Im Vorfeld des Nominierungsparteitags der US-Republikaner in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin, der am 15. Juli beginnt, herrscht unter amerikanischen Lebensrechtlern die Sorge, der künftige republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump könne die Position der Partei in der Abtreibungsfrage aufweichen, um seine Wahlchancen im November zu erhöhen.
Nachdem seit acht Jahren keine Änderungen vorgenommen wurden, soll im Rahmen des Parteitags auch das Parteiprogramm der Republikaner aktualisiert werden. Zahlreiche Abtreibungsgegner und Aktivisten in der Lebensrechtsbewegung fordern Trump und sein Wahlkampfteam aus diesem Anlass auf, keine wesentlichen Änderungen an der Position der Republikaner zum Lebensschutz, wie sie sich bisher im Programm findet, vorzunehmen.
Besorgte Abtreibungsgegner schreiben an Trump
Die „New York Times“ berichtete jüngst über einen Brief führender Konservativer an Trump, in dem diese an den ehemaligen Präsidenten appellieren, er solle deutlich machen, „dass Sie nicht beabsichtigen, den Standpunkt zum Lebensschutz zu schwächen“. Besonderen Wert sollen die Verfasser unter anderem darauf legen, dass sich die Republikaner in ihrem Parteiprogramm weiterhin für einen „Verfassungszusatz zum Schutz menschlichen Lebens“ aussprechen. Zudem müsse aus dem Programm weiter die Auffassung der Partei hervorgehen, dass sich das Verständnis des Begriffs „Person“, wie er im 14. Verfassungszusatz steht, auch auf ungeborene Menschen beziehe.
Zu den Unterzeichnern des Briefs, der auf den 10. Juni datiert ist, gehören laut „New York Times“ unter anderen Marjorie Dannenfelser, Leiterin von „Susan B. Anthony Pro-Life America“, Ralph Reed, Leiter der „Faith and Freedom Coalition“, und Tony Perkins, Vorsitzender des „Family Research Council“. Bei allen handelt es sich um christliche bzw. konservative Organisationen, die sich für den Lebensschutz einsetzen.
Insbesondere Perkins, der auch Mitglied des Komitees zur Ausarbeitung des Parteiprogramms ist, äußerte deutliche Kritik an der bisherigen Kommunikation des „Republican National Committee“ (RNC) – der Parteiorganisation, die den Nominierungsparteitag ausrichtet und die für die Besetzung des Unterkomitees zur Ausarbeitung des Parteiprogramms verantwortlich ist. Perkins mahnte in öffentlichen Äußerungen, die Partei dürfe ihre Position in Sachen Abtreibung nicht zurückfahren und warf Trumps Wahlkampfteam vor, den führenden Vertretern der Lebensrechtsbewegung nicht in ausreichendem Maße erklärt zu haben, wie der Plan für den Wahlkampf aussehe.
Delegierte aus Programmkomitee ausgeschlossen?
Die Maßnahmen der Lebensschützer, um ein Abschwächen des Lebensschutzes im Parteiprogramm zu verhindern, gehen aber über den Brief an Trump hinaus. So starteten prominente Evangelikale und Abtreibungsgegner in den letzten Tagen zahlreiche Kampagnen, Podcasts und Webinare, um ihre ernsthafte Sorge über Trumps Pläne zum Ausdruck zu bringen und so Druck auf den künftigen Präsidentschaftskandidaten auszuüben.
Welches Konfliktpotenzial das Thema besitzt, zeigte sich noch an einem anderen Sachverhalt: Einem Bericht des Online-Magazins „Politico“ zufolge soll das Trump-Lager zwei Delegierte aus dem Bundesstaat South Carolina aus dem Programmkomitee ausgeschlossen haben, da deren Position in der Abtreibungsfrage zu strikt gewesen sei. Ein Vertreter von Trumps Wahlkampfteam dementierte jedoch, dass die beiden Delegierten überhaupt für das Komitee vorgesehen gewesen seien.
Das Programmkomitee tagt bereits ab Sonntag, gut eine Woche vor dem Beginn des Nominierungsparteitags. Für zusätzlichen Unmut sorgt die Entscheidung des RNC, die Gespräche des Programmkomitees hinter verschlossenen Türen abzuhalten. In der Vergangenheit wurden diese Treffen sogar im Fernsehsender C-SPAN übertragen, der ausschließlich über Regierungs- und Gesetzgebungsprozesse berichtet. Perkins, Vorsitzender des „Family Research Council“, kritisierte auch diese Vorgehensweise. Die Gespräche über das Parteiprogramm hinter verschlossenen Türen zu führen schüre nur die Spekulationen, dass das Programm der Republikaner verwässert werde und sich am Ende nur auf wenige, bedeutungslose Punkte beschränke, mit denen man in Umfragen erfolgreich sei, schrieb er in einem Brief an den Vorsitzenden des RNC, Michael Whatley.
Trump gegen landesweites Abtreibungsverbot
Bislang steht im Parteiprogramm der Republikaner, dessen letzte Aktualisierung 2016 vorgenommen wurde, man befürworte Abtreibungsverbote sowohl auf nationaler wie auch auf bundesstaatlicher Ebene. Ein landesweites Verbot solle ab der 20. Schwangerschaftswoche greifen.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Trump machte in der Vergangenheit jedoch mehrmals deutlich, dass er ein landesweites Abtreibungsverbot ablehnt. Dies betonte er jüngst erst in der TV-Debatte mit dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden. Darin bezeichnete Trump die derzeitige Gesetzeslage, die den Bundesstaaten die Kompetenz zuspricht, selbst über ihre Abtreibungsgesetze zu entscheiden, als Lösung, die schon immer von einer Mehrheit favorisiert worden sei. Seit dem neuen Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs in der Abtreibungsfrage vom Juni 2022, das „Roe v. Wade“ ablöste, betrachtet Trump die Frage juristisch als erledigt. Er betonte zudem immer wieder, dass er auch im Falle eines Abtreibungsverbots für drei Ausnahmen sei: im Fall einer Vergewaltigung, von Inzest sowie wenn das Leben und die Gesundheit der Mutter in Gefahr seien.
Der Nominierungsparteitag der Republikaner findet vom 15. bis 18. Juli statt. In diesem Rahmen wird der 78-jährige Trump offiziell zum Kandidaten der Republikaner gekürt. Spätestens bis zum Ende des Parteitags muss auch das Parteiprogramm stehen.
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