Der barmherzige Samariter“ lautet der Titel eines Briefs der Glaubenskongregation, der die Sorge um Menschen in der Endphase ihres Lebens behandelt, aber auch versucht, das Leiden und Sterben in einen spirituellen Zusammenhang zu stellen. Das Papier weist klar darauf hin, dass aktive Sterbehilfe, Euthanasie und assistierter Suizid der Würde des Menschen widersprechen und die ethischen und rechtlichen Grenzen der Selbstbestimmung überschreiten.
Antwort auf Fortschritte in der Medizin
Das 32 Seiten umfassende Schreiben liegt bisher in italienischer, englischer, spanischer und portugiesischer Sprache vor und wurde am vergangenen 25. Juni von Papst Franziskus approbiert. Es trägt das Datum vom 14. Juli, dem Gedenktag des heiligen Camillo de Lellis (1550–1614), der sich vor allem um Schwerkranke und Unheilbare kümmerte. Der Titel des Briefs „Samaritanus bonus“ greift auf eine Figur zurück, die Papst Franziskus in seiner Verkündigung sehr wichtig ist: der Mann des Mitleids, der selber nicht zum Volk der Juden gehörte, aber einen schwer verletzten Juden fand und Sorge für ihn trug. Der Brief passt die Inhalte einer Erklärung der Glaubenskongregation von 1980 und die Enzyklika „Evangelium vitae“ Johannes Pauls II. aus dem Jahr 1995 an aktuelle Entwicklung in der Gesetzgebung zahlreicher Länder zum Lebensende und die Fortschritte in der heutigen Medizin an, die, wie es zu Beginn des Schreibens heißt, zahlreiche Bischofskonferenzen in der Welt dazu veranlasst hätten, vor allem mit Blick auf Euthanasie und den assistierten Suizid Dokumente und Hirtenschreiben zu veröffentlichen.
Unheilbar aber behandelbar
Der Brief der Glaubenskongregation gliedert sich in fünf Kapitel. Das erste behandelt grundsätzlich die Sorge um den schwerkranken Menschen und gipfelt in der Aussage, dass „unheilbar“ nicht mit „nicht behandelbar“ gleichgesetzt werden dürfe. Auch wenn der Arzt einem Patienten mitteilen müsse, dass dessen Leben zu Ende gehe, bedeute das nicht, dass die Behandlungen eingestellt würden, sondern dass sich der Begriff der Sorge erweitere: Der Radius des Beistands erweitere sich und umfasse dann erst recht auch die physischen, psychologischen, sozialen, familiären und religiösen Aspekte. Das gelte besonders bei medizinischen Einrichtungen und Pflegediensten, die sich aus christlichen Wurzeln inspirierten. Dabei gehe es auch um einen „kontemplativen Blick“ der Behandelnden, der in der Krankheit einen Sinn erkenne, von dem man sich anleiten und führen lasse – in dem Vertrauen dessen, der sich auf den Herrn des Lebens verlässt, der sich im Leiden zeigt.
"Lässt den Einzelnen am
Erlösungswerk Christi teilhaben"
Das zweite Kapitel führt das weiter aus und behandelt die Person des leidenden Christus in seiner Agonie am Kreuz und bei der Auferstehung. Jesus am Kreuz habe die schmerzhafte Erschütterung seiner Mutter, der Frauen und des Jüngers erlebt und kraft dieser Nähe der Gefühle auch jene Stunden durchstanden, die offensichtlich ohne Sinn erschienen. Der Tod könne somit dank des Glaubens, der den Einzelnen am Erlösungswerk Christi teilhaben lässt, auch zu einem Augenblick der Hoffnung werden. Unter dem Kreuz Jesu hätten auch die Funktionäre des Staats, die Neugierigen und die Indifferenten gestanden, aber sie waren nicht „bei“ dem Gekreuzigten. Auch in den Intensivstationen oder Pflegeheimen für chronisch Kranke könne man wie Funktionäre anwesend oder wirklich „bei“ dem Kranken sein.
