Das Europäische Parlament setzt – langfristig jedenfalls – auf einen Regimewechsel in Russland. Nicht weniger ist gemeint, wenn das Parlament der EU seinen Menschenrechtspreis, wie gestern bekanntgegeben, an Alexej Nawalny als „Verfechter des Wandels“ vergibt. Parlamentspräsident David Sassoli verband die Bekanntgabe der Ehrung darum auch mit scharfer Kritik am System Putin: Nawalny habe „konsequent die Korruption des Regimes von Wladimir Putin angeprangert“, habe Missstände aufgedeckt und Millionen Menschen in ganz Russland mobilisiert. Eben dafür sei er vergiftet und ins Gefängnis geworfen worden.
Politisches Statement
Sicher, der jährlich verliehene „Sacharow-Preis für geistige Freiheit“ war stets ein politisches und kein bloß humanitäres Statement. Mit Nawalny jedoch ehrt das Europäische Parlament nicht nur ein Opfer der russischen Autokratie, einen Mann, der sein Leben und seine Freiheit in die Waagschale geworfen hat, sondern den bekanntesten, exponiertesten Putin-Kritiker. Es nimmt in Kauf, dass der Kreml wieder einmal gegen eine „Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands“ protestieren wird, dass das frostige Klima noch frostiger wird.
Es herrscht Eiszeit
Zwischen Russland und der EU herrscht Eiszeit. Und das nicht erst seit dem Versuch des russischen Regimes, Nawalny – wie andere Putin-Kritiker – zu ermorden. Die Spitzen der Europäischen Union sehen Präsident Putin längst nicht mehr als benachbarten Partner, sondern als gefährlichen Herausforderer, als Bedrohung für die Stabilität und Einheit Europas, als korrupten Tyrannen in seinem eigenen Reich. Indem es Alexej Nawalny den Sacharow-Preis zuerkennt, sendet das Europäische Parlament eine klare Botschaft: Europa ist mit Putin fertig und setzt auf eine alternative Entwicklung in Russland.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.