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Steht das „Projekt Israel“ auf der Kippe?

Sowohl die Kritik der Vereinten Nationen am Siedlungsbau als auch der innenpolitische Konfrontationskurs der Regierung Netanjahu lassen Israels Zukunft unsicher erscheinen.
Siedlungsausbau im Westjordanland
Foto: Shadi Jarar'ah (APA Images via ZUMA Wire) | Die UN kritisieren, dass die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Schritte zur Erleichterung des Siedlungsausbaus im besetzten Westjordanland gebilligt hat.

Genug ist genug, scheint es gegenwärtig aus New York in Richtung Tel Aviv zu heißen: UN-Generalsekretär António Guterres hat Israels Regierung aufgefordert, „alle Siedlungsaktivitäten in den besetzten palästinensischen Gebieten unverzüglich und vollständig einzustellen". Guterres sei, so sein stellvertretender Sprecher Farhan Haq, zutiefst beunruhigt über die Entscheidung der israelischen Regierung, die Verfahren zur Siedlungsplanung zu ändern. Es sei zu erwarten, dass diese Änderungen das Voranschreiten der israelischen Siedlungspläne im besetzten Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, beschleunigen würden.

Netanjahus Siedlungspolitik erfährt immer deutlichere internationale Kritik

Guterres sei auch zutiefst beunruhigt darüber, dass die israelischen Behörden in der kommenden Woche den Bau von mehr als 4.000 Siedlungseinheiten vorantreiben wollten, sagte Haq laut UN-Mitteilung weiter. Die Siedlungen stellten "eine eklatante Verletzung des Völkerrechts" dar. "Sie sind ein großes Hindernis für die Verwirklichung einer tragfähigen Zwei-Staaten-Lösung und eines gerechten, dauerhaften und umfassenden Friedens."

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Zuvor hatte die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Schritte zur Erleichterung des Siedlungsausbaus im besetzten Westjordanland gebilligt. Der siedlerfreundliche Finanzminister Bezalel Smotrich kündigte an, den Bau Tausender neuer Wohneinheiten im Westjordanland voranzutreiben. 

Israels Demokratie steht am Scheideweg

Gewiss: Weder die Vereinten Nationen noch große Teile der Weltgemeinschaft zeigten sich in den vergangenen Jahren, geschweige denn Jahrzehnten, der einzigen funktionierenden Demokratie im Nahen Osten politisch überwiegend wohlgesonnen – sei es aus einer konstruktiv-kritischen oder schlicht und ergreifend antisemitischen beziehungsweise antizionistischen Haltung heraus. Insofern ist Kritik an Israels politischem Agieren mindestens so alt wie die Existenz des Staates Israel selbst – und auch die nun geäußerte Kritik des UN-Generalsekretärs an Israels Siedlungspolitik könnte mit einem Achselzucken quittiert beziehungsweise als antiisraelisches „business as usual“ betrachtet werden.

Doch auch wohlmeinende Beobachter Israels erkennen, dass das Land gegenwärtig aus mehreren Gründen am Scheideweg steht: Innenpolitisch steht die Regierung Netanjahu weiterhin aufgrund der geplanten Justizreform, die unisono als antidemokratisch betrachtet wird, unter Druck – ebenso wächst der politische, demografische und gesamtgesellschaftliche Einfluss radikaler orthodoxer Juden in einem Maße, der den sich selbst als säkulare Demokratie betrachtende Staat vor große, möglicherweise existentielle Herausforderungen stellt. Und außenpolitisch verbauen nicht nur neben den Anschlägen militanter Palästinenser auf Israel die weitreichenden Siedlungspläne im Westjordanland möglicherweise für immer die Aussicht auf eine wie auch immer geartete friedliche Lösung im Nahostkonflikt. Sondern auch der nach Atomwaffen strebende Iran könnte Israel aus nationalem Interesse in nicht allzu langer Ferne zu einem militärischen Show-down veranlassen – mit unvorhersehbaren Konsequenzen.

Im Nahen Osten stehen Jahre der Entscheidung an – viele politische Entscheidungen, die gegenwärtig getroffen werden, könnten sich aus vielerlei Gründen als fatal herausstellen. So ist es gerade aus europäischer Sicht wichtig, sich dieser politischen und gesellschaftlichen „tipping points“, vor denen vor allem Israel gegenwärtig steht, bewusst zu machen – und die eigene Politik an diese anzupassen.

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