Wert des Lebens von Individualismus bedroht
Die Kapitel drei und vier setzen das „sehende Herz“ des guten Samariters und die Auffassung des Lebens als heiliges und unantastbares Geschenk den kulturellen Tendenzen von heute gegenüber, die den heiligen Wert des Lebens verdunkeln. Für die Kirche sei „der unverletzliche Wert des Lebens eine grundlegende Wahrheit des natürlichen Moralgesetzes und ein wesentliches Fundament der rechtlichen Ordnung“. Diese Auffassung würde heute von einem missverständlichen Gebrauch des Wortes „würdiger Tod“ in Relation zu dem von der „Lebensqualität“, sowie von einem falschen Begriff von Mitleid und einem wachsenden Individualismus bedroht. Diese drei Faktoren würden den Begriff des Guten auf das Resultat einer sozialen Abmachung reduzieren: Jeder erhält die Behandlung und Betreuung, die die Autonomie oder der soziale und wirtschaftliche Nutzen möglich machen oder angebracht erscheinen lassen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen würden dadurch verarmen und der übernatürlichen Liebe beraubt.
Keine Sakramente bei Sterbehilfe gespendet
Das fünfte Kapitel zählt dann konkrete Lehraussagen der Kirche auf. Euthanasie sei ein Verbrechen gegen das menschliche Leben, weil dabei ein Mensch direkt über den Tod eines Anderen entscheide. Die Kirche habe definitiv festgestellt, dass die Euthanasie eine Verletzung des göttlichen Gesetzes sei. Dasselbe gelte für den assistierten Suizid. Bei der Vorstellung des Briefs am Dienstag erklärte der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria, Seelsorgern sei jede Geste verboten, die als Billigung einer freien Todeswahl verstanden werden könne. Patienten, die aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid verlangten, könnten ohne Zeichen eines Widerrufs auch in der Sterbestunde keine Sakramente empfangen. Hinter dem Verlangen von Schwerkranken nach einer Beendigung ihres Lebens stehe fast immer der Ruf nach Hilfe und Liebe, heißt es in dem Schreiben der Glaubenskongregation. Die Antwort darauf müsse in Beistand und Zuneigung liegen. Faktoren bei einem Todeswunsch seien auch nicht behandelte Schmerzen, Mangel an „menschlicher und christlicher Hoffnung“ und unzureichende psychologische und spirituelle Betreuung.
Würde des Sterbens
Die „Würde des Sterbens zu schützen“ bedeutet nach Darstellung des Dokuments auch, auf „therapeutischen Übereifer“ zu verzichten. „Beim bevorstehenden unvermeidlichen Tod ist es daher nach Wissen und Gewissen legitim, die Entscheidung zu treffen, auf Heilversuche zu verzichten, die nur eine schwache und schmerzhafte Verlängerung des Lebens bewirken könnten, ohne jedoch die normalen Hilfen zu unterlassen, die dem Patienten in solchen Fällen geschuldet werden.“ Dieser Hinweis auf normale Hilfen zielt vor allem auf Ernährung und Versorgung mit Flüssigkeit. Ein Verzicht auf unverhältnismäßige Therapien könne in Achtung vor dem Willen der sterbenden Person erfolgen. „Der gute Samariter“ spricht sich für eine Förderung der Palliativmedizin aus, besteht jedoch auf einer klaren Abgrenzung zur Suizidbeihilfe, was in einigen Ländern nicht gegeben sei. Auch eine „Herbeiführung des Todes“ durch die Einstellung künstlicher Ernährung wird als unzulässig abgelehnt. Eine Palliativversorgung verlangt die Kirche auch im Fall von lebensverkürzenden Erkrankungen von Embryonen und Neugeborenen. Eine Abtreibung sei unter keinen Umständen erlaubt. Die „Verwendung der Pränataldiagnostik für selektive Zwecke“ sei Ausdruck einer „eugenischen Mentalität“ und in schwerwiegender Weise unzulässig.
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