Putins Machtergreifung erfolgte vor fast 23 Jahren mittels des von ihm selbst durch geheimdienstliche Manipulationen ausgelösten zweiten Tschetschenien-Krieges, dem mehr als hunderttausend Menschen zum Opfer fielen. Schon zu Beginn seiner Präsidentschaft wurde sein Regime in ganz Rußland immer brutaler. Von den Menschenrechtlern, mit denen ich damals zusammenarbeitete, wie Molly Riffel, Natalja Estemirowa, Anna Politkowskaja oder Boris Nemzow, lebt kein einziger mehr – sie fielen mysteriösen Attentaten zum Opfer, die nach aller Wahrscheinlichkeit vom Kreml ausgingen. 89 europäischen Politikern, die solche Vorgänge kritisierten, erteilte Putin persönlich 2015 ein bis heute andauerndes Einreiseverbot – darunter auch mir.
Zersplitterung Europas
Wenn der Kremlherrscher in den letzten beiden Jahrzehnten ganz offen über seine beiden wichtigsten Ziele sprach – Zersplitterung Europas und Errichtung einer erneuerten UdSSR namens „Eurasische Union“ –, glaubten ihm weite Teile des westlichen Establishments nicht, selbst als er 2014 völkerrechtswidrig die Krim annektierte und oberflächlich getarnte Soldaten in die Ostukraine entsandte.
Immerhin hat sich das Europaparlament seit Jahren für die Menschenrechtskämpfer in Rußland, für die Freiheit des ukrainischen Volkes und gegen die Abhängigkeit Europas vom russischen Energieriesen Gazprom positioniert. Putin'sche Subversion fraß sich aber tief in unsere Gesellschaft ein – in Politik, Sport, Kulturleben und Wirtschaft. Links- und Rechtsextremisten wurden gleichermaßen finanziert, wenn sie nur nationalistisch oder zumindest anti-europäisch agierten. Selbst unter enttäuschten Christen gelang es Moskau, den Präsidenten als Vorkämpfer christlicher Werte darzustellen.
Mit dem umfassenden Angriffskrieg auf die Ukraine sind Putins Propagandalügen nunmehr für alle sichtbar aufgeflogen.
Der Autor ist Präsident der Paneuropa-Union Deutschland und Beauftragter im CSU-Parteivorstand für Mittel- und Osteuropa.
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