Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung KOMMENTAR UM "5 VOR 12"

Tiefgefrorene Embryonen: Kein bloßer Zellhaufen, sondern Person

Warum das Höchstgericht von Alabama Rechtsgeschichte geschrieben hat.
Das Höchstgericht in Alabama hat entschieden: Eingefrorene Embryonen sind Personen.
Foto: Science Photo Library via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Das Höchstgericht in Alabama hat entschieden: Eingefrorene Embryonen sind Personen.

Das Urteil des Supreme Courts des US-amerikanischen Bundesstaats Alabama ist eine Sensation. Die Höchstrichter des im Südwesten der USA gelegenen Bundesstaates hatten die Schadensersatzklagen dreier Elternpaare zu entscheiden, die sich jeweils einer künstlichen Befruchtung unterzogen und die dabei erzeugten, aber nicht verwendeten Embryonen zur Herbeiführung weiterer Schwangerschaften hatten einfrieren lassen. Bei einem bizarr anmutenden Diebstahlversuch kamen die in Stickstoff tiefgefrorenen Embryonen zu Tode.

Lesen Sie auch:

Was das Urteil der Richter zu einer echten Sensation macht, ist nicht etwa, dass sie den Klägern Schadensersatzansprüche zubilligten, sondern dass sie feststellten, dass auch künstlich erzeugte, außerhalb des Mutterleibs befindliche Embryonen, Personen sind, die dieselbe Würde besitzen, wie alle anderen Menschen und daher auch Anspruch auf Schutz ihres Lebens besitzen. Kritiker des Urteils liegen völlig richtig, wenn sie sich nun ernste Sorgen um die Zukunft der Reproduktionsmedizin in Alabama und darüber hinaus machen. Denn mit dem Urteil werden künstliche Befruchtungen für deren Anbieter zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Bedeutung des Urteils reicht über die Reproduktionsmedizin hinaus

Mehr noch: Das Urteil der Höchstrichter wird in die US-amerikanische Rechtsgeschichte eingehen. Es rekapituliert die dem gesunden Menschenverstand zugängliche und einfache Wahrheit, dass aus einem „etwas“ niemals ein „jemand“ werden kann. Und dass man daher „Person“ entweder „ist“ oder „nicht ist“ (Robert Spaemann). Wenn Menschen Personen sind, dann müssen sie es auch schon im Moment ihrer Entstehung sein. Personsein ist keine Eigenschaft, die einem beim Passieren des Geburtskanals irgendwie zufliegt oder die einem, von wem auch immer, zugesprochen werden könnte. Personsein ist eine Qualität, eine Seinsweise, die es Personen erlaubt, Eigenschaften auszubilden, die es anderen ermöglichen, sie als Personen zu identifizieren.

So gesehen bestätigt das Urteil, was die katholische Kirche in der Enzyklika „Evangelium vitae“ (1995) des heiligen Papstes Johannes Pauls II. sowie in den Instruktionen der vatikanischen Glaubenskongregation „Donum vitae“ (1987) und „Dignitas Personae“ (2008) ausführlich dargelegt hat. Die Bedeutung des Urteils reicht jedoch weit über den Bereich der Reproduktionsmedizin hinaus und dürfte in den künftigen gerichtlichen Auseinandersetzungen in den USA, die sich Abtreibungsanbieter mit Regierungen und Lebensrechtlern liefern, eine wichtige Rolle spielen.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Rehder Embryonen Johannes Paul II. Lebensschutz Päpste Robert Spaemann

Weitere Artikel

Kirche

Das römische Dokument „Dignitas infinita" lädt ein, aus der Fülle der Identität als Erben Christi zu leben, statt eigene Identitäten zu konstruieren. 
26.04.2024, 17 Uhr
Dorothea Schmidt
Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig