid, aber das ist die Realität“

Im Interview mit „Radio Vatikan“ schilderte Mourad seine Beobachtung zu den Massakern an mehr als 1.600 alawitischen Zivilisten: „Schon seit Beginn dieser großen Umwälzungen werden wir Zeugen zahlreicher Gewalt- und Racheakte. Ich habe auch den Eindruck, dass all diese Gewalt geplant und vorbereitet war. Wir haben versucht, auf Versöhnung zu setzen und nach vorn zu schauen, aber das war schon anders geplant. Es tut mir leid, aber das ist die Realität.“ Nach Angriffen von Anhängern des Assad-Regimes auf Kontrollposten in der Küstenregion war es Anfang März zu einer Offensive von Rebellen gekommen. Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) berichtete über die große Zahl der Todesopfer.

Mit diesen Massakern hätte man rechnen müssen, meinte Erzbischof Mourad nun – genauso wie mit den Tötungen einiger Christen: Diese seien aber nicht wegen ihres Glaubens zu Opfern geworden, „sondern weil sie in den Vierteln oder in den Gebieten der Alawiten lebten. Es handelte sich nicht um eine direkte Verfolgung: Es ist nicht dasselbe wie gegen die Alawiten“, erklärte er.

Nicht einmal Muslime wollen die neue Verfassung

Auch die jüngst vorgestellte vorläufige Verfassung für Syrien aus der Feder der früheren HTS-Rebellen lehnt der Geistliche ab: In ihr werde das islamische Recht nun als die wichtigste Quelle für Recht und Justiz bezeichnet. Ebenso enthalte sie keine Zugeständnisse bei Glaubens-, Meinungs- und Pressefreiheit sowie für die Rechte von Frauen. Auch die „Früchte der Demokratie“ seien keinesfalls „in der Verfassung verankert“ worden: „Wir bräuchten Gewaltenteilung im Land, ein unabhängiges Parlament, eine unabhängige Regierung, eine unabhängige Armee, eine unabhängige Justiz“, forderte Mourad. „Ich denke, dass die Mehrheit des syrischen Volkes diese neue Verfassung nicht gutheißt“, folgerte der Erzbischof und fuhr fort: „Sie entspricht nicht den Erwartungen des Volkes.“ Weder Muslime „noch Christen, noch Alawiten, noch Ismaeliten, noch Kurden, noch Drusen – niemand ist mit dieser Verfassung einverstanden.“

Syrien, das nach Jahren des Krieges wirtschaftlich und sozial am Boden liege, brauche neben einer guten Verfassung auch die Einhaltung der seit „vielen Jahren“ erwarteten „Versprechen“ um Finanzhilfen. Mourad betonte: „Es gab so viele Beschlüsse, Millionen und Abermillionen von Euro und Dollar für das syrische Volk bereitzustellen. Wenn die alle eingehalten worden wären, dann gäbe es keine einzige hungernde Familie im Land.“ Zudem müssten auch die internationalen Sanktionen gegen Syrien fallen. Der Erzbischof von Homs bemerkte, dass das Land „ohne die Aufhebung der Sanktionen“ nicht einmal einen kleinen Schritt vorankommen könne.

Kirchenspaltung, aber nicht im Volk

Ähnlich sehe er auch die Lage des Nahen Ostens im Allgemeinen, der sich durch das „Leid der Migration“ von „Christen zu leeren droht“. Das gelte neben Syrien auch für Palästina, das Heilige Land, den Irak und die Türkei. Die Christen, unter denen zwar „konkret eine tiefe Spaltung“ herrsche, würden aber laut Erzbischof Mourad eng zusammenleben: „Hier ist die Bevölkerung wirklich gemischt, ein Katholik ist mit einer Orthodoxen verheiratet oder umgekehrt, wir sind und leben zusammen“. Der Erzbischof von Homs ergänzte: „Im Volk ist die Einheit der Christen längst verwirklicht, aber wenn wir Kirchenführer zusammensitzen, geben wir ein Bild des Schismas und der Kirchenspaltung ab.“  DT/jmo

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