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Israel auf der Anklagebank

Indem er einen internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu fordert, blockiert der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eine sachgerechte Aufarbeitung der Fehler des israelischen Regierungschefs.
Antiisraelische Demonstration in Istanbul
Foto: IMAGO/Onur Dogman (www.imago-images.de) | Die Argumente für eine Abwahl Netanjahus sind zahlreich, doch nichts rechtfertigt einen internationalen Haftbefehl gegen den demokratisch legitimierten Regierungschef Israels.

Einen internationalen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav Galant hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, beantragt. Er beschädigt damit Israel wie auch den Internationalen Strafgerichtshof. Der Chefankläger reiht sich ein in die Phalanx jener, die aus vermeintlicher islamischer Solidarität (Iran) oder antikolonialistischer Ideologie (Südafrika, Nicaragua) Israel zum Alleinverantwortlichen für alles Leid und Sterben in Nahost erklären.

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Man kann Langzeit-Premier Netanjahu viel vorwerfen: Korruption, Machtversessenheit, Maßlosigkeit, Rücksichtslosigkeit und Beratungsresistenz, doch ihn auf eine Stufe mit dem Mastermind der Hamas, Jahja al-Sinwar, zu stellen, ist absurd und bösartig. Netanjahu hat vor wie nach dem 7. Oktober schwere Fehler gemacht, die thematisiert werden müssen und einer vor allem inner-israelischen Aufarbeitung bedürfen. Die Gründe und Argumente für eine Abwahl Netanjahus sind zahlreich, doch nichts rechtfertigt einen internationalen Haftbefehl gegen den demokratisch legitimierten Regierungschef Israels.

Es geht um Israels Selbstverständnis

Selbst die engsten Verbündeten Israels in der weltweiten Staatengemeinschaft haben Netanjahus Vorgehen im Gazastreifen mit guten Argumenten wiederholt und öffentlich kritisiert, doch niemand kann bestreiten, dass es sich dabei um eine Reaktion auf die Terrorattacke der Hamas vom 7. Oktober 2023 handelt. Dieser Terrortag hat Israel in seinem Selbstverständnis getroffen und darum schwer traumatisiert, denn Israel existiert nur aus einem Grund: damit es einen Staat auf der Welt gibt, in dem Juden in Sicherheit leben können. Dieses grundlegende Sicherheitsbedürfnis wurde am 7. Oktober 2023 verletzt.

Wer nun die terroristischen Angreifer mit der Führung der Angegriffenen auf eine Stufe stellt, setzt die Attacke der Hamas auf das Selbstverständnis und die Identität Israels mit politischen Mitteln fort. Darum ist die Anklage Netanjahus vor dem IStGH ein politischer Sieg der Hamas und all jener, die der Meinung sind, es sei besser, es gebe gar kein Israel.

Die israelische Gesellschaft kann angesichts dieser fundamentalen Attacke gar nicht anders, als um Netanjahu und Galant zusammenzurücken. Dadurch jedoch wird die notwendige Differenzierung, die Aufarbeitung der Fehler Netanjahus und jede sachliche Kritik an seinem Vorgehen im Gazastreifen erschwert. Der Chefankläger des IStGH hat nicht nur Israel und seinen Regierungschef, sondern auch den IStGH und multilaterale Lösungsansätze beschädigt.

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Stephan Baier Benjamin Netanjahu Hamas Terroranschläge

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