Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Politischer Appell an EVP-Fraktion

Papst: Ursprüngliche Europa-Idee neu beleben

Eine Delegation der EVP reist zu Gesprächen nach Rom. In einem Appell fordert der Papst, opportunistische Lösungen abzulehnen und die christliche Soziallehre als Kompass zu nehmen.
Manfred Weber am Grab von Benedikt XVI.
Foto: Facebook Manfred Weber | Manfred Weber am Grab von Benedikt XVI. Für ihn sei es "etwas sehr Besonderes, Josef Ratzinger zu Lebzeiten kennenlernen zu dürfen", so Weber.

Papst Franziskus hat aus dem römischen Gemelli-Krankenhaus einen politischen Appell an die in Rom versammelten Mitglieder der Europaparlamentsfraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) gerichtet. In dem am Sonntag vom vatikanischen Presseamt veröffentlichten Brief fordert Franziskus die Gruppe auf, sich in grundlegenden ethischen Prinzipien und in Sachen der christlichen Soziallehre einig zu sein. Das Papstschreiben trägt das Datum 9. Juni (Freitag).

Evangelium als Orientierungspunkt

Laut Franziskus müssten christliche Politiker stets dazu bereit sein „opportunistische Lösungen ablehnen und an den Prinzipien der Würde der Person und des Gemeinwohls festhalten“, denn einzig das „Evangelium soll euer Orientierungspunkt sein und die christliche Soziallehre euer Kompass“. Ursprünglich hatte Franziskus die Delegation von rund 100 EVP-Parlamentariern persönlichen empfangen wollen. Dies war jedoch nicht möglich, da sich Franziskus in der Gemelli-Klinik weiter von seiner Darmoperation erholte.

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In seinem Brief empfiehlt der Papst den Politikern weiterhin, eine Vision von Europa, in der die Einheit und Verschiedenheit zusammengehalten werden. Wie er es vor kurzer Zeit in Ungarn betont habe, müsse Europa Wertschätzung für die unterschiedlichen Kulturen und den Reichtum seiner verschiedenen Traditionen zeigen. Die EU-Institutionen und ihre politischen Initiativen sollten dafür sorgen, dass „dieses sehr bunte Mosaik zusammenhängende Formen ergibt“. Dafür brauche es eine gemeinsame Seele und eine weitreichende politische Vision, so Franziskus.

Für die Vision des Papstes müsse neben dem Erbe der europäischen Gründerväter die Idee von Geschwisterlichkeit in den Vordergrund rücken, die alle Menschen umfasse. Für einen Blick auf die weltweiten Entwicklungen müsse man sich einheitlich der Herausforderung der Migration und der Umwelt widmen. Wenn es gelinge, die ursprüngliche Idee Europas neu zu beleben, könne sie für die gesamte Menschheitsfamilie lebensstiftend sein.

Große Scheu bei der Verteidigung des Christentums

Die EVP-Fraktion unter dem Vorsitz des deutschen EU-Abgeordneten Manfred Weber (CSU) hielt sich ab Donnerstag zu mehrtägigen Beratungen und Treffen in Rom und im Vatikan auf.  Laut Angaben auf der fraktionseigenen Website diente der Besuch dazu, über die Zukunft Europas und die Rolle des Christentums zu diskutieren. Weber formulierte dies kurz vor Beginn des Besuches: „Die nächsten Jahre sind entscheidende Jahre für die europäische Christdemokratie. Wir müssen weiterhin schwierige Entscheidungen treffen, um ein Europa der Bürger aufzubauen“. Er schloss: „Dabei müssen wir unsere Werte schätzen und wahren. Ohne diese christlichen Werte würde unsere europäische Lebensweise ihre Seele verlieren; Europa würde seine Seele verlieren“.

Während seines Aufenthalts in Rom besuchte Weber auch das Grab des emeritierten Papstes Benedikt XVI. Für ihn sei es "etwas sehr Besonderes, Josef Ratzinger zu Lebzeiten kennenlernen zu dürfen", so Weber auf seiner Facebook-Seite. "Er war ein großer Theologe und Kirchenmann, der weit über den Tag hinaus gedacht hat."

Die EVP-Fraktion nahm während des Aufenthaltes in Rom mehrere Treffen und Termine wahr. So waren die Europaabgeordneten am Donnerstag auch bei einer Debatte des Malteserorden mit führenden Kirchenvertretern über das Christentum und die Verantwortung Europas in der Welt vertreten.

Am Freitag hatte sich Manfred Weber mit Italiens Präsident Sergio Mattarella zum Gespräch getroffen. Dabei ging es auch um Kompromisse in der Asylpolitik. Weber betonte bei dem Treffen mit Mattarella, dass es dafür eine „gemeinsame europäische Lösung und Asylverfahren an der EU-Außengrenze braucht“. DT/jmo

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