Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) hat Ende vergangener Woche eine richtungsweisende Entscheidung gefällt: Im Fall „Beatriz et al. gegen El Salvador“ stellte das Gericht in San José in Costa Rica klar, dass die interamerikanische Menschenrechtskonvention kein Recht auf Abtreibung gewährleistet. Das Urteil markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der regionalen Rechtsprechung und könnte die Gesundheitspolitik in der ganzen Region beeinflussen.
Der Fall geht zurück auf das Jahr 2013: Bei Beatriz, einer jungen Salvadorianerin, wurde während ihrer zweiten Schwangerschaft beim ungeborenen Kind Anenzephalie diagnostiziert – eine schwere Fehlbildung, die ein Überleben nach der Geburt praktisch ausschließt. Die damals 22-Jährige litt zudem an Lupus und Nierenversagen, was die Schwangerschaft zusätzlich verkomplizierte. Trotz ihrer risikobehafteten Situation und vehementer Forderungen nach einer Abtreibung entschieden die Behörden El Salvadors, beide Leben zu schützen. Nach der Geburt per Kaiserschnitt lebte die kleine Leilany nur wenige Stunden.
Der Fall erregte internationale Aufmerksamkeit
Der Fall erregte internationale Aufmerksamkeit und wurde zu einem Brennpunkt in der Debatte um Abtreibungsrechte in verschiedenen amerikanischen Ländern. Menschenrechtsorganisationen argumentierten, die Verweigerung eines Schwangerschaftsabbruchs stelle eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte dar. Die salvadorianische Regierung verwies hingegen auf ihre verfassungsmäßige Pflicht, das ungeborene Leben zu schützen
2017 verstarb Beatriz an den Folgen einer unfallbedingten Lungenentzündung – ohne Zusammenhang mit ihrer früheren Schwangerschaft, wie der Gerichtshof feststellte. Das Urteil kritisierte zwar erhebliche Mängel in der medizinischen Betreuung und verurteilte El Salvador wegen Verletzung der Rechte auf Gesundheit, persönliche Integrität und Privatsphäre. Es forderte jedoch keine Änderung der salvadorianischen Verfassung oder des Strafrechts, die das Leben ab der Empfängnis schützen und Abtreibung untersagen.
Stattdessen mahnte der Gerichtshof die Entwicklung präziser medizinischer Leitlinien für den Umgang mit Risikoschwangerschaften an. Die Richter wiesen dabei die These zurück, die Verweigerung einer Abtreibung stelle „Folter“ dar, wie von einigen Aktivisten behauptet wurde. Vielmehr betonte das Urteil die Notwendigkeit verbesserter Betreuung von Schwangeren und die Rechte ungeborener Kinder mit Behinderungen.
Entscheidung mit weitreichender Bedeutung
Das Gericht setzte sich auch intensiv mit der Frage auseinander, inwieweit internationale Menschenrechtsstandards in nationale Gesundheitspolitik eingreifen können. Die Richter betonten die Bedeutung kultureller und rechtlicher Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten und vermieden es, einen einheitlichen Standard für die Region zu setzen.
Trotz intensiver Bemühungen von Abtreibungsbefürwortern – dokumentiert in über 100 Stellungnahmen verschiedener Organisationen – etablierte der Gerichtshof keinen Rechtsanspruch auf Schwangerschaftsabbruch. Diese Entscheidung hat weitreichende Bedeutung: Von den Mitgliedsstaaten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) haben 24 Länder die Amerikanische Menschenrechtskonvention ratifiziert und erkennen die Jurisdiktion des IAGMR an – mit Ausnahme der USA, Kanadas und einiger karibischer Staaten.
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