Nach einem Beschluss des Mainzer Landtags vom 11. September erhält das Bundesland Rheinland-Pfalz das liberalste Bestattungsgesetz Deutschlands. Laut dem Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) sei nach über 42 Jahren ein neuer Rahmen geschaffen worden, „der individuelle Vorstellungen und Wünsche der Menschen im Land mit einem würdevollen Abschiednehmen in Einklang bringt“.
Zukünftig dürfen Tote auch ohne Sarg – zum Beispiel in einem Tuch – beerdigt werden. Mit dem neuen Gesetz wird zudem der Friedhofszwang für die Totenasche weitgehend aufgehoben. Bei einer Feuerbestattung darf die Urne mit der Asche zukünftig mit nach Hause genommen werden. Auch ist es mit der Gesetzesänderung erlaubt, die verbrannten Überreste von Toten außerhalb von Friedhöfen zu verstreuen. In den vier größten Flüssen des Landes Rhein, Lahn, Mosel und Saar sind demnach auch Flussbestattungen möglich. Selbst zu Schmuck darf die Asche von Verstorbenen verarbeitet werden.
Einige Einschränkungen gibt es noch
Einige Einschränkungen gibt es allerdings noch. Die Rheinland-Pfälzer haben nach wie vor nur die Wahl zwischen einer Erd- oder Feuerbestattung. Sogenannte alternative Bestattungsformen wie die Auflösung des Leichnams in einer Lauge sind nach wie vor untersagt. Auch sind die neuen Formen der Bestattung nur dann rechtmäßig, sofern sie von den Verstorbenen ausdrücklich festgelegt worden sind. Ausgeschlossen werden soll hiermit, dass sie ausschließlich gewählt werden, um Geld zu sparen. Zudem soll die gesetzliche Neuerung nur für die Einwohner von Rheinland-Pfalz gelten. Somit soll verhindert werden, dass sich dort Menschen aus anderen Bundesländern aufgrund der Lockerungen beerdigen lassen.
Scharfe Kritik an den Reformen kam von dem CDU-Abgeordneten Christoph Gensch. „Herr Minister, Sie sind der Totengräber unserer Friedhöfe“, sagte er in der Landtagsdebatte. „Mit der Abschaffung der Friedhofspflicht schafft die Landesregierung mittelfristig die Friedhöfe ab", äußerte Gensch gegenüber dieser Zeitung. Er hoffe, dass Rheinland-Pfalz im konkreten Fall kein Vorbild für andere Bundesländer sei. Laut Gensch würden arme Menschen in Zukunft schneller aus dem Gedächtnis verschwinden. „Sie haben keinen Ort mehr, der den Tod überdauert“, so der 47-Jährige.
Thema ist noch nicht abgeschlossen
Ein weiterer Kritikpunkt der Christdemokraten betraf die mangelnde Einbindung gesellschaftlicher Gruppen bei einer so sensiblen Frage wie der Bestattungskultur. Zudem seien klar definierte Orte der Bestattung und feste Strukturen keine Einschränkung, sondern gäben den Hinterbliebenen Halt und Orientierung. Dass die Landesregierung nicht den allergrößten Wurf gelandet hätte, zeige laut Gensch „der große Aufschrei fast aller betroffenen Verbände und Institutionen - und nicht zuletzt auch der der Kirchen“. Gesetze seien jedoch nicht in Stein gemeißelt und könnten in üblichen Verfahren wieder geändert werden. Das Thema sei für ihn auch nach der Landtagswahl 2026 noch nicht abgeschlossen, denn es gelte das Grundprinzip „keine Modernität zu Lasten der Pietät“ zu wahren.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf warnte im Gespräch mit dem WDR: „Trauer hat auch immer etwas mit schrittweisem Abschiednehmen zu tun. Was mache ich, wenn ich nach 30 Jahren meinen Ehepartner immer noch direkt vor Augen habe?“ Problematisch sei die fehlende Kontrolle, was mit einer Urne geschehe, wenn der Aufbewahrende selbst sterbe oder nicht mehr in der Lage sei, sich zu äußern. „Wird es am Ende nicht auch Formen geben, wo es niemand mehr kontrolliert, was mit den Überresten von Menschen geschieht?“.
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