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Libanesische Hoffnungszeichen

Nur durch die Schwächung der Hisbollah und den schwindenden Einfluss des Iran wurde die Wahl des neuen libanesischen Präsidenten möglich. Die Staatskrise ist damit aber noch nicht beendet.
Generalstabschef Joseph Aoun wird Präsident im Libanon
Foto: IMAGO/Bilal Jawich (www.imago-images.de) | Für den Libanon ist die Wahl von Generalstabschef Joseph Aoun eine gute Nachricht, und zwar nicht nur für die maronitischen Christen, denen der 61-Jährige selbst angehört.

Einst galt der Libanon als „Schweiz des Orients“, seine Hauptstadt Beirut als „Paris des Ostens“. Das ist lange her, denn ein 15-jähriger Bürgerkrieg mit Beteiligung vieler Mächte, ausländische Einflüsse und die exzessive Korruption der politischen Eliten haben das „Land der Zedern“ völlig ruiniert. Die Explosion im Hafen von Beirut im August 2020, der Verfall der Libanesischen Lira, der dramatische Anstieg der Arbeitslosigkeit und der ausufernde Klientelismus führten zur Verelendung breiter Massen.

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Zudem ist das Land an der Schnittstelle zwischen mediterraner und arabischer Welt seit mehr als zwei Jahren in einer veritablen Staatskrise. 800 Tage lang scheiterten insgesamt zwölf Versuche der Wahl eines neuen Präsidenten – bis gestern, denn da konnte der bisherige Chef des libanesischen Generalstabs, Joseph Aoun, 99 von 128 Stimmen im Parlament auf sich vereinen. Damit ist zumindest der Weg aus der lange währenden Staatskrise offen.

Der Präsident ist maronitischer Christ

Möglich wurde Aouns Wahl – so makaber das klingt – durch den massiven Krieg Israels gegen die Hisbollah. Denn die Hisbollah, die nicht nur eine vom Iran hochgerüstete schiitische Miliz, sondern zugleich eine libanesische Schiiten-Partei ist, wollte an der Staatsspitze eine willfährige Marionette installieren. Indem Israel die militärische Macht der Hisbollah zerschlug, schwächte sie deren politischen Einfluss und damit den Zugang des Iran zur libanesischen Innenpolitik.

Für den Libanon ist die Wahl von Generalstabschef Joseph Aoun eine gute Nachricht, und zwar nicht nur für die maronitischen Christen, denen der 61-Jährige selbst angehört. Auch die Sunniten und die Moderaten beziehungsweise Patriotischen unter den Schiiten können aufatmen: Aoun hat das Staatsinteresse im Blick, nicht eine bestimmte Klientel. Und er hat nun die Möglichkeit, einen (sunnitischen) Ministerpräsidenten zu ernennen und eine reguläre (gemischtkonfessionelle) Regierung ins Amt zu bringen.

Außenpolitisch bereits vernetzt

Überwunden ist die wirtschaftliche, politische und moralische Krise an der Levante damit noch nicht, aber es bietet sich eine neue, unerwartete Chance. Auch außenpolitisch öffnet sich für den Libanon ein Fenster: Aoun pflegte bereits als Generalstabschef gute Beziehungen zu Washington wie zu Riad, aber auch Israel und der Iran (mit einer ordentlichen Portion Heuchelei) gratulierten dem neuen Präsidenten bereits artig. Und selbst zum schwierigen Nachbarn Syrien könnte der Libanon jetzt ein vielleicht nicht gerade herzliches, aber respektvoll nachbarschaftliches Verhältnis aufbauen.

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