Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Das musste jetzt die Trump-Administration erfahren. Am Mittwoch hatte der New Yorker Bundesrichter Paul Engelmayer einen Erlass des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums kassiert, der am 22. November hätte in Kraft treten sollen.
Der Erlass trägt den Titel „Schutz der gesetzlichen Gewissensrechte im Gesundheitswesen“ und sollte es Ärzten und anderen Angehörigen im Gesundheitsministerium einfacher machen als bisher, sich unter Berufung auf ihr Gewissen zu weigern, an Eingriffen mitzuwirken, die sie aus moralischen Gründen ablehnen. Als solche gelten naturgemäß vor allem Abtreibungen, Sterilisationen sowie „Geschlechtsumwandlungen“, bei denen in Wahrheit funktionsfähige Organe zerstört und durch Nachbildungen nicht vollfunktionsfähiger ersetzt werden.
"Eklatante Rechtsmängel" in schriftlicher Urteilsbegründung
Wie Engelmayer in seiner 147-seitigen Begründung schreibt, sei es „unstrittig“, dass der Erlass „wichtige Rechte anerkennen und schützen“ wolle. Allerdings sei er durchsetzt von „eklatanten Rechtsmängeln“ und in der vorliegenden Form zudem „verfassungswidrig“. Es stehe dem Gesundheitsministerium frei, die Regeln daraufhin zu prüfen und durch solche zu ersetzen, die verfassungsgemäß seien.
Wie der Richter klarstellte, sei das Ministerium gar nicht befugt, wesentliche Teile der Bestimmungen zu erlassen. Das könne nur der Gesetzgeber. Wie schon Barack Obama vor ihm, versucht auch Donald Trump mit Erlassen zu regieren, anstatt Gesetze durch das Parlament zu bringen und von einer Mehrheit der gewählten Volksvertreter legitimieren zu lassen.
In diesem Fall hatte das Gesundheitsministerium die Notwendigkeit des Erlasses mit einer massiven Zunahme der Beschwerden von Mitarbeitern des Gesundheitswesens begründet, die sich in ihrer Gewissensfreiheit eingeschränkt sahen. Allein im letzten Amtsjahr der Präsidentschaft Obamas seien 358 solcher Beschwerden bei ihm eingereicht worden.
Richter nennt Begründung für den Erlass „nachweislich falsch“
Deren Prüfung durch das Gericht ergab jedoch ein völlig anderes Bild. Das hält fest: Von den 358 Beschwerden seien 22 exakte Duplikate gewesen. Und noch gravierender: Von den verbleibenden 336 Beschwerden hätten sich rund 80 Prozent auf Impfungen bezogen, die von dem Erlass gar nicht erfasst würden sowie 49 weitere, die aus anderen Gründen mit diesem nichts zu tun hätten. Gelten lassen wollte das Gericht lediglich 20 der 358 vom Gesundheitsministerium angeführten Beschwerden. Die Behauptung der Regierung, die Beschwerden von Mitarbeitern des Gesundheitswesens, die sich in ihrer Gewissenfreiheit eingeschränkt sähen, hätten massiv zugenommen, sei „nachweislich falsch“, so Richter Engelmayer.
Kritik übte der Bundesrichter aber auch an der Reichweite des Erlasses, der Einrichtungen mit den Entzug von Bundesmitteln droht, für den Fall, dass sie sich darüber hinwegsetzten, wenn ihre Angestellten sich auf ihr Gewissen beriefen. So musste der Vertreter des Justizministeriums auf Nachfrage des Richters einräumen, dass ein Krankenhaus den Fahrer eines Krankenwagens dem Erlass zufolge nicht anweisen dürfe, die Fahrt fortzusetzen, wenn dieser sich unter Berufung auf sein Gewissen weigere, eine Patientin ins Krankenhaus zu fahren, um eine lebensgefährliche Eileiterschwangerschaft zu beenden.
Dass die Abtreibungslobby das Urteil feiert, ist vorhersehbar
Dass die Abtreibungslobby das Urteil jetzt feiert und so tut, als stütze es ihre völlig absurde Position, wonach jeder einen Rechtsanspruch auf die „Behandlung“ habe, die er gerade wolle, ist so ärgerlich wie vorhersehbar. Statt Richterschelte zu betreiben, täte die Trump-Administration gut daran, sich an die eigene Nase zu fassen. Denn wer die Öffentlichkeit betrügt und handwerklich derart herumstümpert, der erweist nicht nur seiner Klientel einen Bärendienst, sondern auch dem Lebensschutz.
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