Humanität und Ordnung – es ist schon lange Trend, beides als Leitbegriffe für Migrationspolitik auszugeben. Von politischer Seite aus als eine Art Selbstverpflichtung, nach dem Motto: „Wir setzen nicht bloß kühl Gesetze um, wir haben auch ein Herz.“ Von Seiten der Kirchen wird das Begriffs-Duo eher beschworen, um genau hier einen angeblichen Mangel zu beklagen: Es fehle an Herz in der Migrationspolitik.
Tatsächlich aber taugen Humanität und Ordnung nur dann als Ankerpunkte für so ein Konzept, wenn man begreift, dass beides zusammengehört. Nur in einem geordneten Rahmen, innerhalb einer funktionierenden Rechtsordnung, kann Humanität sich überhaupt entfalten. In der Anarchie, also in der Rechtslosigkeit, überlebt der Stärkere, nicht weil er die besseren Argumente oder Ziele hat, sondern einfach nur, weil er stärker ist. Wer also dauerhaften Schutz für die Schwächsten will, und das ist ja wohl ein Grundmotiv von Humanität, der muss den Rechtsstaat sichern und stabilisieren. Die Autorität des Rechtsstaats darf unter keinen Umständen in Frage gestellt werden.
Aktueller Fall in Berlin sorgt für Aufregung
Und damit sind wir beim Kirchenasyl. Ein aktueller Fall in Berlin sorgt für Aufregung. Eine Berliner Gemeinde der Selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirche (SELK) hat Afghanen aufgenommen, die nach der Dublin-Regelung in das ursprüngliche Aufnahmeland Schweden zurückgeführt werden sollten. In Schweden, so fürchten sie, könnten sie nach Afghanistan abgeschoben werden. Davor haben sie vor allem deswegen Angst, weil sie mittlerweile zum christlichen Glauben übergetreten sind. Der Fall wird dadurch noch etwas komplizierter, dass ursprünglich Hamburger Behörden die Abschiebung hätten vornehmen müssen. Deswegen gab es ein kurzes Gerangel zwischen den beiden Stadtstaaten, wer denn nun für die Abschiebung zuständig sei.
Entscheidend ist das Grundsätzliche – und das hat nun die Union vorgebracht: „Wenn Kirchen in Dublin-Fällen Asyl gewähren, wäre dies glaubhafter, wenn sie auch insgesamt Verantwortung für die Schutzsuchenden übernehmen. Wenn durch das Kirchenasyl eine Rückführung nicht mehr erfolgen kann, sollte sie konsequenterweise auch dauerhaft die Betroffenen beherbergen und betreuen“, erklärte Günter Krings.
Und der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Recht. Denn die christlichen Kirchen dürfen keine Extrawürste bekommen, wenn es darum geht, dem geltenden Recht zu folgen. Am Ende steht dann eben nicht die ersehnte Humanität, sondern ein impotenter Rechtsstaat.
Den Staat nicht ethisch in ein schiefes Licht stellen
Das heißt ja übrigens auch nicht, dass nicht Christen – übrigens hier durchaus ökumenisch angesprochen –, aus Nächstenliebe heraus den bedrängten Afghanen zur Hilfe kommen sollen. Sie können dies aber nicht zur Aufgabe der Gemeinschaft machen. Mögliche Kosten müssen sie selbst tragen, das wäre durch Spenden auch organisierbar.
Das entspricht auch dem Gleichnis des barmherzigen Samariters. Der kommt nämlich mit eigenem Vermögen für die Pflege des Mannes auf, der unter die Räuber geraten war. Der ganze Fall macht deutlich: Es steht den Kirchen nicht gut an, wenn sie versuchen sollten, den Staat ethisch in ein schiefes Licht zu stellen, wo dieser nur seinen Aufgaben nachkommt und damit dem Gemeinwohl dient.
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