Die Welt steuert auf eine Blockbildung zwischen dem von den USA angeführten Westen und anderen Machtblöcken zu, allen voran China. Die Frage ist, ob diese Welt bi- oder multipolar wird. Die Gefahr eines Aufeinanderprallens rivalisierender Machtblöcke ist nicht von der Hand zu weisen.
Europa kann daran kein Interesse haben, sondern muss anstreben, eine eigene Stimme zu finden. Viele reagieren auf diese Großwetterlage mit der Forderung nach strategischer Autonomie oder strategischen Souveränität. Frankreichs Präsident Macron forderte, Europa dürfe nicht blind „dem amerikanischen Rhythmus“ folgen.
Europa muss seine Interessen erkennen und artikulieren
Doch hat die russische kriegerische Aggression gezeigt, dass die Europäer auf die konventionellen Verteidigungskapazitäten ihres militärischen Bündnispartners, der USA, angewiesen sind. Aufgrund dieses Dilemmas werden Rufe nach einer eigenen einsatzfähigen Armee für Europa laut. In Ungarn wurde diese Forderung von der politischen Führung schon vor Jahren erhoben. Das von Macron vorgebrachte Konzept der strategischen Souveränität beinhaltet auch, dass Europa seine Interessen erkennt, artikuliert und selbstbewusst vertritt. Die Ausgangslage dafür ist denkbar schlecht. Eine Abwendung und Unabhängigkeit von den USA kann nicht im Interesse der Europäer sein. Doch eines Tages werden die Europäer erkennen müssen, dass ihre Handlungsfähigkeit nicht davon abhängen kann, welcher Präsident gerade im Weißen Haus sitzt.
Die Konnektivität ist ein wichtiger Baustein für die zu verwirklichende strategische Autonomie Europas. Notwendig hierfür sind langfristige Kontakte jeder Art zu möglichst vielen globalen Akteuren in möglichst vielen Bereichen. Damit kann sich Europa einen Handlungsrahmen schaffen, um weltweit als Vertreter des Friedens, des Handels und des Respekts aufzutreten. Dies beugt der Blockbildung vor und schafft Sicherheit. Es ist dazu notwendig, dass Europa seine Schwerpunkte, Stärken und Interessen findet, analysiert und umsetzt. Damit kann Europa ein starker Kontinent werden, dem weltweit eine führende Rolle zuwachsen kann.
Der Autor ist Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts in Budapest
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