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Voderholzer: „Wer der Debatte ausweicht, ist kein Freund der Demokratie“

Der Regensburger Ortsbischof verteidigt im „Tagespost“-Interview seine gemeinsame Stellungnahme mit Bischof Stefan Oster zur Causa Brosius-Gersdorf.
Marsch für das Leben mit Bischof Voderholzer
Foto: imago stock&people via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Bischof Voderholzer erklärt gegenüber dieser Zeitung, seine und Bischof Osters Stellungnahme habe versucht, „den Kern des Problems zu benennen, nämlich die Gradualisierung der Menschenwürde und ihrer Schutzwürdigkeit“.

In der öffentlichen Debatte um die verschobene Wahl der Potsdamer Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf legt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer nach und wehrt sich gegen Versuche, die Kritiker der Juristin „durch ein durchschaubares Framing in eine bestimmte Ecke“ zu stellen.

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Stattdessen fordert er eine grundlegende öffentliche Debatte, bevor Vertreter eines rechtspositivistischen Begriffs der Menschenwürde ans Bundesverfassungsgericht berufen werden. „Wer einer solchen Debatte ausweicht, ist kein Freund der Demokratie“, so der Regensburger Oberhirte wörtlich im „Tagespost“-Sommerinterview, das am kommenden Donnerstag im Wortlaut erscheinen wird.

Kirchliche Wortmeldungen von Politik kritisiert

Rudolf Voderholzer und Stefan Oster waren die ersten katholischen Bischöfe, die sich in der „Causa Brosius-Gersdorf“ zu Wort meldeten. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme bereits vor der Absage der Wahl schrieben sie: „Wer die Ansicht vertritt, dass der Embryo oder der Fötus im Mutterleib noch keine Würde und nur ein geringeres Lebensrecht habe als der Mensch nach der Geburt, vollzieht einen radikalen Angriff auf die Fundamente unserer Verfassung. Ihm oder ihr darf nicht die verbindliche Auslegung des Grundgesetzes anvertraut werden.“

Jedem Menschen werde im Grundgesetz unabhängig von seiner Lebenssituation Menschenwürde und das Recht auf Leben zugesprochen; Ausschlüsse davon könne und dürfe es unter keinen Umständen geben. „Dies unbedingt zu garantieren, ist die Pflicht des Staates“, so Voderholzer und Oster Anfang Juli. Die „Tagespost“ hatte berichtet.

Seitdem hatten Politiker wie etwa der SPD-Fraktionschef Matthias Miersch scharfe Kritik an kirchlichen Wortmeldungen zur Personalie Brosius-Gersdorf geübt. Mehrere Medien sahen in der Absage der Wahl das Ergebnis einer Kampagne religiöser und rechtspopulistischer Kräfte.

Es gehe um den Kern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Bischof Voderholzer erklärt nun gegenüber dieser Zeitung, seine und Bischof Osters Stellungnahme habe versucht, „den Kern des Problems zu benennen, nämlich die Gradualisierung der Menschenwürde und ihrer Schutzwürdigkeit“. In seinen Ausführungen bezieht sich Voderholzer auf den Staatsrechtler, Rechtsphilosophen, SPD-Politiker und früheren Richter am Bundesverfassungsgericht Ernst-Wolfgang Böckenförde. Dieser habe schon 2003 „alle Versuche, den Art. 1 GG in dieser Hinsicht aufzuweichen, als Abkehr von den Intentionen der Verfasser des Grundgesetzes bezeichnet und dringend davor gewarnt“.

In Bezugnahme auf das bekannte „Böckenförde-Diktum“ erklärt Voderholzer: „Der Begriff der Menschenwürde ist kein juristischer, sondern ein philosophischer Begriff, der zu den „Vorgaben“ gehört, von denen eine freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung lebt, ohne dass sie sie selbst nochmal begründen oder hervorbringen könnte“. Der Begriff wurzele in der Tradition des deutschen Idealismus: „Für Immanuel Kant war evident, dass die menschliche Person ein Zweck an sich selbst ist, der keinen anderen Interessen untergeordnet oder gar geopfert werden darf. Die christliche Perspektive stimmt mit dieser Sicht überein und begründet sie mit Hinweis auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen auch noch religiös.“

Öffentliche Debatte gefordert

Voderholzer identifiziert nun Versuche, diesen Begriff der Menschenwürde „in seiner kategorischen Geltung anzuzweifeln, rechtspositivistisch abzuwägen und konsequentialistisch zu deuten“ und fordert eine öffentliche Debatte. Denn: „Hier geht es um den Kern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dem vom Grundgesetz selbst eine „Ewigkeitsgarantie“ zugesprochen wird“. 

Als Ewigkeitsklausel bezeichnet wird Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes, der bestimmte grundlegende Prinzipien des deutschen Grundgesetzes vor Verfassungsänderungen schützt. Dazu gehört auch der Satz „ Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art 1 Abs 1 GG) . DT/fha 

Lesen Sie das ausführliche Interview mit dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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