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Mit einer politisierten Justiz ist keinem geholfen

US-Präsident Bidens Kommission zur Reform des Obersten Gerichtshofs zeigt: Die Politisierung der Judikative scheint sich fortzusetzen. Davon profitiert keines der zerstrittenen Lager.
Oberster Gerichtshof der USA
Foto: Liu Jie (XinHua) | Dass der "Supreme Court" als Werkzeug fungiert, um Vorhaben umzusetzen, für die sich im Kongress keine Mehrheiten finden lassen, kann gewiss nicht die Intention der Gründerväter gewesen sein.

Es war eines seiner zentralen Versprechen im Wahlkampf, nun hat der neue US-Präsident Joe Biden es eingelöst. Er rief eine Kommission ins Leben, die sich mit einer möglichen Reform des Obersten Gerichtshofs, des „Supreme Court“, befassen soll. Unter anderem geht es um eine potenzielle Aufstockung der Sitze des Gerichtshofs, das sogenannte „court packing“, um die Art und Weise des Auswahlprozesses von Richtern, die Länge von deren Amtszeit sowie die Rolle des „Supreme Court“ im Verfassungssystem.

Nicht die Intention der Gründerväter

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Die nun eingesetzte Kommission kann einerseits als Beleg gewertet werden, dass der neue Amtsinhaber grundsätzlich dazu bereit ist, die höchste richterliche Instanz zu reformieren. Vertreter des äußersten linken Flügels der Demokraten, die auf zügige Reformen pochen, dürften andererseits erst einmal enttäuscht sein. Denn die Kommission hat ein halbes Jahr Zeit, um mögliche Reformvorschläge zu analysieren. Und am Ende wird sie erst einmal nur einen Bericht mit Einschätzungen verfassen.

Unabhängig vom Inhalt des Berichts lässt sich schon jetzt feststellen: Die Politisierung der Judikative ist ein beunruhigendes Phänomen. Ob Lebensschutz, gleichgeschlechtliche Ehe oder Religionsfreiheit - allzu oft war es das höchste US-Gericht, das die politische Richtung bestimmte, nicht das Parlament. Dass der „Supreme Court“ als Werkzeug fungiert, um Vorhaben umzusetzen, für die sich im Kongress keine Mehrheiten finden lassen, kann gewiss nicht die Intention der Gründerväter gewesen sein. Egal, ob dem Obersten Gerichtshof nun neun, zwölf, fünfzehn oder fünfundzwanzig Richter angehören, egal ob sie auf Lebenszeit amtieren oder ihr Dienst auf eine bestimmte Zeit begrenzt wird: Es ändert sich nichts an der grundsätzlichen Konstellation, dass zwei miteinander unvereinbare juristische Denkschulen um die Deutungshoheit der amerikanischen Verfassung konkurrieren – Anhänger einer wörtlichen Auslegung und solche einer Interpretation unter Berücksichtigung der zeitlichen Umstände.

Nicht auf Rechtsprechung der Gerichte verlassen

Für amerikanische Christen gilt inmitten des Gezänks: Ärmel hochkrempeln, politische Arbeit an der Basis verrichten und für die eigenen Überzeugungen werben. Das mag zwar mühsam sein, würde deren Anliegen aber auf ein viel breiteres, politisch legitimiertes Fundament stellen, als wenn man sich nur auf die Rechtsprechung der Gerichte verlässt.

Lesen Sie weitere Hintergründe zu Bidens Plänen einen Reform des Obersten Gerichtshofs in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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Maximilian Lutz Joe Biden

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