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Töten ist nie human

In Alabama soll ein Todesurteil mit Stickstoff vollstreckt werden. Republikanische Amtsträger könnten das verhindern, tun es aber nicht – und zeigen so ihre Doppelmoral.
Demonstration gegen die Todesstrafe in Rom
Foto: IMAGO/Matteo Nardone (www.imago-images.de) | Zu töten kann unter keinen Umständen human sein, auch dann nicht, wenn es um einen Menschen geht, der schwerste Verbrechen begangen hat.Im Bild: Demonstration gegen die Todesstrafe in Rom.

Der geplante Vollzug der Todesstrafe im US-amerikanischen Bundesstaat Alabama sorgt derzeit international für heftige Diskussionen. Der Grund: Zum ersten Mal überhaupt soll der Tod eines Verurteilten herbeigeführt werden, indem dieser über eine Maske Stickstoff einatmet. Menschenrechtsorganisationen, unter ihnen auch die katholische Laienbewegung „Sant’Egidio“, brachten in aller Deutlichkeit ihre Kritik zum Ausdruck und warnten, die Methode könne der Folter gleichkommen.

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Der Verurteilte, Kenneth Smith, soll im Jahr 1988 einen Auftragsmord begangen und eine Frau brutal erstochen haben. Seit 34 Jahren ist der heute 58-Jährige in der Todeszelle inhaftiert. Sämtliche Versuche, die Vollstreckung des Urteils juristisch noch zu verhindern, scheiterten.

Die Todesstrafe bringt keine Gerechtigkeit

Dass sich die republikanische Gouverneurin des Staates Alabama, Kay Ivey, strikt weigert, auf die Appelle von Menschenrechtlern einzugehen und von der grausamen Tötungsmethode Abstand zu nehmen, ist erschreckend. Die gläubige Evangelikale hält die Strafe vielmehr für angemessen, da Smith sein Opfer qualvoll umgebracht habe. Dieser Ansicht möchte man die Worte von Papst Franziskus entgegenhalten, dass die Todesstrafe den Opfern eben keine Gerechtigkeit bringe, sondern Rache fördere. Hinzu kommt: Eine empirische Evidenz, wonach die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Straftäter ausübt, gibt es nicht. 

Alabamas Generalstaatsanwalt Edmund LaCour, ebenfalls Republikaner, nannte die Exekution durch Stickstoff sogar die „schmerzloseste und humanste Hinrichtungsmethode“. Über diese zynischen Worte kann man nur den Kopf schütteln. Denn zu töten kann unter keinen Umständen human sein, auch dann nicht, wenn es um einen Menschen geht, der schwerste Verbrechen begangen hat. Zitat Papst Franziskus: „Das Gebot ,Du sollst nicht töten‘ bezieht sich sowohl auf die Unschuldigen als auch auf die Schuldigen.“ 2018 ließ er sogar den Katechismus ändern. Darin heißt es nun, dass „die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt“.

Das Handeln der Gouverneurin wirkt inkonsequent

Völlig zurecht protestieren zahlreiche republikanische Politiker lautstark gegen Gesetzesvorhaben, die ein wie auch immer geartetes „Recht“ auf Abtreibung propagieren. Dabei weisen sie oft darauf hin, wie inhuman der Akt des Tötens sei. Einen ähnlich entschiedenen Einsatz würde man sich auch gegen die Todesstrafe wünschen, insbesondere wenn sie mit Methoden durchgeführt werden soll, die nicht erprobt und selbst bei Tierversuchen verboten sind. Sonst bleibt ein Eindruck der Doppelmoral zurück, sonst wirkt ihr Handeln inkonsequent.

Doch man muss nicht einmal mit dem Papst oder dem Katechismus argumentieren: Denn auch die amerikanische Verfassung verbietet „grausame und unübliche Bestrafung“. Das betonten auch die Verteidiger des Todeskandidaten. Der Oberste Gerichtshof lehnte es jedoch ab, sich mit dem Fall zu befassen. Alabama hat nun bis Freitag, 12 Uhr, Zeit, um das Urteil zu vollstrecken.  

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