Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Österreich öffnet das Tor zur Euthanasie

Die Verfassungsrichter legalisieren die „Hilfeleistung zum Selbstmord“. Jetzt beginnt der Druck auf Hochbetagte und Pflegefälle. Die Gesellschaft wird kälter und zynischer.
Assistierter Suizid in Österreich
Foto: Imago Images | Wieder einmal – wie bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare – hat in Österreich das Höchstgericht Politik gemacht.

Ab 31. Dezember 2021 darf in Österreich beim Suizid (nach)geholfen werden. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Strafandrohung für jede „Hilfeleistung zum Selbstmord“ aufgehoben. Dass die „Tötung auf Verlangen“ und das „Verleiten“ zum Suizid strafbar bleiben, tröstet wenig: Das Tor zur Euthanasie ist weit aufgestoßen worden.

Druck auf Hochbetagte und Pflegefälle

Lesen Sie auch:

Jetzt beginnt der Druck auf Hochbetagte, Pflegefälle und Lebensüberdrüssige. Nicht nur der direkte Druck durch Angehörige und die persönlichen finanziellen oder sozialen Umstände, auch der anonyme Druck seitens einer kälter gewordenen, materialistischen Gesellschaft. Was erlaubt ist, wird auch beworben werden: Suizidanten als Helden und Vorbilder, die ihren Kindern das Leben leichter machen und der Gesellschaft einen Gefallen tun?

Die Unbedingtheit des Rechts auf Leben wurde bereits mit der Abtreibungs-Gesetzgebung dekonstruiert. Jetzt sind die Alten, Schwerkranken und Vulnerablen dran – jene Menschen also, deren Schutz in der Corona-Krise so nachdrücklich eingemahnt wird. Die Verfassungsrichter haben eine Lücke in den Schutz dieser Personengruppe gerissen. Nun wird ihr eine zynischer werdende Gesellschaft den Suizid als letzte Freiheit ans Herz legen.

Höchstgericht macht Politik

Wieder einmal – wie bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare – hat in Österreich das Höchstgericht Politik gemacht. Wieder schafft ein Urteil des VfGH eine neue Faktenlage, die die Gesellschaft sowohl erschüttert als auch langfristig tief verändert. Die gewählten Politiker in Regierung und Parlament sitzen schweigend auf der Tribüne und überlegen, wie sie das von den Richtern geschaffene Chaos neu ordnen können.

Weitere Hintergründe zur Liberalisierung aktiver Sterbehilfe lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

Themen & Autoren
Stephan Baier Tötung auf Verlangen

Weitere Artikel

Die gescheiterte Verfassungsgerichtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorf blickt mit dem ethischen Relativismus von David Hume auf das menschliche Leben. Ein Zwischenruf.
08.08.2025, 07 Uhr
Christian Müller

Kirche

Für Todesstrafe und gegen Abtreibung zu sein, ist kaum pro-life, findet der Papst. Was gibt es daran zu meckern? Auch die Kirche lernt dazu.
02.10.2025, 18 Uhr
Stefan Rehder
Der ehemalige Pfarrer von Hauzenberg, der wegen Alkoholmissbrauch in der Jugendarbeit vorläufig suspendiert worden war, will nun aus den Priesterstand entlassen werden.
02.10.2025, 14 Uhr
Meldung
Herausgefordert von Biotechnik und Künstlicher Intelligenz: Die Unantastbarkeit der Menschenwürde war Thema eines Symposiums der beiden Ratzinger-Schülerkreise in Rom.
02.10.2025, 11 Uhr
Maximilian Welticke
Näher zur eucharistischen Anbetung: Adoratio machte es möglich, mit Vorträgen, Gebetszeiten und Begegnung. Auch Bischof Oster und Sophia Kuby kamen.
02.10.2025, 05 Uhr
Elisabeth Hüffer